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Hochalpine Energieeffizienz

Die Reinigung von Abwasser ist energieintensiv. Deshalb setzt die ARA Gadenstatt in Davos in Zusammenarbeit mit der EnAW auf ein effizientes Energie-Management. Neben einem neuen Heizsystem mit Abwasserwärmepumpe steht in Davos auch das erste hochalpine Solarfaltdach. Damit produziert die ARA Gadenstatt sogar in den schneereichen Wintermonaten Energie.

Musterschülerin in Sachen Energieeffizienz: Dank dem Solarfaltdach HORIZON produziert die ARA Gadenstatt in Davos auch über die Wintermonate Solarstrom.

Eingebettet ins Davoser Bergpanorama erscheint die ARA Gadenstatt in Davos fast unscheinbar. Sie ist die grösste von insgesamt vier Abwasserreinigungsanlagen in der Gemeinde und funktioniert nach dem mechanisch-biologischen Prinzip. In nur fünf bis neun Stunden durchläuft hier das Abwasser den kompletten Reinigungsprozess in zwei parallel verlaufenden Reinigungsstrassen, bevor es über einen Ablaufkanal ins Ausgleichsbecken in Glaris und von dort in einer Druckleitung hinunter nach Filisur fliesst, wo es turbiniert wird. Doch bis das Abwasser in vorgeschriebener Qualität gesäubert ist, braucht es vor allem eines: viel Energie.

Energieintensive Biologie

Nach den Bergbahnen ist die ARA Gadenstatt einer der grösseren Energieverbraucher in der Gemeinde Davos. Das weiss keiner besser als der Betriebsleiter Markus Wendler. Er leitet die Kläranlage seit 2016 und erklärt, wo die meiste Energie benötigt wird: «Damit die Biologie in den sogenannten Belebungsbecken richtig funktioniert, müssen die Becken konstant mit Sauerstoff versorgt werden.» Dafür werde durch 1200 Tellerbelüfter mal mehr und mal weniger Luft hindurchgepresst, und das während 24 Stunden und an 365 Tagen im Jahr, so der Betriebsleiter. Erzeugt wird diese Luft durch drei unterschiedlich grosse Gebläse. Ebenso energieintensiv sei der Prozess im Faulturm. Für die Faulgasproduktion müsse der Schlamm bei 38 Grad Celsius gelagert werden, wofür es eine Vorlauftemperatur von 60 Grad Celsius brauche. «Für die Beheizung des Faulturms und der Gebäude verheizten wir jährlich rund 60 000 bis 70 000 Liter Heizöl», sagt Wendler.

In der Natur der Sache

«Als ARA sind wir bestrebt, die Umwelt nicht zu belasten», so der Betriebsleiter. Deshalb liege der nachhaltige und schonende Umgang mit den Ressourcen in der Natur der Sache. Hinzu kommt, dass sich Davos als Energiestadt zu einer nachhaltigen Energiepolitik verpflichtete. Bis 2036 strebt die höchstgelegenste Stadt Europas die Energieautarkie an. So erstaunt es wenig, dass die ARA Gadenstatt gemeinsam mit der EnAW die Energieeffizienz in der Kläranlage auf Vordermann brachte.

Heizölfrei dank neuem Heizsystem

2016 musste aufgrund gesetzlicher Vorgaben ein Ablaufkanal realisiert werden. Im gleichen Schritt setzte die ARA Gadenstatt eine grosse energetische Massnahme um, indem sie im Ablauf des gereinigten Wassers einen Wärmetauscher integrierte. «Damit entziehen wir dem die ARA verlassenden und gereinigten Abwasser Wärme», erklärt der Betriebsleiter. 2017 folgte die Installation der speziell hergestellten Abwasserwärmepumpe und des Wärmespeichers. Auch wenn die Investition kosten- und zeitintensiv war, habe sie sich aus energetischer Sicht mehr als gelohnt: Heute verbraucht die Kläranlage praktisch kein Heizöl mehr. «Wir sparen also rund 60 000 bis 70 000 Liter Heizöl ein pro Jahr.»

Bündner Innovation

Auch in Sachen Strom ist die ARA Gadenstatt eine Musterschülerin. So schwebte die Idee einer betriebsinternen Stromproduktion schon länger im Kopf des Betriebsleiters herum. Denn der Standort sei rein theoretisch optimal gelegen für die Energieproduktion mittels PV-Anlage, wie Wendler erzählt. Wären da doch bloss nicht die schneereichen und langen Wintermonate. «Denn mit einer herkömmlichen PV-Anlage produzieren wir in Davos zwischen November und Mai wegen des Schnees keinen Strom», so Wendler. Die Lösung für dieses Problem wurde nur wenige Luftkilometer von Davos entfernt in Zizers entwickelt: Das Solarfaltdach HORIZON verwandelt nämlich industrielle Nutzflächen in Solarkraftwerke und eignet sich besonders gut für Parkplätze, Logistikareale oder Kläranlagen. Die neuartige Technologie, die an einer Klärwerktagung in Chur präsentiert wurde, begeisterte den Betriebsleiter sofort. Doch funktioniert sie auch in der alpineren Höhenlage von Davos?

Stromproduktion selbst im Winter

Nach einem umfangreichen Variantenstudium und genauen Berechnungen war klar: Das Solarfaltdach ist die perfekte Lösung für die ARA Gadenstatt – auch wenn die Investitionskosten hoch sind. «Da wir aber aufzeigen konnten, dass wir mehr als 90 Prozent des produzierten Stroms selbst verbrauchen, kam der Antrag auch im Landrat durch», erinnert sich Wendler. Seit Herbst 2020 steht in Davos auf rund 1500 Meter über Meer nun also das erste hochalpine Solarfaltdach. «Sobald die Messstation Schnee oder Wind registriert, werden die Panels automatisch eingefahren», erklärt Wendler. Und das sei auch schon die ganze Hexerei. Denn durch den automatischen Einfahrmechanismus bleiben die Panels immer schneefrei und dadurch funktionstüchtig: «Mit den ersten Sonnenstrahlen wird das Solarfaltdach wieder ausgefahren. So können wir auch im Winter Solarenergie produzieren», sagt er. Die Idee hinter dem Solarfaltdach sei damit simpel, aber genial.

Viele Pluspunkte, keine Nachteile

Wie genial die Idee ist, zeigen die Ergebnisse an einem schneereichen oder bewölkten Wintertag. Denn auch wenn die Anlage nur wenige Stunden ausgefahren ist, produziert sie ein paar Kilowattstunden Strom. Erklären lässt sich dies mit dem Albedo-Effekt, der eine erhöhte Strahlungsenergie bewirkt. «Selbst im Sommer mit mehr Sonnenstunden haben wir nie dieselbe Strahlungsenergie wie im Winter mit den schneebedeckten Hängen», zeigt sich der Betriebsleiter begeistert. Das Produkt überzeugt ihn aber auch in weiteren Belangen: Es ist «seriös, zuverlässig und einwandfrei». Die Instandhaltung sei marginal, zudem spende das Dach im Sommer Schatten. Das macht nicht nur die Arbeit für seine Mitarbeitenden an wärmeren Tagen sehr angenehm, sondern reduziert auch die Algenbildung im Becken. Auch der EnAW-Berater der ARA Gadenstatt, Claudio Bock, zeigt sich begeistert vom Solarfaltdach. «Für eine ARA ist das Solarfaltdach der optimale Energieproduzent», sagt Bock, der neben der ARA Davos noch weitere ARAs betreut. Ob es denn neben den hohen Investitionskosten gar keinen Nachteil gebe? Der Betriebsleiter denkt lange nach und stellt fest, dass er im Winter etwas mehr Schneeschaufeln müsse rund um die Becken als zuvor. «Das ist aber kaum nennenswert.»

Gemeinsam mit der EnAW über die Ziele hinaus

Gemäss Bock seien nun die grössten Energieeffizienzziele erreicht. «Wir machen aber trotzdem weiter», sagt Wendler und erzählt, dass sie gerade daran seien, den Faulturm zu inspizieren. «Der ist aktuell noch der grösste Energieverbraucher», so Bock. Im Winter sieht man es mit blossem Auge: Denn der Faulturm gibt so viel Wärme ab, dass das Dach immer schneefrei bleibt. Welche Massnahme da ans Ziel führt, ist allerdings noch offen. Klar ist aber, dass die ARA Gadenstatt den Lösungsweg zusammen mit der EnAW angeht. «Die Zusammenarbeit mit Claudio Bock möchte ich nicht missen», betont der Betriebsleiter. «Ich komme mit einer Idee und er macht die Berechnungen und präsentiert Lösungen.»

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Die Entstehung eines Werkzeugklassikers als Grundstein für ökologisches Unternehmertum: Ein Gespräch mit der PB Swiss Tools CEO und Vizepräsidentin Swissmem Eva Jaisli und dem Project Manager Development Manufacturing Martin Leuenberger über Qualität, Verantwortung und Dekarbonisierung.

Eva Jaisli, CEO von PB Swiss Tools und Vizepräsidentin von Swissmem, setzt sich auch auf nationaler Ebene für eine verantwortungsvolle Wirtschaft ein.

Martin Leuenberger ist seit 1998 bei PB Swiss Tools und verantwortet die Bereiche Umwelt und Arbeitssicherheit.

Für den Betrieb der Wärmepumpe wird Abwärme von Maschinen im Werk genutzt.

In der Herstellung der Werkzeuggriffe wird Acetobutyrat verwendet, welches direkt vor Ort recycelt und im Produktionsprozess wiederverwertet wird.

Die PB Swiss Tools produziert seit 1878 im Emmental Schweizer Qualitätswerkzeuge und medizinische Instrumente für die ganze Welt. Frau Jaisli, Sie führen das Unternehmen seit 25 Jahren, was macht diesen langjährigen Erfolg aus?

Eva Jaisli: Es ist ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, bei dem wir uns immer fragen: Was erwarten unsere Kunden morgen von uns? Welche Voraussetzungen müssen wir schaffen, um ihre Erwartungen zu erfüllen und sie zu begeistern? Wesentlich sind unsere Innovationskraft, die unverwechselbare Qualität und die wettbewerbsfähigen Preise. Diese Faktoren entscheiden darüber, ob wir eine Lead-Position im globalen Markt behalten und unser Versprechen «work with the best» einhalten können.

Martin Leuenberger: Erwähnenswert ist sicher auch die lebenslange Garantie auf unseren Werkzeugen. Wären wir selbst nicht davon überzeugt, dann würden wir sie nicht gewähren. Man hat Vertrauen in unser Werkzeug – es ist ein ständiger Begleiter für Profis in Industrie und Handwerk genauso wie für anspruchsvolle Heimwerkerinnen und Heimwerker.

Nachhaltigkeit hat einen hohen Stellenwert in Ihrem Unternehmen. Wie ist dieser Fokus entstanden?

Eva Jaisli: Die Inhaberfamilien haben über Generationen den Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt und entsprechend investiert. Mit dem Verständnis von sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung gestalten wir bis heute die Unternehmensentwicklung. Beispielhaft dafür ist unser komplett rezyklierbarer Griff aus Cellulose Acetate Butyrate (CAB) – ein abgewandelter Naturstoff, gefertigt auf der Basis von Cellulose. Entstanden ist der Griff aus der Not des Zweiten Weltkriegs, als Werkzeug aus dem Ausland nicht mehr zu beziehen war. Die Schweizer Armee bat PB Swiss Tools, den Bedarf abzudecken. Mein Schwiegervater nahm die Herausforderung an und investierte einen halben Jahresumsatz für den Kauf einer Spritzgiessanlage aus Amerika, eine in Europa damals unbekannte Technologie.

Wir berücksichtigen den Umweltaspekt bereits bei der Beschaffung einer neuen Maschine.

Martin Leuenberger, Project Manager Development Manufacturing

Das klingt nach einer mutigen Investition…

Martin Leuenberger: Ja, das war enorm risikoorientiert und innovativ. Er war ein Pionier mit dem Anspruch, einen qualitativ hochwertigen Griff herzustellen, der mit Rücksicht auf die Natur seriengefertigt werden konnte. Dieser hat im Markt sehr überzeugt – und ist bis heute weltweit beliebt.

Die PB Swiss Tools hat früh auf Wärmepumpen gesetzt. Standen hier ähnliche Überlegungen im Zentrum?

Eva Jaisli: Die Vision kam ebenfalls von meinem Schwiegervater, der gesagt hat: «Ich will keinen Kamin auf dem neuen Produktionswerk, es muss eine andere Lösung geben.» So waren wir 1979 eine der ersten Firmen in der Schweiz, die eine Wärmepumpenanlage in dieser Grössenordnung integrierte.

Martin Leuenberger: Und das trotz der wahnsinnigen Kosten damals – ein Ölbrenner hätte nur einen Bruchteil davon gekostet. Das war damals eine Pionierleistung, von der wir heute noch zehren.

Sie haben seither noch weitere Wärmepumpen integriert. Welche Vorteile bringen diese?

Martin Leuenberger: Die Wärmepumpen können wir mit der Abwärme aus dem Kühlwasser unserer Maschinen betreiben. Eines unserer beiden Werke wird ausschliesslich mit Grundwasser-Wärmepumpen geheizt.

Sind die Umwelt- und Energiethemen bei PB Swiss Tools in der Strategie verankert?

Eva Jaisli: Ja, die nachhaltige Entwicklung ist eine Stossrichtung in unserer Vierjahresstrategie. Diese ist ausgerichtet auf die Vision einer sich nachhaltig entwickelnden Gesellschaft. Auf Basis der Strategie entwickeln wir einen Aktionsplan, dort sind die Meilensteine für zwei Jahre definiert. Da geht es unter anderem um das Einsparen der umweltrelevanten Faktoren Wasser, Strom und Chemikalien sowie um die Reduktion von Treibhausgasemissionen.

Wie arbeiten Sie beide zusammen?

Martin Leuenberger: Die Zusammenarbeit ist unkompliziert. Wir haben sehr kurze Entscheidungswege. Wenn Fragen und Entscheide anstehen, schauen wir das gemeinsam an, analysieren mit allen Beteiligten und entscheiden zeitnah.

Zur Qualität gehört die nachhaltige Entwicklung.

Eva Jaisli, CEO PB Swiss Tools und Vizepräsidentin Swissmem

Die Schweiz strebt das Netto-Null-Ziel an. Gehen Sie mit PB Swiss Tools auch in diese Richtung?

Eva Jaisli: Ganz klar. Die CO2-Reduktion ist eine der Voraussetzungen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Im Thema steckt ein gesellschaftspolitisches und ein unternehmerisches Interesse. Wir reduzieren mit unseren Massnahmen nicht nur Emissionen, sondern auch Kosten. Das Ziel entspricht also unserer Logik und ist damit auch Teil unserer Strategie.

Neben den Wärmepumpen haben Sie weitere umweltschonende Massnahmen gesetzt.

Martin Leuenberger: Genau. Ein weiterer Meilenstein war die Chargenentgiftung vor zehn Jahren. Dank der Einführung der Kreislaufentgiftung für unsere Galvanik sparen wir heute sehr viel Wasser. Grundsätzlich berücksichtigen wir den Umweltaspekt bereits bei der Beschaffung einer neuen Maschine. Wir prüfen, wie wir die Nebenenergie nutzen können, etwa um zu heizen. Unsere Technologie und Produktion erneuern wir kontinuierlich und erhöhen so den Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz. Es lohnt sich definitiv, bestehende Prozesse zu hinterfragen und stetig zu verbessern.

Eva Jaisli: Wir sind bestrebt, umweltrelevante Verantwortung für uns und die kommenden Generationen wahrzunehmen. Das verlangt nach Systematik im Denken, Entscheiden und Umsetzen. Es hat aber auch mit der Einstellung zu tun, dem Spirit im Unternehmen. Wenn mehrere mitdenken, kommt es in der Regel zu besseren Resultaten. Die Massnahmen verlangen aber auch die Bereitschaft, laufend zu investieren.

Wie wird das konkret umgesetzt?

Martin Leuenberger: Einen hohen Stellenwert hat beispielsweise das Warten unserer Anlagen. Ein Verschleiss ist immer auch ein Verlust, der zu Ausfällen führen kann. Deshalb ist bei der Produktentwicklung die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von der Entstehung bis zur Entsorgung sehr wichtig.

Eva Jaisli: Deshalb interessieren uns auch die Lieferanten und die Art und Weise, wie sie Sorge zur Umwelt tragen. Es geht darum, sämtliche Aspekte immer wieder unter die Lupe zu nehmen und danach zu fragen: Wo ist der technologische Entwicklungsstand? Wo können wir mit neuen Lösungen unsere Produkte oder Fertigungsprozesse weiter optimieren?

Welche Rahmenbedingungen brauchen KMU, um den Weg zur Dekarbonisierung einzuschlagen?

Eva Jaisli: Wir brauchen unternehmerischen Spielraum und den müssen wir mit aller Verantwortung und Sorgfalt wahrnehmen. Das Umweltschutzgesetz, das 1985 in Kraft trat, wurde zu einem Treiber der Sorgfaltspflicht und hat sicher dazu beigetragen, die umweltschonenden Produktionsweisen voranzutreiben.

Sie beide haben die Unternehmenskultur als Faktor für nachhaltige Unternehmenstätigkeiten angesprochen. Können Sie das genauer erläutern?

Martin Leuenberger: Ein Thema ist Suffizienz. Wir überlegen uns: Ist der Flug zum Kunden zwingend nötig oder können wir das anders lösen? Wir prüfen immer, ob es alternative Wege gibt, um Ressourcen zu sparen. Die Bereitschaft zum Verzicht gehört auch dazu. Es ist eine Lebenseinstellung. Glücklicherweise gibt es bei uns sehr viele, die mitziehen und Sinn darin sehen.

Eva Jaisli: Sinnstiftende Arbeit ist ein ganz wichtiger Punkt. Nachhaltige Entwicklung ist ein Teil dessen, was das Leben wertvoll macht – sei das als Individuum, als Familie, als Firma oder als Gesellschaft. Verantwortungsvolles Wirtschaften ist für mich sinnstiftend. Diesen Fokus verfolgen wir bei PB Swiss Tools. Mit Innovation und Kontinuität entwickeln wir unsere Produkte, ohne dabei die Verantwortung gegenüber der Umwelt aus den Augen zu verlieren. Denn Bestandteil unserer Qualität ist die nachhaltige Entwicklung. Das ist unsere Unternehmensphilosophie. Dazu braucht es Fahnenträgerinnen und Fahnenträger, die das vorleben. Und das nicht nur innerhalb der Firma.

PB Swiss Tools, Wasen im Emmental (BE)

Die PB Swiss Tools AG ist ein Familienunternehmen, das heute in vierter Generation von Eva Jaisli (CEO), Max und Marco Baumann (CTO) geführt wird. Seit 1940 werden Werkzeuge produziert, seit 2013 Medizinprodukte. Heute stellen 180 Mitarbeitende in Wasen und Sumiswald jährlich zwölf Millionen Werkzeuge und medizinische Instrumente her. Mehr als zwei Drittel davon werden in 85 Länder exportiert.

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Mit einem Anteil von insgesamt 25 Prozent des Energiebedarfs in der EU ist die Industrie ein wichtiger Akteur, um die Klimaziele zu erreichen. Zur Dekarbonisierung der industriellen Produktion sind sowohl Effizienzsteigerungen als auch neue Prozesse auf der Basis erneuerbarer Energien erforderlich.

© Agrana

Betrachtet man den Endenergieeinsatz für die verschiedenen industriellen Anwendungen, zeigt sich deutlich, dass Wärme mit 81 Prozent der gesamten Endenergie eine wesentliche Rolle spielt. Neben Raum- und Prozesskühlung sowie Raumwärme macht Prozesswärme mit 66 Prozent des Endenergiebedarfes davon den grössten Teil aus. Davon entfallen 11 Prozent auf Prozesse, die Temperaturen unter 100 Grad Celsius benötigen, und 26 Prozent auf Prozesse mit Temperaturen zwischen 100 bis 200 Grad Celsius.1

Industrielle Wärmepumpen wandeln ungenutzte Abwärme in hochwertige Prozesswärme um und erhöhen so die Energieeffizienz der Prozesse und tragen zur Elektrifizierung bei. Dadurch lassen sich die CO2-Emissionen und der Primärenergieverbrauch erheblich reduzieren. Eine aktuelle Studie stellt den Prozesswärmebedarf und die Verfügbarkeit von Abwärme in den Sektoren Papier, Chemie, Raffinerie und Lebensmittel gegenüber. Der Prozesswärmebedarf <150 Grad Celsius beläuft sich auf 745 Petajoule pro Jahr respektive 207 Terawattstunden pro Jahr (EU-28). Bei Temperaturen >100 Grad Celsius nimmt der Wärmebedarf in allen Branchen deutlich zu, dies wird auf den Dampfbedarf zurückgeführt. Es wurden 1039 Petajoule pro Jahr respektive 289 Terawattstunden pro Jahr Abwärme von <150 Grad Celsius ermittelt. Davon fällt der Grossteil in allen Sektoren im Temperaturbereich von 40 bis 100 Grad Celsius an (ca. 70 Prozent).2

Verschiedene Demonstrationsprojekte

Für die Industrie sind daher Hochtemperaturwärmepumpen, die Vorlauftemperaturen über 100 Grad Celsius liefern, von grossem Interesse. Hochtemperaturwärmepumpen, die Wärme mit bis zu 160 Grad Celsius bereitstellen können, werden derzeit in ersten Demonstrationsprojekten in industrieller Umgebung erprobt. Der Fokus des H2020-Projekts DryFiciency, das vom AIT Austrian Institute of Technology geleitet wird, liegt dabei auf industriellen Trocknungsprozessen. Die Wärmepumpen nutzen industrielle Abwärme als Wärmequelle und liefern Heisswasser mit bis zu 160 Grad Celsius. Zwei Prototypen der Wärmepumpen wurden in Trocknungsprozessen für Stärke und Ziegel integriert, dabei wurden bereits jeweils über 4000 Betriebsstunden der Anlagen erreicht.3 In weiteren Forschungsprojekten mit Beteiligung des AIT Austrian Institute of Technology wird an der Demonstration von dampferzeugenden Wärmepumpen gearbeitet. Im Projekt BAMBOO wird neben dem Betrieb dieser Technologie die Möglichkeit zur Flexibilisierung der Energieversorgung untersucht.4 Im Projekt LEAP werden die Dekarbonisierungsziele industrieller Leitbetriebe adressiert und multiplizierbare Einbindungskonzepte für dampferzeugende Wärmepumpen erarbeitet.5 Die Bereitstellung von Prozessdampf aus Abwärme mithilfe von Wärmepumpen hat grosses Potenzial, da Dampf als Energieträger in der Industrie weit verbreitet ist.

Wärmepumpen, die 120 bis 130 Grad Celsius bereitstellen können, sind bereits marktverfügbar oder stehen kurz vor der Markteinführung. Die Kommerzialisierung von Wärmepumpen mit noch höheren Nutzungstemperaturen wird in den kommenden Jahren erwartet. Wesentliche technologische Herausforderungen von Hochtemperaturwärmepumpen sind temperaturbeständige Materialien (beispielsweise Schmiermittel und Dichtungen) und Komponenten (beispielsweise Verdichter). Die industriellen Anwender fordern zudem eine hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit sowie wirtschaftliche Lösungen. Erfolgreiche Demonstrationsprojekte sind eine wichtige Grundlage, um Vertrauen in neue Technologien zu schaffen und diese weiterzuverbreiten.

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Die Forbo-Giubiasco SA hat ihren CO2-Ausstoss seit 2012 halbiert. Mit Effizienzmassnahmen, Prozessanpassungen und dem Anschluss an ein Fernwärmenetz.

Bruno Guidotti (links), Geschäftsführer der Forbo Giubiasco SA, und EnAW-Berater Walter Bisang (rechts) erarbeiten gemeinsam besonders erfolgreiche Massnahmen.

Wie ein Teig: Die zunächst auf 180 Grad Celsius erhitzte Bodenbelag-Masse wird nach dem Walzen abgekühlt.

Schweissschnüren mit der gleichen Farbe und passend zum Bodenbelag werden verwendet, um die Zwischenräume zwischen den Bodenbelag-Platten zu schliessen. Perfekte Hygiene und pflegeleicht.

Die in Giubiasco hergestellten ableitfähigen und isolierenden Platten werden in der Elektro- und Elektronikindustrie auf der ganzen Welt eingesetzt.

Wie muss ein Bodenbelag sein, damit er in Laboren, radiologischen Bereichen oder in der Elektro- und Elektronikindustrie eingesetzt werden darf? Er muss gleichzeitlich ableitfähig und isolierend sein, sowie statische Entladungen verhindern, um die Personen zu schützen, die beim Kontakt mit spannungsführenden Teilen Gefahren ausgesetzt sind. Nebst der Personensicherheit als zentrales Verkaufsargument ist auch die Wahrung der Produktequalität von empfindlichen Elektrogeräten von essenzieller Bedeutung. Diese könnte bei einer statischen Entladung massgeblich beeinträchtigt werden. Die Expertise von Forbo-Giubiasco liegt genau in der Anfertigung solcher Spezialböden. Hier am Standort Giubiasco im Tessin werden Bodenbelag-Platten mit den passenden Schweissschnüren, Ecken, Rampen und Sockelleisten hergestellt. Und zwar für die ganze Welt.

Qualität = Swissmade

Colorex heisst der porenfreie, pflegeleichte High-Tech-Vinylboden. Er erfüllt höchste Hygieneansprüche bis hin zur Reinraumtauglichkeit. Er muss gegenüber elektrischen Spannungen, die von Geräten ausgehen, isolierend und gleichzeitig antistatisch sein. Besonders im Winter und bei trockener Luft kann es durch Reibung von Kleidern oder Schuhen zu Funkenentladungen kommen, wenn sich die Bodenbeläge statisch nicht entladen. Hier darf man keine Risiken eingehen – niemand auf der Welt. So beliefert das Tessiner Unternehmen Kunden in Amerika, Asien und Europa. Dabei gehe es in erster Linie um Vertrauen, erklärt Bruno Guidotti, Geschäftsführer und promovierter Chemiker der Forbo-Giubiasco SA. Aber wie wird ein solches Produkt hergestellt und wo liegen dabei die energieintensivsten Produktionsschritte?

Es ist ein ewiges Hin und Her zwischen heiss und kalt.

Bruno Guidotti, Geschäftsführer der Forbo-Giubiasco SA

Wie beim Backen

«Stellen Sie sich vor, Sie backen einen Zopf», beginnt Guidotti zu erklären. Zu Beginn des Prozesses erhält das Unternehmen die Rohmaterialien in Pulverform. Diese werden zunächst im vierstöckigen Mischturm dosiert und gemischt. Der ganze Prozess läuft vollautomatisch und wird vom Kontrollraum aus gesteuert und ständig überwacht. Am Ende des Mischvorganges entsteht durch das Erhitzen der Grundmasse auf 180 Grad Celsius eine heisse, homogene und verarbeitbare Masse. «Der Teig sozusagen», schmunzelt Guidotti. Anschliessend wird diese heisse Masse mithilfe von Kalanderwalzen zu einem endlosen Band ausgewalzt und kühlt an der Luft ab. In einem nächsten Schritt wird dieses Band zu kleinen, viereckigen Chips zerschnitten. Mit einer schwarzen Flüssigkeit auf Russbasis werden diese Chips anschliessend beschichtet. Die schwarze Flüssigkeit besteht aus leitfähigem Material und sorgt dafür, dass die Böden am Ende antistatisch werden. Mit hohem Druck – ganzen 45 Kilogramm pro Quadratzentimeter – werden die Chips in einem grossen Ofen erneut erhitzt, zu Fladen gepresst und anschliessend längs gespaltet. Was danach passiert, ist die Oberflächenbehandlung, die aus Schleifen, Bürsten und Glätten besteht, bevor die Platten in den Entspannungsofen gelangen, in dem sie zuerst erwärmt und anschliessend gekühlt werden. Am Ende des Prozesses werden die Platten auf Mass gestanzt, akribisch kontrolliert, palettiert und zum Versand vorbereitet.

Mit kleinen Massnahmen Grosses bewirken

«Es ist ein ewiges Hin und Her zwischen heiss und kalt», sagt Guidotti über den Produktionsprozess. Und das sei eigentlich immer energieintensiv. Für die gesamte Produktion benötigt die Forbo-Giubiasco SA eine grosse Menge an thermischer Energie. Seit über neun Jahren ist die Grossverbraucherin deshalb nun schon Teilnehmerin im Energie-Modell der EnAW und folgt damit unter anderem ihrem weltweiten Motto «Creating Better Environments». Seitdem haben Guidotti und EnAW-Berater Walter Bisang schon viel erreicht. Nämlich beispielsweise mit der Umsetzung von Effizienzmassnahmen. Nicht nur die Knet- und Schmelzmaschine, sondern auch die grosse Presse werden durch Thermoöl beheizt. Früher ging viel von dieser Prozesswärme aufgrund wenig Isolierung einfach verloren. Heute sind die Maschinen komplett mit Isoliermatten bestückt und die wärmeführenden Röhren optimal gedämmt. Die Wärme bleibt so vermehrt im Prozess und Forbo spart damit ganze 70 000 Liter Heizöl pro Jahr. «Natürlich müssen Massnahmen, die wir im Sinne der Umwelt umsetzen auch wirtschaftlich interessant sein», so Guidotti. Mit einer Payback-Zeit von knapp drei Jahren haben sich diese Effizienzmassnahmen aber bereits alle Male gelohnt

Wir schauen einer treibhausgasfreien Zukunft optimistisch entgegen.

Bruno Guidotti, Geschäftsführer der Forbo-Giubiasco SA

Genau hinschauen lohnt sich

Wer nach klassischen Effizienzmassnahmen einen Schritt weitergehen will, schaut sich die Prozesse an. Beispielsweise mit einer Pinch-Analyse. «Bei der Pinch-Analyse geht es darum, alle Prozesse grundsätzlich zu hinterfragen», erklärt Bisang. Und genau das hat die Forbo-Giubiasco SA 2012 und 2014 gemacht. So auch beim Entspannungsofen, der am Ende der Produktion steht und bei dem der Energieverbrauch hauptsächlich von der Temperatur im Innern des Ofens bestimmt wird. «Es stellte sich die Frage, ob die eingesetzte Erhitzungstemperatur notwendig war», erinnert sich Bisang.  Auch wurde die Menge der benötigten Zuluft und Abluft in den einzelnen Bereichen sowie die absoluten Höhen der Temperaturen hinterfragt. Nach Anpassungen bei den Luftmengen wurde die Temperatur in kleinen Schritten zurückgefahren und die resultierende Produktequalität genauestens verfolgt. Das Resultat: Wo früher Temperaturen von 110 Grad Celsius zum Aufheizen der Platten nötig waren, braucht es heute nur noch 60 Grad Celsius – und das bei gleichbleibender Produktequalität. Damit spart Forbo eine beträchtliche Menge an Heizöl ein. Aber nicht nur das. «Jetzt, wo wir nur noch 60 Grad Celsius brauchen, sind wir dabei zu prüfen, ob wir hier nicht ganz auf Thermoöl verzichten und die nun niedrigeren Temperaturen im bestehenden Ofen vielleicht sogar mit Heisswasser sicherstellen können», erklärt Guidotti. Und zwar über den Warmwasserkreis, der bei Forbo neben dem Thermoölkreis, der auf 200 Grad Celsius erhitzt wird, zusätzlich in der Fabrik zirkuliert. Dieser Warmwasserkreis wird aus dem Fernwärmenetz «Teris» gespiesen. 

Energie aus der Region

Einen Kilometer von der Betriebsstätte in Giubiasco entfernt, befindet sich die einzige Verbrennungsanlage für Siedlungsabfälle des Kantons Tessin. «Wir beteiligten uns als eines der ersten Unternehmen daran, um die lokale Fernwärmeenergie voranzutreiben und heizen heute das gesamte Gebäude mit Fernwärme und der Abwärme aus der Produktion», erzählt Guidotti. «Damit können wir jährlich ungefähr 120 000 Liter Heizöl einsparen.» Indem Projekte wie jenes mit dem Entspannungsofen geprüft werden, soll der Fernwärmeanteil in Zukunft grösser werden und Forbo in eine dekarbonisierte Zukunft führen. Was das Tessiner Unternehmen bisher erreicht hat, ist beeindruckend. Seit 2012 konnte der CO2-Ausstoss mit der Umsetzung von Effizienzmassnahmen, Prozessoptimierungen und dem Anschluss an das Fernwärmenetz halbiert werden. Angefangen bei 1425 Tonnen pro Jahr, stiess das Unternehmen 2020 jährlich noch 684 Tonnen CO2 aus – eine bemerkenswerte Leistung. Trotzdem: «Ganz ohne Öl geht es einfach noch nicht», erklärt EnAW-Berater Walter Bisang.

Positive Aussichten

«Wir sprechen hier über eine Industrie, die für die Produktion hohe Temperaturen braucht», so Bisang. Diese können nicht mit Heizenergie aus dem Fernwärmesystem sichergestellt werden, da besagtes Fernwärmesystem eine maximale Temperatur von 90 Grad Celsius generiert. Diese Temperaturen reichen für Gebäudeheizungen und andere Tieftemperaturanwendungen, nicht aber für Prozesse mit höheren Temperaturen. Deshalb benutzt man bei Forbo ein System mit Thermoöl. Thermoölanlagen bieten verschiedenste Vorteile wie beispielsweise einen hohen Grad an Präzision in der Regelung. Fakt bleibt aber: Es handelt sich dabei um keine nachhaltige Energiequelle. Deswegen sorge auch das ambitiöse Netto-Null-Ziel der Schweiz bereits für viel Gesprächsstoff. «Natürlich machen wir uns Gedanken darüber und prüfen unsere Möglichkeiten fortlaufend», so auch Guidotti. In Diskussion ist beispielsweise auch ein möglicher Einsatz von Pellets zum Abdecken des Hochtemperaturbedarfs – entschieden ist aber noch nichts. Unter schlaflosen Nächten leide der Chemiker dennoch nicht. «Was wichtig ist, ist die mentale Einstellung», ist er sich sicher. «Zwar kennen wir die schlussendliche Lösung heute noch nicht, aber wir sind uns sicher, dass wir die Herausforderung annehmen werden, und schauen einer treibhausgasfreien Zukunft optimistisch entgegen.» 

Der Entspannungsofen

Der Entspannungsofen ist in verschiedene Segmente unterteilt und ca. 25 Meter lang. In der ersten Hälfte wird geheizt, in der zweiten gekühlt. Beim Durchlaufen dieser Temperaturunterschiede stabilisiert (entspannt) sich das Produkt (Bodenplatten) während der Durchlaufzeit von einigen Minuten.

Weitere Informationen

Die EnAW gratuliert den SBB zum Watt d’Or in der Kategorie Energietechnologien. Eine selbst entwickelte Lastmanagement-Software ermöglicht, dass die SBB bis 2023 mindestens 70 Megawatt, das entspricht dem Leistungsbedarf von rund 150 000 Haushalten, flexibel steuern und so das Zusammenspiel mit der Stromproduktion optimieren können. Mit dem Watt d’Or würdigt das Bundesamt für Energie das Engagement der Wirtschaft im Energiebereich.

Weitere Informationen

Die natürli zürioberland ag strebt eine langfristig CO2-neutrale Produktion an. Gemeinsam mit der EnAW erarbeitet die Käseproduzentin und -vertreiberin deshalb eine Roadmap zur Dekarbonisierung.

Nicht nur der Käse braucht seine Zeit, bis er reif ist: Für die Dekarbonisierung auf Netto-Null braucht es eine gute Begleitung und eine langfristige Herangehensweise.

Im Käsekeller lagert und pflegt die natürli zürioberland ag verschiedene Käsespezialitäten aus der Region.

Ein hoher Wärmebedarf besteht beim Pasteurisieren, Thermisieren und Reinigen.

Intensiver Austausch: Bei der Bestandesaufnahme arbeiten der EnAW-Berater, der Roadmap-Experte und die natürli eng zusammen.

Die Produktequalität hat stets oberste Priorität.

Die Weichen richtig stellen: Für eine vollständige Dekarbonisierung müssen auch Prozess- und Technologieveränderungen in Betracht gezogen werden.

Die alte, umfunktionierte Militärhalle direkt neben dem Bahnhof Saland im Zürcher Tösstal wirkt von aussen unscheinbar. Doch was sich drinnen verbirgt, lässt «Käseherzen» höherschlagen: Rund 200 Tonnen Käse reifen im Tonsteingewölbekeller der natürli zürioberland ag, die hauptsächlich als Vertriebsnetz ausgewählter Käsespezialitäten und Milchprodukte agiert. Damit sichert natürli seit 26 Jahren die Existenz der Kleinkäsereien im Zürcher Oberland und pflegt die vielseitige regionale Käsekultur. Seit 2014 produziert natürli am Hauptsitz in Saland auch selbst Milchprodukte. 2018 kam die Produktion von Hüttenkäse dazu. Damit einhergegangen ist ein erhöhter Energiebedarf, denn die Produktion. von Hüttenkäse und Milchprodukten ist energieintensiv.

Fernziel Netto-Null

«Insbesondere beim Pasteurisieren, Thermisieren und Reinigen haben wir einen hohen Wärmebedarf, unter anderem, um die Hygienevorschriften in der Produktionskette einzuhalten», weiss Michael Ates. Er ist seit diesem Jahr als Leiter Facility-Management tätig und für das Gebäude und sämtliche technischen Anlagen zuständig. Bei der Herstellung diverser Milchprodukte wird die Milch kurzzeitig erwärmt, keimfrei und damit haltbar gemacht – also pasteurisiert. «Dafür brauchen wir Temperaturen von 73 bis 105 Grad Celsius», konkretisiert Ates. In der Hüttenkäseproduktion werden ungefähr 60 Grad Celsius benötigt, um den Magermilchbruch zu temperieren, damit er dick wird. Zudem müssen die Maschinen nach jedem Gebrauch sterilisiert und das Gebäude beheizt werden. Für das Sterilisieren wird Dampf benötigt. Auch das Wärmenetz ist derzeit auf Dampf ausgelegt. Erzeugt wird die Prozesswärme heute deshalb über einen mit Heizöl betriebenen Dampfkessel.

Auch wenn die meisten Temperaturen mit rund 70 Grad Celsius nicht sonderlich hoch seien, «haben wir einen monatlichen Heizölverbrauch von rund 4000 Litern», weiss Ates. Diese Zahl ist der natürli zürioberland ag ein Dorn im Auge: «Als Lebensmittelunternehmen mit regionaler Verankerung gehört Nachhaltigkeit zu unserer Firmen-DNA», sagt er. «Es ist für uns selbstverständlich, dass wir auch energetisch nachhaltig sein wollen.» Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat sich natürli das Ziel einer langfristig CO2-neutralen Produktion gesetzt.

Roadmap zur Dekarbonisierung

«Damit wir den Weg zu Netto-Null klug angehen können, sind wir angewiesen auf Expertise und eine sorgsame Planung», sagt Ates. Der Leiter Technik, Gino Barille, stimmt seinem Arbeitskollegen zu: «Eine gute Begleitung ist für uns zentral. Mit der EnAW haben wir einen verlässlichen Partner, um einen machbaren und bezahlbaren Plan zu erarbeiten», so Barille. Am Beginn der Zusammenarbeit mit der EnAW stand die Frage nach einem Wärmeverbund mit der Holzheizzentrale beim benachbarten Holzbauunternehmen, erinnert sich der EnAW-Berater Stefan Eggimann. «Das ist eigentlich eine sinnvolle Massnahme», sagt er. Allerdings stellte man bei natürli rasch fest, dass die technischen Voraussetzungen für eine Integration der Prozesswärme noch nicht gegeben sind. Mit einem Fernwärmeanschluss hätte natürli somit lediglich die Büroarbeitsplätze erneuerbar beheizen können, nicht aber die Produktionsprozesse.

Das Ziel einer CO2-neutralen Produktion muss in Saland also anders angegangen werden. Dafür erarbeitet die Firma im Rahmen eines Pilotprojekts gemeinsam mit ihrem EnAW-Berater Stefan Eggimann und dem Roadmap-Experten Roman Bader eine Roadmap zur Dekarbonisierung.

Nachhaltigkeit gehört zu unserer Firmen-DNA.

Michael Ates, Leiter Facility-Management

Umsetzbare Gesamtlösung bis 2050

Eine Roadmap ist eine langfristige Planung, die dem Unternehmen Wege zu Netto-Null bis 2050 unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeiten aufzeigen soll. «Als Berater müssen wir die Bedürfnisse des Unternehmens verstehen und auf sie eingehen können», sind sich Eggimann und Bader einig. Potenziale und Risiken müssen richtig eingeschätzt werden. «Die Herausforderung liegt darin, alle relevanten technischen, wirtschaftlichen und weiteren Aspekte zu erfassen und zu einer Gesamtlösung zu entwickeln, die das Unter nehmen umsetzen kann», so Bader. Der Prozess zur Erstellung einer Roadmap folgt dabei einem typischen Ablauf (vgl. Grafik unter «Weitere Informationen»). Dabei sei das Bekenntnis zum Fernziel Netto-Null der erste wichtige Schritt, so Eggimann: «Es muss die Bereitschaft da sein, den Weg der Dekarbonisierung konsequent zu verfolgen.» Denn eine Roadmap zur Dekarbonisierung führt weiter als eine Zielvereinbarung, sowohl was den Zeithorizont an geht als auch was die Absenkung der Treibhausgasemissionen betrifft.

Aller Anfang ist eine Bestandesaufnahme

In einem ersten Schritt wird bei der Roadmap eine Bestandesaufnahme gemacht. Was sich nach einer simplen Momentaufnahme anhört, ist in Tat und Wahrheit eine umfangreiche Abklärung. «Wir müssen ganz genau verstehen, wie die Produktionsprozesse zusammenhängen», so Eggimann. Eine einzelne Begehung reiche dabei nicht aus, vielmehr bedinge es einen intensiven Austausch. Der EnAW-Berater und der Roadmap-Experte stehen deshalb in engem Kontakt mit natürli. «Wir mussten sogar ehemalige Mitarbeitende einbeziehen», sagt Bader. Und obwohl der Prozess noch in Gang ist, kann bereits eine erste Zwischenbilanz gezogen werden: «Da die Prozesswärme bislang über den Dampfkessel produziert wird, müssen wir gemeinsam mit natürli nach Lösungen suchen, wie diese künftig ohne den bestehenden fossilen Dampferzeuger bereitgestellt werden kann», sagt Eggimann. «Dabei stellte sich rasch heraus, dass ein hohes Abwärmepotenzial vorhanden ist, das mit Wärmepumpen nutzbar gemacht werden könnte», ergänzt Bader. Das sei in Betrieben wie Molkereien typisch, da einerseits Prozesswärme für die Produktion gebraucht wird und andererseits die Produkte gekühlt werden müssen. Letzteres geschieht bei natürli im Tonsteingewölbekeller, der nach dem Raum-im-Raum-Prinzip funktioniert und von Ates auch liebevoll «Käsetresor» genannt wird. «Lagert der Käse im Keller, braucht er vor allem Zeit und Liebe», schmunzelt Ates.

Geschickt kombinieren

Was ebenfalls Zeit braucht, ist die Dekarbonisierung auf Netto-Null. Für die Erstellung einer Roadmap zur Dekarbonisierung hat die EnAW eigens eine Methodik und darauf zugeschnittene Arbeitsmittel entwickelt. Denn eine Dekarbonisierung auf Netto-Null erfordert eine langfristige Herangehensweise: «Wir müssen uns überlegen, wie wir in 10, 20 und 30 Jahren in einer zunehmend fossilfreien Welt unsere Prozesse effizient und kostengünstig mit Energie versorgen werden», so Bader. Um Wege zu Netto-Null aufzuzeigen, werden alle der möglichen Massnahmenbereiche zur Dekarbonisierung in Betracht gezogen (vgl. Grafik unter «Weitere Informationen»). Dabei wird auch nach möglichen Prozess- und Technologieveränderungen Ausschau gehalten. Selbst die einzelnen Produkte werden unter die Lupe genommen. «Produktionsanlagen haben oft Lebenszyklen von 20 Jahren und mehr», erklärt Bader. «Um bis Mitte dieses Jahrhunderts vollständig zu dekarbonisieren, müssen bei Ersatzbeschaffungen bereits heute die Weichen richtig gestellt werden.»

Aber auch einfachere, kurz- bis mittelfristig umsetzbare Effizienzmassnahmen wie die Isolierung von Zuleitungen oder die Optimierung des Wärmeverteilnetzes werden berücksichtigt. Das zeigt: Eine Roadmap besteht aus einer Kombination von aufeinander abgestimmten Massnahmen, welche in der Summe kosteneffizient zu Netto-Null führen.

Technisch und wirtschaftlich machbar

Gerade bei längerfristigen Massnahmen spielt die technische und wirtschaftliche Machbarkeit eine grosse Rolle – so auch bei natürli. Denn auch wenn für die Käseproduzentin und -vertreiberin klar ist, dass am Netto-Null-Ziel kein Weg vorbeiführt, ist die Firma auf Planungssicherheit angewiesen: «Wir müssen unsere Produktequalität garantieren und die finanziellen Investitionen planen können», hält Ates fest. Deshalb ist es wichtig, die technische Komplexität und die Risiken einer Massnahme realistisch einzuschätzen. Bei Veränderungen an den Prozessen hat die Wahrung der Prozess- und Produktequalität sowie die Störungsfreiheit im Betrieb stets oberste Priorität. Bei neuen Energietechnologien muss gewährleistet werden, dass deren Potenzial auch langfristig Bestand hat. Zudem müssen die erforderlichen Temperaturen im Sommer wie im Winter erzeugt werden können. «Der technologische Fortschritt hat somit einen wichtigen Einfluss auf die Roadmap. Wir beobachten und evaluieren die Trends laufend», versichert Eggimann. Auch die wirtschaftliche Machbarkeitsanalyse gehört zum Roadmap-Prozess dazu. «Anhand von Schätzungen zu Kosten und Wirkung können wir die üblichen Wirtschaftlichkeitsparameter berechnen. Daneben können die Massnahmen auch anhand ihrer Treibhausgas-Vermeidungskosten beurteilt werden», sagt Bader. Für natürli ist das ein zentrales Anliegen: «Wir sind froh, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt und wir sichere Investitionen tätigen », so Ates.

Die Bereitschaft muss da sein, den Weg der Dekarbonisierung konsequent zu verfolgen.

Stefan Eggimann, EnAW-Berater

Varianten entwickeln, vergleichen und letztlich umsetzen

So viel ist klar: Bei der Erarbeitung einer Roadmap gibt es oft verschiedene Wege, die zum Ziel führen können. «Es ist daher sinnvoll, mehrere Varianten zu erstellen und diese einander gegenüberzustellen», so Bader. Konkret werden Kosten, Wirkung, Wirtschaftlichkeit sowie Risiken und Chancen und nicht energetische Effekte durch Massnahmen – sogenannte «Multiple Benefits» – verglichen und dadurch die bestmögliche Lösung für jedes Unternehmen individuell eruiert. «Wir entwickeln momentan eine Web-Applikation, mit der wir während der Bestandesaufnahme die relevanten Daten erfassen, visualisieren und Massnahmenlisten erstellen können. Das Tool ist auch eine Berechnungshilfe zur Massnahmenbeurteilung: Es hilft bei der Erstellung und Visualisierung von Roadmap-Pfaden», sagt Bader. Das erlaube, Varianten mit unterschiedlichen Ambitionslevels aufzuzeigen und zu vergleichen.

Sobald der Entscheid für eine Umsetzungsvariante gefallen ist, steht der Umsetzung der Roadmap nichts mehr im Weg. Und auch dabei bleiben die EnAW-Berater gerne involviert: «Bei der Umsetzung stehen wir beratend zur Seite», sagt Eggimann. Er lässt durchblicken, dass weitere EnAW-Dienstleistungen geplant sind, die die Umsetzungsphase optimal ergänzen werden. Bis es bei natürli so weit ist, stehen noch einige Arbeitsschritte an – Fortsetzung garantiert.

Herr Heller, Natürli setzt auf Genuss mit Herkunft. Was heisst das?

Wir wollen das Original, das Herkömmliche bewahren und den kleinen Käsereien und deren Handwerk Perspektiven bieten. Dabei setzen wir stark auf Regionalität und streben möglichst kurze Wege an: Wir kennen unsere Milchlieferanten. Wir wissen, wo unsere Produkte herkommen. Unser Credo ist, alles so natürlich zu belassen wie es nur geht. Gleichzeitig fördern wir Innovation.

Inwiefern?

Indem wir mit traditionellen Verfahren und Rezepturen neue Produkte auf den Markt bringen. Ein Beispiel ist der Cheebab, der erste vegetarische Kebab auf Käsebasis. Unsere Käsehäuser in Lebensmittelläden, die sogenannten Humidore, sind ein weiteres Beispiel. So können wir den Käsekeller, der eine Hygienezone sein muss, für unsere Kunden öffnen. Näher an der Kundschaft reift kein Käse. Selbst in der Stadt schaffen wir so ein möglichst authentisches Käseerlebnis. Die Resonanz ist grossartig.

Sie haben sich zum Fernziel Netto-Null bekannt. Woher kommt diese Motivation?

Es passt zur Unternehmensphilosophie, die wir seit der Gründung durch Fredy Bieri vor über 26 Jahren leben. Wir setzen auf eine nachhaltige Tierhaltung, einen nachhaltigen Umgang mit unseren Partnern und mit der Umwelt. Diese Überzeugung ist bei allen Mitarbeitenden spürbar.

Was brauchen Sie, um das Ziel zu einer CO₂-neutralen Produktion zu erreichen?

Am liebsten würden wir das Ziel ja kurzfristig erreichen! Aber bei uns spielt die wirtschaftliche Machbarkeit eine zentrale Rolle. Zudem müssen wir die Qualität unserer Produkte sicherstellen. Die Umsetzung der Dekarbonisierung ist für uns deshalb eine Frage der Priorisierung. Und hier verlassen wir uns voll und ganz auf die Expertise von Stefan Eggimann und Roman Bader, damit wir gemeinsam eine machbare Roadmap zur Dekarbonisierung planen und umsetzen können.

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