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ZUKUNFT PLANEN, PROZESSWÄRME ANPACKEN

Der dominierende Verwendungszweck von Brennstoffen in der Industrie, die Prozesswärme, spielt bei der Dekarbonisierung bisher nur eine Nebenrolle. Fünf Schritte, wie der Prozessenergieverbrauch markant reduziert und auf CO2-freie Energieträger umgestellt werden kann.

In den nächsten 30 bis 50 Jahren sollen Wirtschaft und Gesellschaft unter dem Strich keine Klimagase mehr emittieren, so das Ziel der Schweizer Netto-Null-Klimapolitik. In vielen Szenarien und Instrumenten, die sich auf die Realisation der Dekarbonisierung in diesem Zeitfenster beziehen, wird die industrielle und gewerbliche Prozesswärme am Rande oder gar nicht erwähnt. Dies, obwohl Prozesswärme der dominierende Verwendungszweck von Brennstoffen in der Industrie ist. So beträgt der Anteil an Prozesswärme bei den Unternehmen der EnAW deutlich mehr als zehn Terrawattstunden pro Jahr und dürfte um die 70 Prozent des industriellen Brennstoffverbrauchs aller EnAW-Teilnehmer ausmachen. Wird die Prozesswärme also vernachlässigt? Die Dekarbonisierung von Prozessen und der Prozesswärme ist für einen Grossteil der Unternehmen in den kommenden Jahrzehnten eine Herausforderung. Aber wenn die Bereitstellung und Anwendung von «zukunftstauglicher» Prozesswärme clever, differenziert, systematisch und vorausschauend angegangen wird, ist die Dekarbonisierung realistisch. Weil aber die Massnahmenumsetzung teilweise Jahrzehnte dauert, sollte die Planung nicht auf die lange Bank geschoben werden.

FÜNF-SCHRITTE-PLAN

Die langfristig CO2-freie Produktion erfordert Massnahmen und Entwicklungen auf verschiedenen Ebenen. Der Prozessenergieverbrauch kann durch Effizienzsteigerungen, Wärmerückgewinnung in und zwischen den Prozessen, Prozessoptimierungen, Prozessumstellungen, Produktanpassungen und Mehrfachverwendung der Rohstoffe (Kreislaufwirtschaft) und Abwärmenutzung zwischen Betrieben minimiert werden. Die erforderlichen Temperaturen für die Produktion können durch Prozess- und Produktanpassungen gesenkt werden. Der verbleibende Wärmebedarf kann durch CO2-freie oder CO2-arme Energieträger gedeckt werden. Fünf Schritte sind bei der Umsetzung einer CO2-freien Produktion Erfolg versprechend:

1. Effizienzsteigerungen
Insbesondere bei der Umsetzung von Massnahmen in den Prozessen ist das Potenzial für die Reduktion des CO2-Ausstosses durch Effizienzverbesserungen immer noch hoch. Durch Betriebsoptimierungen, den Einsatz verbesserter Technologien und Innovationen, prozessinterne Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung mit PinCH-Design können die Emissionen heruntergefahren werden. Die Effizienzsteigerungsmassnahmen für den klimaschonenden Einsatz von Prozesswärme und Prozessen sind für viele Betriebe häufig auch die kosteneffizientesten Massnahmen.

2. Übergreifende Nutzungen und Netze
Durch die Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung über einzelne Produktionsstandorte hinaus kann weiteres Potenzial zur Emissionsreduktion erschlossen werden. Durch Nah- und Fernwärmenetze können Wärme und Kälte zwischen verschiedenen Prozessen und Industrien genutzt werden. Die Herausforderungen bei der Umsetzung stellen sich bei der räumlichen Planung der übergreifenden Nutzungen und Netze bzw. der geografischen Distanz der potenziell angeschlossenen Unternehmen. Wärmenetze setzen ausserdem eine langfristige Planung voraus und bedingen hohe Investitionen, welche die Unternehmen der angeschlossenen Standorte teilweise finanziell nicht tragen können. Zudem schaffen übergreifende Nutzungen und Netze Abhängigkeiten zwischen den Betrieben, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen. So kann zum Beispiel ein Pfannenhersteller eine Gemeindeverwaltung, ein Altersheim, Teile der Schulanlagen und private Liegenschaften mit Wärme versorgen. Da nicht nur Partnerunternehmen vorhanden sein müssen, sondern häufig auch eine öffentliche Infrastruktur Voraussetzung ist, sind zudem Rechts- und Planungssicherheit sowie ein gutes Einvernehmen mit den Behörden unabdinglich.

3. Prozessumstellungen
In vielen Fällen können Prozesse auf weniger hohe Temperaturanforderungen, oft verbunden mit einem geringeren Energiebedarf, umgestellt werden. Solche Prozessumstellungen können sich lohnen, aber auch teuer und risikobehaftet sein. Entsprechend ist hier eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Begründungen wie: «wir lassen es so – so hat es immer funktioniert» oder «lass die Finger von den Einstellungen, das habe ich von meinem Vorgänger so übernommen» sind häufige und nachvollziehbare Reaktionen. In die Black-Boxen der Prozesse hineinschauen und dafür das nötige interne oder externe Fachwissen einsetzen, gewisse Risikobereitschaft und -fähigkeit, viel Innovation, Forschung und Entwicklung spielen für emissionsreduzierende Prozessumstellungen eine wichtige Rolle. Möglicherweise braucht es darüber hinaus Instrumente zur Absicherung von Risiken, um die Umsetzung von emissionsreduzierenden Prozessumstellungen anzustossen. Dies könnten Risikogarantien für grosse Technologiesprünge sein.

4. Produktumstellungen
Produkte können durch andere Produkte ersetzt werden, welche gleiche oder ähnliche Funktionen erfüllen, aber weniger Prozesswärme oder tiefere Temperaturen in der Produktion erfordern. Produktumstellungen werden auch umgesetzt, um die Materialien ressourcenschonender einzusetzen oder um die Materialien am Lebensende der Produkte besser zu trennen und zu rezyklieren.

5. Substitution Energieversorgung durch erneuerbare Energien
Selbst wenn die bisher beschriebenen vier Ansätze zur Reduktion von Emissionen ausgereizt sind, wird noch ein grosser Bedarf an Prozesswärme auf verschiedenen Temperaturniveaus bestehen bleiben. Dieser Bedarf sollte möglichst mit CO2-freien Energieträgern gedeckt werden können. Die wesentlichen Herausforderungen bei den erneuerbaren Energien sind die Verfügbarkeit, die Gleichzeitigkeit, das Temperaturniveau, die Preisentwicklung sowie die nachhaltige Produktion von Biogas sowie synthetischen Gasen und Flüssigbrennstoffen aus erneuerbaren Quellen. Diese Reihenfolge obiger Massnahmenschritte ist, ähnlich wie im Gebäudebereich, theoretisch zu verstehen: Zuerst die Gebäudehülle optimieren und dann die neue Heizung mit erneuerbaren Energien betreiben. In der Praxis ist es oft anders, nicht zuletzt wegen der verschiedenen Lebenszyklen der Bauteile. Setzen die Unternehmen bei den Prozessen und der Prozesswärme an, sollte in jedem Fall mit den Effizienzsteigerungen begonnen werden. Weitere Massnahmenschritte können dann situationsbedingt eine unterschiedliche Reihenfolge einnehmen.

EINFACH ODER SCHWIERIG? ES KOMMT DARAUF AN.

Die Dekarbonisierung der Prozesswärme ist nicht immer ganz einfach. Das lässt sich anhand von drei Beispielen gut aufzeigen. Eine genossenschaftlich organisierte Käserei in einer ländlichen Gegend am Rande einer Gewerbezone kann recht unkompliziert auf eine Schnitzelfeuerung mit Holz aus dem lokalen Forst umstellen. Allenfalls ist auch bereits eine Fernwärmeversorgung oder ein lokaler Wärmeverbund in der Nähe. Grund- und Spitzenlast würde wohl mit dem gleichen Kessel oder den Verbund abgedeckt werden. Holzkessel können ihre Leistung heute zwischen 100 bis 30 Prozent dem Bedarf anpassen. Die Käserei ist auf einen Schlag CO2-frei – so einfach kann es gehen. Rund 150 Käsereien, die von der EnAW bei der Umsetzung ihrer Dekarbonisierungsziele begleitet werden, haben das so gemacht, darunter auch grosse Unternehmen.

Die Dekarbonisierung von Prozessen und der Prozesswärme ist eine Herausforderung.

Etwas schwieriger könnte es in einer Gärtnerei werden. Nachts isolieren Energieschirme das Gewächshaus. Frühmorgens, wenn bei Sonneneinstrahlung die Energieschirme über den Kulturen eingezogen wird, entsteht kurzfristig eine grosse Spitzenlast. Mit einer Abwärmenutzung oder einer Erdsonden- bzw. Grundwasser-Wärmepumpe könnte dieser kurzfristige Energiebedarf nur über grosse Speicher bewerkstelligt werden. Ohne Speicher müsste zusätzlich ein Spitzenkessel zum Beispiel mit Biogas zum Einsatz kommen. Zudem muss die oben genannte Energiequelle überhaupt vorhanden und nutzbar sein. Allenfalls drängt sich gar eine Kulturumstellung auf oder die Gärtnerei fängt später im Jahr mit der Produktion an. Derartige Umstellungen können für einzelne Unternehmen einschneidend sein, sodass die Dekarbonisierung bei der Prozesswärme schon nicht mehr ganz so einfach ist.

Für einen Chemiebetrieb in urbaner Umgebung mit einer Vielzahl von kontinuierlichen und nichtkontinuierlichen Prozessen und sehr verschiedenen Temperaturanforderungen in den Prozessen wird es nochmals deutlich schwieriger. Grundsätzlich sollte nicht die höchste Temperaturanforderung auf dem Gelände dazu führen, dass das ganze Areal auf diesem hohen Temperarturniveau versorgt wird. Denn das verhindert nicht selten die Wärmerückgewinnung innerhalb der Prozesse, die Abwärmenutzung, ein mögliches Anergienetz, die Nutzung von Umweltenergie mittels Wärmepumpen oder die Verwendung von Solarthermie zur Vorwärmung oder Vollversorgung. Oftmals wird das Areal zentral durch eine einzige Heizzentrale mit einem Dampf- oder Heisswassernetz versorgt. Die hochtemperaturigen Wärmetauscher bei den Verbrauchern werden folglich klein dimensioniert. Dadurch können solche Netze später nicht ohne grössere Umrüstungen auf tiefere Temperaturen umgestellt werden, weil bei niedrigen Temperaturen die Wärmetauscherflächen grösser sein müssen.

Es bleiben Prozesse, die nur schwer dekarbonisiert werden können.

WAS IST ZU TUN?

Eine Aufteilung in Versorgungs-Cluster nach Temperaturniveaus und Betriebszeiten mit unterschiedlichen Wärmeerzeugern wäre für viele Unternehmen sinnvoll. Die Erzeugung von Raumwärme sollte möglichst von der Prozesswärme getrennt werden. Ein gut saniertes Gebäude kann heute mit einer Vorlauftemperatur von 35 Grad Celsius bedient werden. Da braucht es keine Ölfeuerung, keine Gasheizung und auch keine Holzfeuerung. «Hochtemperatur-Energieträger» sollten Hochtemperaturanwendungen vorbehalten sein (keine Raumwärme, kein Warmwasser). Störend ist auch, wenn Grossanlagen zur Verstromung von Holz die entstehende Wärme nicht vollständig nutzen. Die Ressource Holz als Energieträger wird knapp werden.

Etwas Licht am Ende des Tunnels bringt die hoffentlich zunehmende Verfügbarkeit von Biogas sowie synthetischen Gasen und Flüssigbrennstoffen aus erneuerbaren Energien. Mit ihnen können hohe Temperaturen erzeugt werden. Sie sind deshalb gezielt dort einzusetzen, wo es hohe Temperaturen braucht und sie sind nachhaltig zu produzieren. Auch Fortschritte bei der Hochtemperatur-Wärmepumpe sind wichtig. Letztlich bleiben aber Prozesse, die nur schwer dekarbonisiert werden können. Dazu gehören Prozesse in der Petrochemie und solche, die geogene Emissionen freisetzen wie das Kalkbrennen.

HEUTE FÜR MORGEN PLANEN

Basierend auf dem oben beschriebenen 5-Schritte-Plan zeigen die Beraterinnen und Berater der EnAW den interessierten Unternehmen zugeschnitten auf die Situation des Betriebs auf, welche Massnahmen über die nächsten 30 Jahre freiwillig ergriffen werden können, um Prozesse und Prozesswärme so weit wie möglich emissionsfrei zu gestalten. PinCH-Analysen, wie sie auch vom Bund finanziell unterstützt werden, werden ein Schlüssel bei der Identifikation von Wärmerückgewinnung und Prozessumstellung sein. Die Massnahmen- und Kostenplanung sollte zwingend mit Life Cycle Cost-Betrachtungen (LCC) gemacht werden. Bei der entsprechenden Massnahmenplanung sollten auch die möglichen «non energy benefits» aufgezeigt werden, weil Teile der Massnahmen nach heutigen Gesichtspunkten und Rahmenbedingungen sonst nicht wirtschaftlich sein dürften. Mit «non-energy benefits» sind Effekte gemeint, die zusätzlich zu den Energiekosteneinsparungen wirken. Anstoss, diese Planungsdienstleistung der EnAW in Anspruch zu nehmen, könnten anstehende grosse Investitionen in Produktionslinien oder Produktionsstandorte sein oder das Interesse, Handlungsoptionen zu erkennen. Die Zukunft planen, eben! Mehr als 200 Unternehmen, die von der EnAW begleitet werden, haben die Dekarbonisierung in der Prozesswärme in Angriff genommen und eine umfassende Planung erstellen lassen oder setzen entsprechende Massnahmen bereits um. Andere haben das noch vor sich. «Geht nicht» geht gar nicht, würde Jacqueline Jakob sagen. Die vielen Praxisbeispiele in diesem Magazin zeigen, was möglich ist und wo die Herausforderungen liegen

«Erfahrungsgemäss übersteigt der Ertrag aus den Effizienzmassnahmen die Kosten für die Teilnahme am KMU-Modell um ein Vielfaches.» – Thomas Weisskopf, Co-Geschäftsführer, Energie-Agentur der Wirtschaft

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Thomas Weisskopf

Co-Geschäftsführer

WEITERE INFORMATIONEN

Die Florin AG stellt seit bald 90 Jahren Speiseöle, Fette und Margarinen her. Das Familienunternehmen aus Muttenz bei Basel beherrscht dabei den gesamten Produktionsprozess: von der Auswahl und Pressung der Saaten über die Raffination der Rohöle, deren Abfüllung und Weiterverarbeitung. Wer schon so lange wirtschaftet, weiss um den Wert der Nachhaltigkeit. Seit 2001 ist die Florin AG deshalb auch Teilnehmerin bei der EnAW.

Das Schweizer Unternehmen Florin AG aus Muttenz bei Basel gehört zu den bedeutendsten Verarbeitungsbetrieben inländischer Ölsaaten.

Was haben Sonnenblumen, Raps und Erdnüsse gemeinsam? Sie geben Öl. Speiseöl für Salate, Suppen und Pasten, für Mayonnaise oder für das Frittieren von knusprigen Pommesfrites zum Beispiel. In der Schweiz landen die notwendigen Rohstoffe für die Herstellung und Verarbeitung von Speiseölen und Fetten nicht selten bei der Florin AG in Muttenz bei Basel. Als zentrales Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Verbraucher zählt das Unternehmen mit 135 Mitarbeitenden zu den grössten Abnehmern inländischer Ölsaaten. Darüber hinaus ist die Florin AG auch Partnerin für internationale Produktmarken und verarbeitet Kokos- und Palmöl aus dem Ausland. Nach der Ernte und Auslese werden die Rohstoffe in grossen Lastwagen und Güterzügen bei der Florin AG angeliefert, bevor sie in Speiseöle und Fette verwandelt werden. Das Familienunternehmen produziert jährlich 75 000 Tonnen Speiseöl, Speisefett und Margarinen. Mit ihren Produkten beliefert die Florin AG seit neun Jahrzehnten die Gastronomie- und Bäckereibranche, den Detailhandel sowie die Pharma- und Nahrungsmittelindustrie.

MASCHINELLES ORCHESTER

Öl ist nicht gleich Öl. Knusprig, cremig, sahnig kann es schmecken, die Geschmacksempfindung von Lebensmitteln also entscheidend beeinflussen. «Damit sich die gewünschten Eigenschaften entfalten können, kommt es auf die richtige Rezeptur an», erklärt der Betriebsleiter Alain Sierro bei einer Rundumbesichtigung der Produktionsgebäude. In der Ölmühle, als erste Verarbeitungsstufe, wird das Öl unter Druck und Hitze aus Ölsaaten wie zum Beispiel Rapssamen oder Sonnenblumenkernen ausgepresst. Das Rohöl wird in grossen Silos zwischengelagert, um anschliessend in der Raffinerie veredelt zu werden. Raffinationsschritte sind zum Beispiel das Entsäuern, Entwachsen, Fraktionieren, Härten und Desodorisieren der Öle und Fette, um die gewünschten sensorischen und physikalischen Eigenschaften des Fertigprodukts zu erreichen. Die Herstellungsprozesse der Florin AG sind hierbei hoch automatisiert, die Öle und Fette durchlaufen kilometerlange Rohrleitungen und diverse Tanklager, bevor sie entweder in LKW’s zu den Industriekunden gelangen oder in den Abfüllbetrieben bzw. in der Margarinefabrik abgefüllt und abgepackt werden. Hier werden die Fette und Öle gemischt, kristallisiert und in diverse Gebinde wie zum Beispiel als ein Kilogramm Margarinestangen oder in 20 Kilogramm Kartons als Frittierfett abgefüllt. Das maschinelle Orchester läuft auf Hochtouren: Sämtliche Prozessschritte erfordern Energie in Form von Strom und Wärme von jährlich 50 Gigawattstunden.

ZIELVEREINBARUNG

Nachhaltigkeit ist eines der strategischen Ziele der Florin AG. Dazu gehören etwa die Reduktion von Wasserverbrauch und Abfall, das Recycling und als internationaler Akteur insbesondere die Beschaffung von rückverfolgbaren Rohwaren aus dem Ausland, wie aus dem Umweltbild der Florin AG hervorgeht. Das Management gibt Ziele vor, die auf jeder Stufe des Unternehmens bis zu den Mitarbeitenden kommuniziert und quantifiziert werden – vom Wasserverbrauch bis zur Abfalltrennung. Dank einer konsequenten Zielüberwachung werden Massnahmen definiert, die schliesslich zu Kosteneinsparungen führen. Ein Prinzip, für das auch die EnAW steht. Seit 2001 widmet sich die Florin AG der stufenweisen Reduktion von CO2-Emissionen und Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Dafür wurde in Zusammenarbeit mit der EnAW eine verbindliche Zielvereinbarung mit dem Bund abgeschlossen. Mit der Umsetzung der darin definierten Effizienzmassnahmen spart die Florin AG nicht nur fleissig Energie, sondern auch Schweizer Franken. Und nicht nur das: Die Zielvereinbarung berechtigt das Unternehmen ausserdem, von der Rückerstattung der CO2-Abgabe zu profitieren. Rund 100 000 Franken spart die Florin AG insgesamt jährlich an Energiekosten ein.

ENERGIEKOSTEN SENKEN

Wir stehen im Rohfettlager, einer grossen, warmen Lagerhalle vor einem Dutzend Tanks. Hier werden die Öle und Fette erhitzt und wieder abgekühlt. Die Lagerung der Fette muss temperiert erfolgen, sonst werden die Fette dick und wären nicht mehr pumpfähig. «Vor ein paar Jahren standen diese Tanks draussen und mussten witterungsbedingt beheizt werden, damit das darin gelagerte Fett nicht zu einer festen Masse wird», erklärt Sierro. Auf Raten von EnAW-Berater Pascal Fotsch entschloss sich die Florin AG, die Rohöltanks nach innen zu verlagern, um Heizkosten zu sparen. Ein Vorteil: Dank dem Bau des neuen Innentanklagers sowie Isolationsmassnahmen zur Wärmedämmung diverser Rohrleitungen und Armaturen spart die Florin AG jährlich 33 000 Franken. Eine weitere, grosse Massnahme zur Steigerung der Energieeffizienz ist der Umstellung von Heizöl auf Erdgas als Brennstoff für die Dampfproduktion geschuldet. Dafür musste die Florin AG im Jahr 2014 eine zwei Kilometer lange Gasleitung ziehen lassen. Ein Unterfangen, das sich in der Energiebilanz ebenfalls sehen lässt: Seit dem Umsatteln von Heizöl auf Erdgas sinkt der CO2-Ausstoss der Produktionsstätte kontinuierlich. Rund 3270 Tonnen CO2 kann die Florin AG dadurch jährlich einsparen.

GRUPPENTREFFEN

EnAW-Berater Fotsch unterstützt den Betrieb aber nicht nur beim Aufspüren von Massnahmen zur Energieeffizienzsteigerung. Darüber hinaus bietet die Teilnahme am Energie-Modell der EnAW auch Möglichkeiten zum wertvollen Erfahrungsaustausch. So ist die Florin AG Mitglied der Energie-Modell-Gruppe FIAL (Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrien), die von Fotsch moderiert wird. Zweimal im Jahr treffen sich die Mitglieder-Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie, um über Schwierigkeiten, konkrete Lösungen, Massnahmen und Erfahrungen in Sachen Energieeffizienz zu sprechen.

Weitere Informationen

350 000 Gemüsekisten durchlaufen täglich das Gebinde Logistik Center in Villmergen. Um diese Menge zu bewältigen und die Abläufe möglichst effizient und energiesparend zu halten, arbeitet das Unternehmen seit über 15 Jahren mit der EnAW zusammen.

Rund 88 Millionen Gemüsekisten pro Jahr werden in Villmergen sortiert, gereinigt und weiter verteilt.

Sie sind dunkelgrün, eher unscheinbar und sehr stabil. So stabil, dass sie eigentlich nie kaputtgehen. Wenn abends auch die letzten Mandarinen und Rüebli aus diesen Kisten im Laden verschwunden sind, beginnt für die grünen Verpackungen ein weiterer Kreislauf ihres sehr langen Lebens. Zuerst werden die leeren Kisten zusammengeklappt – in dieser Form sind sie fünfmal kleiner als mit Rüebli. Dann werden sie gestapelt auf ein Holzpalett verladen, welches zuerst in eine Verteilzentrale und später nach Villmergen kommt. An einem der zahlreichen Wareneingänge des Gebinde Logistik Centers (GLC) entladen Fahrer die Plastikkisten – über 350 000 pro Tag. Im Schichtbetrieb werden die Gemüsekisten hier sortiert, gewaschen und getrocknet, bis sie sich bereits wenige Stunden später sauber und geordnet auf ihre nächste Reise begeben.

PAUSENLOS EFFIZIENT

Im Inneren des GLC türmen sich die Plastikkisten zu haushohen Stapeln. Roboterarme ordnen die grünen Unterlagen nach Form und Grösse, bevor sie über schier endlose Fliessbandstrassen in Richtung Waschmaschine transportiert werden. Einer, der sich dieses sorgfältig orchestrierte Gebilde an Förderbändern immer wieder gerne anschaut, ist Urs Winkelmann. Als Betriebsleiter behält er die technischen Abläufe stets im Blick, denn seine Anlagen pausieren eigentlich nie – ausser bei Wartungsarbeiten. Winkelmann erklärt es so: «Wir bieten hier eine relativ simple Dienstleistung an: Wir sortieren, waschen und verteilen die Kisten weiter. Wir können kein teures Produkt verkaufen, da ist es umso wichtiger, effizient zu arbeiten.» Effizient heisst, dass eine Kiste den ganzen Prozess in eineinhalb Stunden durchläuft – nur 75 Sekunden davon verbringt sie effektiv in der Waschmaschine. Effizient heisst für Winkelmann aber auch, Störungen zu vermeiden und den Energieverbrauch ständig zu optimieren – um damit Kosten zu sparen.

NACHHALTIG ZURÜCKFAHREN

Entstanden ist das GLC aus der Zingg Transporte AG, deren Lastwagen vor allem Lebensmittel transportieren. Der Firmengründer Werner Zingg störte sich an den vielen Leerfahrten, welche seine Fahrzeuge nach Ablieferung der Ware zurücklegten. Das Unternehmen fing an, die leeren Kisten wieder mitzunehmen und gleich selbst zu waschen. Der Vorläufer des GLC war geboren – basierend auf einer simplen, aber nachhaltigen Idee. Heute ist die Firma schweizweit einzigartig: Sämtliche Gemüsekisten dieser Art kehren zum Waschen regelmässig nach Villmergen zurück. Diese besondere Marktposition gibt Ansporn zur Innnovation. Am Waschprozess selbst könne jedoch nicht mehr viel optimiert werden und die Kisten seien so stabil, dass sie viele Jahre lang hielten, so Winkelmann. Was bleibt, ist der Weg zu noch mehr Effizienz im ganzen Ablauf – damit werden auch die Energiekosten gesenkt. Ein Meilenstein auf diesem Weg war der Ersatz der alten Trocknungsanlage, eine von der EnAW unterstützte Massnahme. Früher föhnten hunderte Ventilatoren die Kisten trocken und verbrauchten Unmengen an Energie. Heute wird dieser Prozess von einer Schleudereinrichtung übernommen, inklusive Energierückgewinnung beim Abbremsen. Die Zentrifuge trocknet ganze Kistenstapel gleichzeitig und verbraucht zehnmal weniger Energie. In Zukunft sollen mehrere kleine Maschinen die heutige, grosse Zentrifuge ersetzen. Winkelmann: «Wenn die grosse Maschine kaputt ist, kann ich meine Leute nach Hause schicken. Die kleinen Maschinen erzielen denselben Effekt, aber mit kleineren Mengen und Einheiten.» Das Risiko eines Stillstands wird also minimiert.

«ICH SPARE UND ER RECHNET»

Seit Beginn sind das GLC und die Zingg Transporte AG zusammen Teilnehmer der EnAW. Mit der Unterstützung von EnAW-Berater Thomas Pesenti haben die Unternehmen eine Universalzielvereinbarung mit dem Bund unterschrieben. Die Massnahmen zur Effizienzsteigerung werden damit anerkannt und kantonale Detailvorschriften im Energiebereich automatisch erfüllt. Die Vereinbarung berechtigt ausserdem zur Rückforderung der Abgabe auf CO2-Emissionen. Winkelmann ist zufrieden mit der EnAW: «Dank Herrn Pesenti müssen wir uns gar nicht gross mit Gesetzen wie dem Grossverbraucherartikel auseinandersetzen. Ich versuche einfach einzusparen und er rechnet alles aus und unterstützt uns bei der administrativen Arbeit.» So spart das GLC von Jahr zu Jahr mehr Energie. Die Nachhaltigkeitsidee aus der Gründungszeit ist in der Gegenwart angekommen.

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