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Planen, entscheiden, umsetzen

Die Entstehung eines Werkzeugklassikers als Grundstein für ökologisches Unternehmertum: Ein Gespräch mit der PB Swiss Tools CEO und Vizepräsidentin Swissmem Eva Jaisli und dem Project Manager Development Manufacturing Martin Leuenberger über Qualität, Verantwortung und Dekarbonisierung.

Eva Jaisli, CEO von PB Swiss Tools und Vizepräsidentin von Swissmem, setzt sich auch auf nationaler Ebene für eine verantwortungsvolle Wirtschaft ein.

Martin Leuenberger ist seit 1998 bei PB Swiss Tools und verantwortet die Bereiche Umwelt und Arbeitssicherheit.

Für den Betrieb der Wärmepumpe wird Abwärme von Maschinen im Werk genutzt.

In der Herstellung der Werkzeuggriffe wird Acetobutyrat verwendet, welches direkt vor Ort recycelt und im Produktionsprozess wiederverwertet wird.

Die PB Swiss Tools produziert seit 1878 im Emmental Schweizer Qualitätswerkzeuge und medizinische Instrumente für die ganze Welt. Frau Jaisli, Sie führen das Unternehmen seit 25 Jahren, was macht diesen langjährigen Erfolg aus?

Eva Jaisli: Es ist ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, bei dem wir uns immer fragen: Was erwarten unsere Kunden morgen von uns? Welche Voraussetzungen müssen wir schaffen, um ihre Erwartungen zu erfüllen und sie zu begeistern? Wesentlich sind unsere Innovationskraft, die unverwechselbare Qualität und die wettbewerbsfähigen Preise. Diese Faktoren entscheiden darüber, ob wir eine Lead-Position im globalen Markt behalten und unser Versprechen «work with the best» einhalten können.

Martin Leuenberger: Erwähnenswert ist sicher auch die lebenslange Garantie auf unseren Werkzeugen. Wären wir selbst nicht davon überzeugt, dann würden wir sie nicht gewähren. Man hat Vertrauen in unser Werkzeug – es ist ein ständiger Begleiter für Profis in Industrie und Handwerk genauso wie für anspruchsvolle Heimwerkerinnen und Heimwerker.

Nachhaltigkeit hat einen hohen Stellenwert in Ihrem Unternehmen. Wie ist dieser Fokus entstanden?

Eva Jaisli: Die Inhaberfamilien haben über Generationen den Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt und entsprechend investiert. Mit dem Verständnis von sozialer, ökonomischer und ökologischer Verantwortung gestalten wir bis heute die Unternehmensentwicklung. Beispielhaft dafür ist unser komplett rezyklierbarer Griff aus Cellulose Acetate Butyrate (CAB) – ein abgewandelter Naturstoff, gefertigt auf der Basis von Cellulose. Entstanden ist der Griff aus der Not des Zweiten Weltkriegs, als Werkzeug aus dem Ausland nicht mehr zu beziehen war. Die Schweizer Armee bat PB Swiss Tools, den Bedarf abzudecken. Mein Schwiegervater nahm die Herausforderung an und investierte einen halben Jahresumsatz für den Kauf einer Spritzgiessanlage aus Amerika, eine in Europa damals unbekannte Technologie.

Wir berücksichtigen den Umweltaspekt bereits bei der Beschaffung einer neuen Maschine.

Martin Leuenberger, Project Manager Development Manufacturing

Das klingt nach einer mutigen Investition…

Martin Leuenberger: Ja, das war enorm risikoorientiert und innovativ. Er war ein Pionier mit dem Anspruch, einen qualitativ hochwertigen Griff herzustellen, der mit Rücksicht auf die Natur seriengefertigt werden konnte. Dieser hat im Markt sehr überzeugt – und ist bis heute weltweit beliebt.

Die PB Swiss Tools hat früh auf Wärmepumpen gesetzt. Standen hier ähnliche Überlegungen im Zentrum?

Eva Jaisli: Die Vision kam ebenfalls von meinem Schwiegervater, der gesagt hat: «Ich will keinen Kamin auf dem neuen Produktionswerk, es muss eine andere Lösung geben.» So waren wir 1979 eine der ersten Firmen in der Schweiz, die eine Wärmepumpenanlage in dieser Grössenordnung integrierte.

Martin Leuenberger: Und das trotz der wahnsinnigen Kosten damals – ein Ölbrenner hätte nur einen Bruchteil davon gekostet. Das war damals eine Pionierleistung, von der wir heute noch zehren.

Sie haben seither noch weitere Wärmepumpen integriert. Welche Vorteile bringen diese?

Martin Leuenberger: Die Wärmepumpen können wir mit der Abwärme aus dem Kühlwasser unserer Maschinen betreiben. Eines unserer beiden Werke wird ausschliesslich mit Grundwasser-Wärmepumpen geheizt.

Sind die Umwelt- und Energiethemen bei PB Swiss Tools in der Strategie verankert?

Eva Jaisli: Ja, die nachhaltige Entwicklung ist eine Stossrichtung in unserer Vierjahresstrategie. Diese ist ausgerichtet auf die Vision einer sich nachhaltig entwickelnden Gesellschaft. Auf Basis der Strategie entwickeln wir einen Aktionsplan, dort sind die Meilensteine für zwei Jahre definiert. Da geht es unter anderem um das Einsparen der umweltrelevanten Faktoren Wasser, Strom und Chemikalien sowie um die Reduktion von Treibhausgasemissionen.

Wie arbeiten Sie beide zusammen?

Martin Leuenberger: Die Zusammenarbeit ist unkompliziert. Wir haben sehr kurze Entscheidungswege. Wenn Fragen und Entscheide anstehen, schauen wir das gemeinsam an, analysieren mit allen Beteiligten und entscheiden zeitnah.

Zur Qualität gehört die nachhaltige Entwicklung.

Eva Jaisli, CEO PB Swiss Tools und Vizepräsidentin Swissmem

Die Schweiz strebt das Netto-Null-Ziel an. Gehen Sie mit PB Swiss Tools auch in diese Richtung?

Eva Jaisli: Ganz klar. Die CO2-Reduktion ist eine der Voraussetzungen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. Im Thema steckt ein gesellschaftspolitisches und ein unternehmerisches Interesse. Wir reduzieren mit unseren Massnahmen nicht nur Emissionen, sondern auch Kosten. Das Ziel entspricht also unserer Logik und ist damit auch Teil unserer Strategie.

Neben den Wärmepumpen haben Sie weitere umweltschonende Massnahmen gesetzt.

Martin Leuenberger: Genau. Ein weiterer Meilenstein war die Chargenentgiftung vor zehn Jahren. Dank der Einführung der Kreislaufentgiftung für unsere Galvanik sparen wir heute sehr viel Wasser. Grundsätzlich berücksichtigen wir den Umweltaspekt bereits bei der Beschaffung einer neuen Maschine. Wir prüfen, wie wir die Nebenenergie nutzen können, etwa um zu heizen. Unsere Technologie und Produktion erneuern wir kontinuierlich und erhöhen so den Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz. Es lohnt sich definitiv, bestehende Prozesse zu hinterfragen und stetig zu verbessern.

Eva Jaisli: Wir sind bestrebt, umweltrelevante Verantwortung für uns und die kommenden Generationen wahrzunehmen. Das verlangt nach Systematik im Denken, Entscheiden und Umsetzen. Es hat aber auch mit der Einstellung zu tun, dem Spirit im Unternehmen. Wenn mehrere mitdenken, kommt es in der Regel zu besseren Resultaten. Die Massnahmen verlangen aber auch die Bereitschaft, laufend zu investieren.

Wie wird das konkret umgesetzt?

Martin Leuenberger: Einen hohen Stellenwert hat beispielsweise das Warten unserer Anlagen. Ein Verschleiss ist immer auch ein Verlust, der zu Ausfällen führen kann. Deshalb ist bei der Produktentwicklung die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von der Entstehung bis zur Entsorgung sehr wichtig.

Eva Jaisli: Deshalb interessieren uns auch die Lieferanten und die Art und Weise, wie sie Sorge zur Umwelt tragen. Es geht darum, sämtliche Aspekte immer wieder unter die Lupe zu nehmen und danach zu fragen: Wo ist der technologische Entwicklungsstand? Wo können wir mit neuen Lösungen unsere Produkte oder Fertigungsprozesse weiter optimieren?

Welche Rahmenbedingungen brauchen KMU, um den Weg zur Dekarbonisierung einzuschlagen?

Eva Jaisli: Wir brauchen unternehmerischen Spielraum und den müssen wir mit aller Verantwortung und Sorgfalt wahrnehmen. Das Umweltschutzgesetz, das 1985 in Kraft trat, wurde zu einem Treiber der Sorgfaltspflicht und hat sicher dazu beigetragen, die umweltschonenden Produktionsweisen voranzutreiben.

Sie beide haben die Unternehmenskultur als Faktor für nachhaltige Unternehmenstätigkeiten angesprochen. Können Sie das genauer erläutern?

Martin Leuenberger: Ein Thema ist Suffizienz. Wir überlegen uns: Ist der Flug zum Kunden zwingend nötig oder können wir das anders lösen? Wir prüfen immer, ob es alternative Wege gibt, um Ressourcen zu sparen. Die Bereitschaft zum Verzicht gehört auch dazu. Es ist eine Lebenseinstellung. Glücklicherweise gibt es bei uns sehr viele, die mitziehen und Sinn darin sehen.

Eva Jaisli: Sinnstiftende Arbeit ist ein ganz wichtiger Punkt. Nachhaltige Entwicklung ist ein Teil dessen, was das Leben wertvoll macht – sei das als Individuum, als Familie, als Firma oder als Gesellschaft. Verantwortungsvolles Wirtschaften ist für mich sinnstiftend. Diesen Fokus verfolgen wir bei PB Swiss Tools. Mit Innovation und Kontinuität entwickeln wir unsere Produkte, ohne dabei die Verantwortung gegenüber der Umwelt aus den Augen zu verlieren. Denn Bestandteil unserer Qualität ist die nachhaltige Entwicklung. Das ist unsere Unternehmensphilosophie. Dazu braucht es Fahnenträgerinnen und Fahnenträger, die das vorleben. Und das nicht nur innerhalb der Firma.

PB Swiss Tools, Wasen im Emmental (BE)

Die PB Swiss Tools AG ist ein Familienunternehmen, das heute in vierter Generation von Eva Jaisli (CEO), Max und Marco Baumann (CTO) geführt wird. Seit 1940 werden Werkzeuge produziert, seit 2013 Medizinprodukte. Heute stellen 180 Mitarbeitende in Wasen und Sumiswald jährlich zwölf Millionen Werkzeuge und medizinische Instrumente her. Mehr als zwei Drittel davon werden in 85 Länder exportiert.

Weitere Informationen

Über Geschmack lässt sich streiten, über Notwendigkeiten nicht: Eine heisse Tasse Kaffee ist wie eine Tankstelle für den Geist. Bloss – wer röstet, mahlt, brüht und dampft, braucht viel Hitze und benötigt Energie. Die UCC Coffee Switzerland macht sich die im Röstprozess entstehende Abwärme clever zunutze. Das Resultat überzeugt.

Sechs bis sieben Millionen Beutel Kaffee werden von zwölf Mitarbeitenden pro Jahr im bernischen Zollikofen geröstet, vermahlt, verpackt und an den Detailhandel, die Gastronomie, Heime sowie Spitäler geliefert.

Für viele ist sie ein unverzichtbarer Bestandteil des allmorgendlichen Rituals – erst nach einer guten Tasse Kaffee kommen die Gedanken in Schwung und der Tag geht wirklich los. Für die Mitarbeitenden der Rösterei UCC Coffee ist Kaffee mehr als das. Ihr Credo: Jede Tasse Kaffee zählt.

Aus aller Welt nach Zollikofen

Ihren Anfang nahm die Rösterei im bernischen Zollikofen als Schweizerische Kaffeerösterei AG bereits im Jahre 1918. Nicht wenigen dürfte die langjährige Traditionsmarke noch bekannt sein: Merkur Kaffee. Das bestätigt auch Andreas Schwab, Produktionsleiter von UCC Coffee Switzerland: «Merkur Kaffee – das war früher ein Name!» 2012 folgte die Eingliederung der Schweizer Rösterei in das japanische Familienunternehmen Ueshima Coffee Company – kurz UCC. Japan und Kaffee? Ganz richtig. Tadao Ueshima – der Urvater des Kaffees in Japan – gründete UCC bereits 1933 und verhalf dem ostasiatischen Inselstaat damit zu einer Spitzenreiterposition im Kaffeegeschäft. Den Rohstoff erhält UCC Switzerland im bernischen Zollikofen wiederum aus Lateinamerika, Afrika und Asien. Die Früchte des Kaffeebaumes, der Grünkaffee, also die rohen Kaffeebohnen, zählen zu den wichtigsten Agrargütern im globalen Nord-Süd-Handel.

Gegenwärtig zählt UCC in der Schweiz rund 100 Mitarbeitende und bedient eine namhafte Kundschaft aus Gastronomie und Detailhandel. Teil der UCC-Produktpalette ist neben Kaffee auch konsumfreundliches Zubehör wie Zucker, Kaffeerahm und Tassen. «Wir bieten alles, was der Wirt möchte», so Schwab.

Vom Rohstoff zur Bohne

Einiges an Veränderung hat Schwab in seiner 32-jährigen Geschichte bei UCC miterlebt. «Als ich hier angefangen habe, gab es einen Computer und vermutlich gut das Doppelte an Personal.» Heute geschieht bei UCC vieles über Automatisierung, besonders die Verpackungsprozesse und Abläufe in der Logistik. Der Kernprozess aber, die Röstung, hat sich seit 100 Jahren kaum verändert. «Es wird geröstet, geröstet», schmunzelt Schwab. Wo allerdings früher Röstschalen verwendet wurden, stehen heute zwei Trommelröster. Sie verwandeln Grünkaffee sanfter und schonender in zehn bis 15 Minuten zu aromatischen Bohnen. Geschmacklich sei das ein bedeutender Unterschied zum früheren, schnelleren Prozess mit den Röstschalen. Denn obwohl aussen dunkelbraun, war der Kaffee damals bei der sechsminütigen Röstung innen noch grün.

Tauschen, speichern, wärmen

Für den guten Geschmack braucht es viel Hitze. Wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Luftreinhaltungsmassnahmen entstehen heisse Rauchgase, die über das Dach abgeleitet werden – viel Wärme, die bisher ungenutzt verpuffte. Hier kommt die W.rmerückgewinnung zum Zuge und Josef Jenni ins Spiel: Der Unternehmer und langjährige Energiespezialist kennt in Sachen Energienutzung jeden Trick und Kniff. Bei UCC installiert er einen Wärmetauscher und verknüpft zwei massive Chromstahlwärmespeicher mit einem der beiden Trommelröster, um die Energiekreisläufe beim Röstprozess zu schliessen. Die Heissgase werden nun durch Rohre nach oben in einen der Wärmetauscher abgeleitet und erhitzen das darin enthaltene Wasser. Die gewonnene Energie wird anschliessend in den zwei im Keller stehenden Wärmespeichern mit einem Fassungsvermögen von 2830 Litern zwischengelagert und nach Bedarf für Heizung und Warmwasser verwendet.

Gesucht: Nachahmer

Das zeigt Wirkung: Die Abgaswärmerückgewinnung trägt zusammen mit weiteren Massnahmen massgeblich zur Energieeffizienz der Rösterei bei – bis heute hat UCC die Energiekosten um 40 000 Franken gesenkt und den CO2-Ausstoss um 500 Tonnen reduziert. Damit hat UCC die gesetzten Ziele, wie die CO2-Reduktion um 240 Tonnen CO2 bis 2021, bereits übertroffen. Und dies, obwohl die Anlage erst seit Anfang Jahr im Einsatz ist. Das soll Schule machen. Denn wo geröstet wird, entsteht Abwärme – egal ob in Zollikofen oder anderswo auf der Welt. Auch EnAW-Berater Thomas Pesenti ist zufrieden: «Es ist toll, dass nun die erste der vielen Kaffeeröstereien in der Schweiz die bisher ungenutzte Abwärme im Umfang von 30 bis 50 Prozent des Gesamtverbrauchs des Brennstoffs nutzen kann. Hoffentlich findet die Methode Nachahmer.»

Weiterverwenden, einsparen, weglassen

Das Engagement von UCC erschöpft sich nicht mit dem Einbau der Wärmespeicher. Auch beim Material wird gespart: PET-Flaschen werden rezykliert, Folien werden dünner und auf Aluminium und Plastik wird, wo möglich, gänzlich verzichtet. Weniger ist eben manchmal wirklich mehr. Auch der Röstprozess bietet zusätzliche Energiequellen: Beim Rösten des Grünkaffees entsteht ein Abfallprodukt, ein kleines Kaffeehäutchen. Dieses löst sich beim Rösten und muss wegen Brandgefahr abgesogen werden. Anstatt das vormalige Abfallprodukt gebührenpflichtig entsorgen zu lassen, wird es nun pelletiert und an eine Biogasanlage zur neuen Energiegewinnung geliefert. So ist auch hier der Kreislauf geschlossen und «wir tun etwas Gutes für die Umwelt», folgert Schwab.

WEITERE INFORMATIONEN

Das Netzwerk des Lebens floriert und gedeiht seit rund vier Milliarden Jahren und setzt dabei auf einige einfache Grundsätze. Dazu gehört der ständige Materialkreislauf: Was für einen Organismus Abfall ist, dient als Ressource für andere Lebewesen. Wenn sich unsere Industriestruktur daran orientiert, kann sie eigentlich nur noch florieren und gedeihen – oder?

Fünf Schritte sind bei der Umsetzung einer CO2-freien Produktion Erfolg versprechend:

Schritt 2: Übergreifende Nutzungen und Netze

Durch die Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung über einzelne Produktionsstandorte hinaus kann weiteres Potenzial zur Emissionsreduktion erschlossen werden. Durch Nah- und Fernwärmenetze können Wärme und Kälte zwischen verschiedenen Prozessen und Industrien genutzt werden. Die Herausforderungen bei der Umsetzung stellen sich bei der räumlichen Planung der übergreifenden Nutzungen und Netze bzw. der geografischen Distanz der potenziell angeschlossenen Unternehmen. Wärmenetze setzen ausserdem eine langfristige Planung voraus und bedingen hohe Investitionen, welche die Unternehmen der angeschlossenen Standorte teilweise finanziell nicht tragen können. Zudem schaffen übergreifende Nutzungen und Netze Abhängigkeiten zwischen den Betrieben, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen. So kann zum Beispiel ein Pfannenhersteller eine Gemeindeverwaltung, ein Altersheim, Teile der Schulanlagen und private Liegenschaften mit Wärme versorgen. Da nicht nur Partnerunternehmen vorhanden sein müssen, sondern häufig auch eine öffentliche Infrastruktur Voraussetzung ist, sind zudem Rechts- und Planungssicherheit sowie ein gutes Einvernehmen mit den Behörden unabdinglich.


Die ersten Zivilisationen erlebten dank der Erfindung der Landwirtschaft einen Aufschwung. Nun, da unsere Gesellschaft ihre Energiemodelle neu erfinden muss, wird die energetische Gegenseitigkeit, die sich zwischen zwei landwirtschaftlichen Gewerben auf dem Land bei Vernier (GE) eingestellt hat, zum Symbol. Dort produziert die Millo & Cie in grossen Gewächshäusern Schnittblumen für den regionalen Markt. «Früher haben wir unsere 12 000 Quadratmeter grossen Gewächshäuser mit Propan beheizt», erinnert sich Charles Millo, dem schon seit jeher eine andere, erneuerbare, lokale Energiequelle vorschwebte. Zusammen mit dem Landwirtschaftsbetrieb seines Nachbarn Marc Zeller hat er daher beschlossen, das fossile Gas durch Biogas zu ersetzen: In einer grossen Kompostieranlage werden dem Mist und anderen organischen Abfällen Bakterien zugegeben, die beim Abbauprozess Methan freisetzen, mit dem in einer Wärme-Kraft-Kopplungsanlage Wärme und Strom generiert werden. «Seit 2012 produzieren wir Biogas aus den vergärbaren Abfällen von Marcs Hof sowie von zwei weiteren Landwirtschaftsbetrieben und aus Nahrungsmittelresten aus der Gastronomie.» Die jährlich erzeugten 3,5 Gigawattstunden Strom werden zu einem grossen Teil in das Netz eingespeist, und zwar bei Bedarf, denn die Lagerung von Methan ermöglicht eine flexible Einspeisung. Mit Biogas werden 70 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs der Gewächshäuser mit einer Warmwasserheizung abgedeckt. Im Winter, wenn die Produktion der Schnittblumen auf Hochtouren läuft, wird als Zusatzheizung noch Propan eingesetzt.

«Dank Biogas können wir die Gewächshäuser beheizen, hausgemachten Strom nutzen und unser Einkommen diversifizieren, indem wir unseren Stromüberschuss verkaufen», freut sich Charles Millo. Der Verkauf der Gärreste als Dünger trägt in mehrerlei Hinsicht zum Klimaschutz bei: Er erfolgt lokal, die Produktion ist einfach, die Transportwege sind kurz bis inexistent.

Energie auf dem Land zum Zweiten

Ganz am anderen Ende der Schweiz, in Tägerwilen (TG), arbeiten der Frucht- und Gemüsesafthersteller Biotta AG und der benachbarte Gemüsebetrieb Rathgeb Bio ebenfalls Hand in Hand. Auch sie wollen sich von den fossilen Energieträgern lösen. «Die Sonne gewährleistet den grössten Energieanteil in unseren Gewächshäusern, aber es braucht noch mehr Energie, damit die Kulturen in einer warmen und trockenen Umgebung optimal gedeihen können», erklärt Thomas Meier, Leiter Finanzen bei Rathgeb. Als die Biotta AG ihr Heizsystem erneuern wollte, ist eine Diskussion über die Bedürfnisse der beiden Unternehmen entstanden – Dampf für Biotta und Warmwasser für Rathgeb. Nun nutzen beide Unternehmen gemeinsam eine Heizung, die mit Thurgauer Holzschnitzeln befeuert wird, mit einem Volumen von 5300 Kubikmetern pro Jahr. Das Warmwasser wird über die Fernwärmeleitung in die Speicheranlage von Rathgeb geleitet und der Dampf wird in die Produktionskette von Biotta eingespeist. Alle Produktionsprozesse und die Heizung der Biotta-Gebäude sind nun vollständig CO2-neutral. In den Gewächshäusern von Rathgeb beträgt dieser Grad momentan 75 Prozent, wobei der Gemüsebetrieb ebenfalls eine volle CO2-Neutralität anstrebt. Fortsetzung folgt also…

Noch mehr lokales Holz und Schokolade

Eine weitere Holzschnitzelfeuerung in Courtelary (BE) im Berner Jura hat überraschend gar drei Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Sektoren vernetzt: eine Schreinerei, einen Schokoladenhersteller und ein Zementwerk.

Die Chocolats Camille Bloch SA lässt hinsichtlich erneuerbarer Energien nichts anbrennen. Die Photovoltaikanlagen auf den Dächern decken 10 Prozent des Strombedarfs – der restliche Strom stammt aus zertifizierter Wasserkraft. Auch die Kälte wird hauptsächlich mit Wasserkraft erzeugt, und zwar über die Entnahme von Wasser aus dem nahegelegenen Fluss. Zudem nutzt die auf dem Dach installierte Free Cooling-Anlage die Umgebungstemperatur für die Kälteerzeugung. Die Wärme, die in den Räumlichkeiten und entlang der gesamten Produktionskette verwendet wird, kommt hauptsächlich aus dem Fernwärmenetz der Gemeinde, für das regionales Holz verfeuert wird. Die aus der Durchsetzungskraft eines Unternehmers aus Courtelary entstandene La Praye énergie SA hat nun einen Kunden gewonnen, der zu jeder Jahreszeit ein Grossverbraucher ist. «Unser Heizölverbrauch ist von 230 000 auf 57 000 Liter pro Jahr gesunken – der Ölheizkessel bleibt lediglich zur Sicherheit und zur Unterstützung erhalten», erklärt Jean-Philippe Simon, Leiter Infrastruktur bei Camille Bloch.

Von der Schokolade zum Zement

Aber das war noch nicht alles. Das Netz von Camille Bloch und La Praye énergie hat sich über die Asche auf die Vigier Ciments SA in Péry Reuchenette (BE) ausgedehnt. Olivier Barbery, Direktor des Zementwerks, erläutert: «Für die Zementherstellung wird Kalkstein zu Rohmehl vermahlen, das anschliessend mit 20 Prozent Mergel versetzt wird, bevor alles bei 1450 Grad Celsius im Ofen gebrannt wird. So entsteht der Zementklinker, der dann zu Zement vermahlen wird. Beim Brennen sowohl des Kalkgemischs als auch des Brennstoffs wird CO2 freigesetzt. Da bei der Produktion einer Tonne Klinker 0.72 Tonnen CO2 freigesetzt werden, reduziert sich der CO2-Fussabdruck, je weniger Klinker sich im Zement befindet.»

1995 hat Vigier eine erste Generation von Zementen auf den Markt gebracht, bei denen Klinker und hochwertiger Rohkalkstein vermischt werden: «In einer zufälligen Unterhaltung mit dem Betreiber der Heizungsanlage in Courtelary erklärte dieser, wie die Asche in einer Deponie entsorgt und befeuchtet werden musste, mit einer Tarifierung nach Gewicht. Doch es gibt eine bessere Option: Die Asche kann in das Gemisch für den Klinker integriert werden. Seither verwenden wir die Asche», so Olivier Barbery. Allerdings ärgert sich Barbery darüber, dass die «Normen immer noch zu viel reinen Klinker für Anwendungen vorschreiben, in denen Gemische voll und ganz genügen würden». Die Normen müssen sich also noch weiterentwickeln. Das zeigt, dass Klimaschutz eine kollektive Herausforderung ist.

Seit 1976 optimiert Vigier Ciments so ihre CO2 -Bilanz: Fossile Energieträger werden laufend durch Altholz, Schlamm, Tabakstaub, tierische Fette und Tiermehl oder auch alte Lösungsmittel und Altöl usw. ersetzt. Also durch alles, was andernorts als Abfall anfällt… «Unsere Wärme wird heutzutage zu fast 97 Prozent aus alternativen Brennstoffen gewonnen.» Zusammen mit weiteren umfassenden Massnahmen führen die genannten Massnahmen zu einer Senkung der CO2-Emissionen um 35 Prozent seit 1990 am Standort, mit einem Ziel von 40 Prozent bis 2021.

Salz produzieren und Shrimps wärmen

Ebenfalls mit Mineralien arbeiten die Schweizer Salinen, die jährlich bis zu 600 000 Tonnen Salz an drei Standorten fördern: Riburg (AG), Schweizerhalle (BL) und Bex (VD). An den Standorten im Aargau und in Baselland befindet sich das Salz in Tiefen von 200 bis 500 Meter. Durch das Zuführen von Frischwasser bildet sich im angebohrten Salzlager die Sole. Nach der Verdampfung des Wassers bleibt das Salz zurück. Die Hälfte dieser Salzproduktion wird als Auftausalz auf den Strassen verwendet, der Rest für die Industrie, für das Vieh sowie – natürlich – als Speisesalz.

Die Verdampfungsprozesse benötigen viel Wärme, die über den freigesetzten Dampf laufend zurückgewonnen wird. Dank einer Vorrichtung, die 1877 von Antoine-Paul Piccard, dem Urgrossonkel von Bertrand Piccard, in Bex eingeführt wurde und die sich seither bewährt hat, wird der Dampf zuerst komprimiert und anschliessend in den Heizkreislauf eines grossen Verdampfers eingespeist. Der Verdampfer in der Riburger Saline ist 30 Meter hoch. Trotz der ständigen Optimierung der Energieeffizienz erzeugt die Anlage immer noch grosse Wärmeüberschüsse, «wie ein Fluch», lächelt François Sandoz, der technische Leiter. Dieser Überschuss ist hingegen ein Segen für den «wärmehungrigen» Nachbarn SwissShrimp, den Schweizer Shrimpszüchter, der 2018 seinen Betrieb aufgenommen hat. Die Abwärme der Saline wird über das Fernwärmenetz zur Shrimpsfarm und zu den Becken geleitet, «für eine ökologische und nachhaltige Shrimpsproduktion», verkündet François Sandoz stolz.

Zur Not: Vernetzung mit sich selbst!

Was, wenn man Abwärme hat, aber keinen Nachbarn, der sie nutzen könnte? Ein Unternehmen mit mehreren Gebäuden kann natürlich auch sein eigener Nachbar sein. Genau das hat die B. Braun Medical SA in Crissier (VD) gemacht.

Das deutsche Unternehmen, das vor 180 Jahren gegründet wurde und noch immer im Familienbesitz ist, beschäftigt momentan 63 000 Menschen weltweit, davon 365 in Crissier. Der Waadtländer Standort stellt Volumenersatzlösungen und flexible Weichbeutelsysteme für die parenterale Ernährung und die Infusionstherapie, aber auch Beutel für Lösungen zur urologischen Anwendung her.

Da B. Braun einen ziemlich hohen Wasser- und Energiebedarf aufweist, hat das Unternehmen 2018 beschlossen, die Abwärme etwa vom Spülwasser sowie die Kälte aus seinen Prozessen zurückzugewinnen. «Es musste ein komplexer Luftkreislauf geschaffen werden, um den Untergrund, der bereits mit Leitungen und Verkabelungen zwischen den Gebäuden durchlöchert war, zu umgehen. Aber das hat sich gelohnt!», erklärt Michel Monti Cavalli, Leiter Engineering und Technik. «Das Herzstück der Anlage bildet eine riesige Wärmepumpe der neusten Generation. Sie gewährleistet eine Temperatur von 75 Grad Celsius in unserem Heizkreislauf, indem sie die zurückgewonnene Abwärme mit einer Temperatur von 20 bis 35 Grad Celsius entsprechend umwandelt.» Diese Lösung deckt jetzt bis zu 97 Prozent des Heizbedarfs der Räumlichkeiten ab, ist fast klimaneutral und birgt dank der innovativen Kühlflüssigkeit der Wärmepumpe kein Risiko für die Ozonschicht.

Die B. Braun Medical SA in Crissier hat so ihre Nutzung von fossilen Energieträgern sehr stark gesenkt und damit auch ihre CO2-Emissionen. Die daraus resultierende Rückerstattung der Lenkungsabgabe trägt zur Rentabilität der Anlage bei.

Seit über vier Milliarden Jahren floriert und gedeiht das Netzwerk des Lebens kontinuierlich und basiert auf dem Grundsatz, dass die Abfälle eines Organismus als Ressource für andere Lebewesen dienen. Wenn sich unsere Industriestruktur daran orientiert, kann sie eigentlich nur noch florieren und gedeihen!


«Vernetzt denken, weit über den Tellerrand hinaus»

Im Interview mit Olivier Andres, CEO Steen Sustainable Energy AG, Lausanne, früherer Vorsteher des kantonalen Amts für Energie des Kantons Genf

Eigentlich ist es ganz natürlich, in einem Umfeld, in dem die Energie im Vordergrund steht, von «Netzen» zu sprechen. Und doch ist es höchste Zeit, die Netze im weiteren Sinne zu betrachten – gleichzeitig aber, und das ist kein Widerspruch, viel lokaler. Also nicht nur unter dem Blickwinkel der grossen herkömmlichen Verteilinfrastrukturen.

Herr Andres, wenn man heute über Netze spricht, was muss man sich darunter insbesondere für die Unternehmen vorstellen?

Es ist mittlerweile alltäglich, eine Kehrichtverbrennungsanlage für die Beheizung von Wohnungen mit diesen zu vernetzen. Doch jedes Unternehmen mit thermischen Überschüssen oder verwertbaren Abfällen sollte diese auch an andere Einheiten – Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Wohngebäude – übertragen können, die sie nutzen können. Das Potenzial in der Schweiz für solche Vernetzungen wird seit 2010¹ analysiert und vom Bund 2018 in einem Bericht² bestätigt. Die Investitionen lassen jedoch auf sich warten, und das Potenzial ist nicht ausgeschöpft. Zu viele Unternehmen sind nur auf sich fokussiert und beharren auf fossilen Energieträgern.

Allerdings sind die Klimakrise und die CO2-Gesetzgebung weniger abstrakt als die Energiefrage. Sie bewirken eine Bewusstwerdung, was wir als Planungsunternehmen spüren. Körperschaften bekräftigen ihr Interesse an einem Raumkonzept, das ihre lokalen Ressourcen in den Bereichen Energie, Materialien und Abfälle abbildet sowie die Möglichkeiten, diese Ressourcen weiterzuentwickeln und gemeinsam zu nutzen. In diesem Konzept haben auch die Unternehmen ihren Platz, und dieser Ressourcenkreislauf kann ihnen zusätzliche Erträge bescheren.

Was bremst das «Vernetzte Denken»?

Es handelt sich nicht um technische Hindernisse. Im digitalen Zeitalter erlauben leistungsstarke Technologien den kollektiven und rationalisierten Einsatz und Austausch von – elektrischen oder thermischen – Energie- und Materialflüssen.

Diese Wende nützt der Umwelt, aber auch der Wirtschaft, wird jedoch von einem wichtigen Akteur nicht ausreichend unterstützt: von der Finanzwelt. Die Finanzierung eines Wohnquartiers ist weniger risikobehaftet als diejenige von Infrastrukturen zur gemeinsamen Nutzung von Abwärme und Abfällen eines Industriegebiets. Denn wenn ein Unternehmen, das ein Glied dieser Kette ist, unerwartet schliesst, kann dieses Netz geschwächt oder gar unterbrochen werden. Der Staat könnte dort eine Rolle spielen: Er könnte Sicherheit schaffen, indem er für die Investitionen der Unternehmen oder externer Investoren bürgt. Und dabei darf man auch ruhig «gross» denken: Je mehr Unternehmen sich in einem Gebiet zusammentun, desto geringer sind die Risiken, weil auch diese gemeinsam getragen werden.

Wie sieht es mit Hindernissen aus, bei dem man auch als Netz einstufen könnte – D.h. bei Legislativbeschlüssen und der administrativen Prüfung von Projekten?

Auf politischer Ebene wurde mir schon häufig erklärt, dass ein Staat nicht wie ein Unternehmen geführt werde und dass Entscheidungen und Umsetzungen wegen politischer Machtwechsel mehr Zeit benötigten. Doch bei der Gesundheitskrise 2020 wurde rasch gehandelt, mit Mitteln, die auch in der Klimakrise ein Eingreifen ermöglichen würden. Der Klimawandel wird sich allerdings wesentlich stärker, dafür aber langfristiger, auswirken – und wird doch auf die leichte Schulter genommen.

Die administrative Prüfung von Projekten besteht aus einer Reihe von kleinen Entscheidungen, die den Umfang und das öffentliche Interesse dieser Projekte verschleiern. Klar ist, dass eine erneuerbare Energie, die aus lokalen Abfällen erzeugt und somit klimaschonend ist, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Für diesen Schritt braucht es aber ein langes und fragmentiertes Verfahren – mit vielen Beschwerden und Überarbeitungen. Wenn man sich einen umfassenden, flexiblen Übergang wünscht, gilt es, ein Entscheidungsnetz auf die Beine zu stellen, das selbst auch umfassend und flexibel ist.

Erwähnte Quellen:
¹«Fernwärme Schweiz – VFS-Strategie», Weissbuch des Verbands Fernwärme Schweiz (VFS), Planungsbüro Eicher + Pauli, 2014.
²«Leitfaden Fernwärme/Fernkälte, Schlussbericht», energieschweiz, 2018. Beide Unterlagen stehen auf www.fernwaerme-schweiz.ch zur Verfügung.

WEITERE INFORMATIONEN

Die Bystronic bietet hochwertige Systemlösungen für die Blech- und Rohrbearbeitung an – hauseigene Betriebssysteme und innovative Technologien inklusive. Doch die Produktion der Maschinensysteme ist stromintensiv. Visionäres Denken ist deshalb auch im Energie-Management gefragt. Unterstützt und betreut wird die Bystronic in Niederönz dabei von der EnAW.

Blick in die Fertigung der Laserschneidanlagen in Niederönz. Bystronic setzt hier auf moderne Lean-Montage.

Schneiden und Biegen von Metall. Was sich im ersten Moment vielleicht nach viel Muskelkraft anhört, wird durch Schweizer Präzision und höchste Ingenieurskunst im Bereich des Maschinenbaus möglich gemacht. Als ein weltweit führender Anbieter hochwertiger Systemlösungen für die Blech- und Rohrbearbeitung bietet die Bystronic aber mehr an als nur Maschinen, die Bleche schneiden oder biegen. Von Laserschneid- und Biegesystemen, über ausgeklügelte Software- und Automationslösungen bis hin zu lebenslangen Kundenservices – die Bystronic produziert und vertreibt alle erforderlichen Systemkomponenten sowie die Tools zu deren Integration im Bereich der Blechbearbeitung. Am Standort in Italien werden zudem Laserschneidanlagen zur Profil- und Rohrbearbeitung hergestellt. Kurzum: Das Portfolio des Systemherstellers lässt sich sehen – und vor allem kombinieren. Denn im Fokus liegt die Automation des gesamten Material- und Datenflusses der Prozesskette «Schneiden und Biegen». Und das mit dem Ziel, dem Kunden stets die für ihn passende Lösung zu liefern – die «Best Choice» eben.

NACHHALTIG UND ENERGETISCH WIRTSCHAFTEN

Ein feiner, unsichtbarer Lichtstrahl. Das ist alles was es braucht, um Metall zu schneiden. Wir befinden uns am Hauptsitz der heute weltweit tätigen Bystronic Gruppe im bernischen Niederönz. Es schaut schon fast unspektakulär aus, wenn man den blitzschnellen Anlagen bei ihren Schneidtouren zuschaut – als wäre das Metall ein Stück Butter. Doch die Produktion der Maschinensysteme mache sich am Standort in Niederönz im Stromverbrauch bemerkbar, weiss der Leiter Facility Management Daniel Broder. Er ist seit über 20 Jahren für die Instandhaltung aller Gebäude, das Energie-Management und das Wohl der rund 730 Mitarbeitenden in Niederönz verantwortlich. «Wir verbrauchen hier eineinhalbmal so viel Strom wie die gesamte Gemeinde Niederönz», so der gelernte Maschinenmechaniker. «Deshalb versuchen wir, so nachhaltig und energetisch sauber zu wirtschaften, wie es möglich ist.» Einfacher gesagt, als getan. Denn gerade der internationale Kundenstamm sei gemäss Broder noch nicht immer bereit, den Aufpreis für die Nachhaltigkeit zu bezahlen. Dreht man in Niederönz in Sachen Effizienzsteigerung deshalb Däumchen? Mitnichten. Denn Nachhaltigkeit kann sich auch rechnen.

UMBAU IM LAUFENDEN BETRIEB

So heizt die beim Laserschneidprozess anfallende Abwärme im Winter das Bürogebäude sowie die Montagehalle. Das Druckluft-Management-System maximiert die Energieeffizienz bei der Drucklufterzeugung und ein Grossteil der Beleuchtung wurde auf LED umgerüstet. Ein Grossprojekt, das momentan alle beschäftige, ist aber ein anderes: Die alte Fertigungshalle aus den 1980er-Jahren genügt den Isolations- und Fertigungsansprüchen nicht mehr und muss komplett saniert werden. Die Schwierigkeit: Alles unter ein Dach zu bringen – im wahrsten Sinne des Wortes. Für den Betrieb kam es nicht infrage, die Produktion für die Sanierungsphase komplett einzustellen. Die Lösung? Eine neue Gebäudehülle über die alte Halle «stülpen» und Letztere fortlaufend, während mehrheitlich laufendem Betrieb rückbauen. «In diesem Schritt rüsten wir das Gebäude komplett mit einer LED-Beleuchtung aus», ergänzt Broder, der bereits die Kundenlounge, die Büroräumlichkeiten und die Produktionshallen auf neuste LED-Technik umgerüstet hat. Während die zuvor angebrachten FL-Röhrenlampen regelmässig instandgehalten werden mussten, produzieren die LED-Lichter praktisch keinen Abfall, erleichtern den Unterhalt und brauchen viel weniger Strom. «Und dies ohne Einbussen bei der Lichtqualität», sagt er. Eine Rechnung, die nicht zuletzt dank der EnAW aufgeht.

GROSSVERBRAUCHER, LEDIG, SUCHT

Es war EnAW-Berater Stefan Krummenacher, der die Bystronic auf die möglichen Fördermittel von EFFIZIENZ+ aufmerksam gemacht hat. Ohne diesen finanziellen Zuschuss und die Unterstützung von Krummenacher wäre die Umrüstung auf LED in der grossen Halle schwieriger realisierbar gewesen. «Uns fehlen schlicht die zeitlichen und fachlichen Ressourcen», so Broder. Dank der Unterstützung und dem Know-how des EnAW-Beraters können sich die Mitarbeitenden in Niederönz auf ihr Kerngeschäft fokussieren und gleichzeitig mit vernünftigem Aufwand die Energieeffizienz steigern. Vernünftig soll aber nicht nur der Aufwand sein: «Die Wirtschaftlichkeit der Massnahmen ist bei uns sehr wichtig», meint Broder. Auch deshalb sei die Zusammenarbeit mit der EnAW Gold – oder besser gesagt – Geld wert. Wie diese zustande kam? Mit dem Aufkommen des Grossverbraucherartikels habe man sich «auf die Suche nach einem Ehepartner» gemacht und diesen in der EnAW gefunden, erinnert er sich. Der Ehevertrag: die in Zusammenarbeit mit der EnAW abgeschlossene Zielvereinbarung mit dem Bund. Das jährlich stattfindende Monitoring sorgt dafür, dass diese eingehalten wird und der Betrieb auch in Zukunft auf Kurs bleibt.

EINE NEUE ENERGIE-ÄRA

Apropos Zukunft: Das langfristige gemeinsame Ziel sei nun, das restliche Areal auch noch auf die energieeffizienten LED-Lampen umzustellen. «Da unsere Gebäude sehr gross sind, bedingt das hohe Investitionen», sagt Broder. Deshalb wird in Niederönz die Energieeffizienz Schritt für Schritt gesteigert. Rom sei auch nicht an einem Tag entstanden. Der grosse Vorteil: «Im Gegensatz zu den alten Römern können wir auf die Unterstützung der EnAW zählen.» Laut EnAW-Berater Krummenacher ist sicher: Mit der neuen Produktionshalle breche für die Bystronic eine neue Ära der Energieeffizienz an.

WEITERE INFORMATIONEN

«Nachhaltigkeit» hat bei der Chocolats Camille Bloch SA, deren Schokoladenspezialitäten sich seit den 1940er-Jahren ungebrochener Beliebtheit erfreuen, viele Gesichter: Lokales Holz wird über eine Fernheizung verwendet, der Heizölverbrauch beträgt gegenüber früher nur noch einen Viertel, vom Strom sind bereits zehn Prozent Solarstrom – der Rest stammt aus Wasserkraft – und Kälte wird aus der Umgebung bezogen.

Von der Isolation der ersten Gebäude bis zu den energetischen Anforderungen an die 2017 eingeweihten Gebäude: Fast der gesamte Standort von Camille Bloch entspricht den Minergie-Normen.

Das im Jahr 1942 erfundene und bis heute berühmte Ragusa, die 1948 lancierte Torino-Produktlinie oder die mit Likör gefüllten Schokoladen – als fünftgrösste Schweizer Schokoladenherstellerin produziert die Chocolats Camille Bloch SA jährlich rund 3500 Tonnen Schokolade. Die Schokoladenfabrik wurde 1929 in Bern gegründet, zog 1935 nach Courtelary (BE) in eine alte Papierfabrik in der Nähe des Flüsschens Suze im Berner Jura um und beschäftigt heute rund 200 Mitarbeitende. Der Marktanteil in der Schweiz hat sich in weniger als zehn Jahren auf über fünf Prozent verdoppelt. Doch nicht nur Herr und Frau Schweizer mögen die Schokolade aus dem Hause Camille Bloch: 20 Prozent der Produktion sind für den Export bestimmt. Mit der Einweihung der neuen Räumlichkeiten im Jahr 2017 kann die Produktion langfristig verdoppelt werden. Wie das mit der Nachhaltigkeit einhergeht? Problemlos, dank dem Innovationswillen der Traditionsfirma. So veranschaulicht beispielsweise der im Oktober 2017 eingeweihte Erweiterungsbau mit wunderbarem Empfangsbereich für Besucher den Willen zur Umsetzung von Energieeffizienzmassnahmen. Seit 2014 ist die Schokoladenherstellerin Teilnehmerin bei der EnAW. Mit Erfolg: «Die Firma handelt ehrgeizig und rasch und ist offen für Innovationen und Veränderungen», lobt EnAW-Berater Fabrice Marchal.

WÄRME UND KÄLTE IM GRIFF

Wie heisst es so schön – das Auge isst mit. Ein Chocolatier legt deshalb grossen Wert auf die Verpackung seiner Produkte, Camille Bloch auch auf diejenige seiner Anlagen. «Der gesamte Standort entspricht den Minergie – Normen», betont der Leiter Produktion Jean Kernen. Auch im Inneren, entlang der Produktionskette, werden die für die Herstellung von Schokoladenspezialitäten notwendige Wärme und Kälte möglichst effizient eingesetzt. Doch wie kommt die feine Schokolade in die schöne Verpackung? Mit viel Begeisterung und klaren Prozessabläufen. So werden die Kakaobohnen oder Nüsse vor ihrer Verarbeitung geröstet und gemahlen bis eine flüssige Masse entsteht. Trockene Zutaten wie Zucker und Milchpulver werden der Masse beigegeben und alles geknetet. Die daraus entstehende körnige Masse wird zerkleinert und verfeinert. Anschliessend wird die Kakaobutter daruntergemischt und die ganze Masse «conchiert», das heisst bei 60 Grad Celsius während zwölf bis 24 Stunden intensiv vermischt – in Einheiten von drei bis sechs Tonnen. Danach erfolgt die Temperierung mit einem ersten Kühlungsschritt auf 45 Grad Celsius für die Lagerung. Mit der zweiten Abkühlung auf 27 bis 30 Grad Celsius wird die Schokolade in die bekannten Formen gegossen – et voilà!

EIN MUSTERGÜLTIGES ZUSAMMENSPIEL

Und wie sieht es mit der Energie aus? «Unsere Wärme stammt seit 2016 grösstenteils aus einer Fernheizung mit Holz aus der Region, genauer gesagt einer sogenannten Holzschnitzelfeuerung», erzählt Kernen. «Diese wurde 2015 von einem Unternehmer aus Courtelary installiert, der mit Holz aus der Region den Wärmebedarf von Privatpersonen, Institutionen, interessierten Unternehmen und der Gemeinde abdecken wollte.» Eine erfolgreiche win-win-Situation, denn die Camille Bloch wird seither mit erneuerbarer Energie versorgt und die «La Praye Energie SA» hat einen Grossverbraucher gewonnen, der das ganze Jahr über Wärme benötigt. Ausserdem hat eine zufällige Unterhaltung des Unternehmers mit dem Geschäftsführer eines benachbarten Zementwerks, das ebenfalls EnAW-Teilnehmer ist, dazu geführt, dass die Asche aus der Holzfernheizung neu für die Herstellung von Zement verwendet und nicht sinnlos und teuer in einer Deponie gelagert wird. Ein Beispiel für eine mustergültige Verflechtung, die in die Lehrbücher der Industrieökologie gehört.

DIE CO₂ – BILANZ VERBESSERN

«Der Einsatz von lokalem Holz hat unseren Heizölverbrauch von 230 000 auf 57 000 Liter pro Jahr sinken lassen – der Ölheizkessel bleibt lediglich zur Sicherheit und Unterstützung erhalten», erklärt der Leiter Infrastruktur Jean-Philippe Simon. Die Energie aus der Holzfernheizung beheizt die Räumlichkeiten und fast alle Systeme, die in die Schokoladenproduktion eingebunden sind. Nur einzelne Heizkörper benötigen noch Strom. Als weitere erneuerbare Quelle erzeugt die auf dem Dach installierte Fotovoltaikanlage jährlich 350 000 Kilowattstunden Strom. Zehn Prozent des Strombedarfs werden nun durch Sonnenenergie abgedeckt. Der Rest der drei Gigawattstunden, die die Fabrik pro Jahr benötigt, stammt ebenfalls aus erneuerbaren Quellen und ist zertifizierter Strom aus Wasserkraft.

ERNEUERBARE QUELLEN UND EINSPARUNGEN

Apropos Strom: Der Stromanteil, der für das Rühren der Schokolade verwendet wird, konnte drastisch reduziert werden. Dies dank dem neuen 0.55-kW-Motor mit Zahnradgetriebe, der nur fünf bis zehn Minuten pro Stunde dreht – und das im Vergleich zu den elf 2-kW-Schneckenmotoren, die zuvor ständig laufen mussten. «Gleiches Ergebnis bei 94 Prozent weniger Stromverbrauch», freut sich Simon über ebendiesen Ersatz. Er weist auf weitere Einsparungen beim Druckluftkreislauf hin, die dank angepasster Dimensionierungen, neuer Anlagen und sinnvoller Einsatzzeiten erzielt werden konnten. Die Kehrseite der thermischen Anforderungen, die Kälte, werde ebenfalls teilweise mit Wasserkraft erzeugt. «Die erlaubte Entnahme von 115 000 Kubikmeter Wasser aus dem nahe gelegenen Flüsschen Suze liefert 800 000 thermische Kilowattstunden», erklärt Simon. Seit 2013 werde Kälte zudem auch von einer Free-Cooling-Anlage sowie von Wärmepumpen, die in gewisse Anlagen integriert sind, produziert. Das Brauchwasser, das während der Produktion in Form von kondensiertem Dampf und Wasser aus den Kompressoren des Kältekreislaufs gewonnen wird, wird mit der zurückgewonnenen Wärme erwärmt. «Unsere Bestrebungen betreffen sowohl die Senkung unseres Verbrauchs als auch die Nutzung erneuerbarer Quellen», fasst Kernen zusammen. «Wir machen alles, was vernünftigerweise machbar ist, und sind bereit, etwas mehr zu investieren, um nachhaltige Lösungen einzuführen.»

Weitere Informationen

Die seit dem 19. Jahrhundert praktizierte Zementproduktion generiert grosse CO2-Emissionen. Es gibt aber viele Möglichkeiten, diesen Ausstoss stark zu reduzieren. Wie das geht, zeigt die Vigier Ciments AG in Péry im Berner Jura: In Zusammenarbeit mit der EnAW entwickelt sie eine ganze Reihe von Massnahmen, um die CO2-Bilanz ständig und beträchtlich zu verbessern.

Am Standort Péry-Reuchenette (BE) wurden die CO₂-Emissionen seit 1990 um 34 Prozent reduziert. Bis 2021 sollen es 40 Prozent werden.

Die Vigier Ciments AG feiert bald ihr 150- jähriges Bestehen. 1871 in Luterbach (SO) von Robert Vigier gegründet, produzierte sie als erstes Unternehmen in der Schweiz Portlandzement, bei welchem Kalziumsilikate und Kalk gemischt und gemeinsam erhitzt werden. Eine Revolution in der Baubranche. 1891 wurde dafür in Péry ein neuer Produktionsstandort eröffnet, der hinsichtlich Geologie, Energie und Transport ideal gelegen ist. Heute beschäftigt das Unternehmen an 37 Standorten unterschiedlicher Ausrichtung und Grösse in der Schweiz 1100 Personen. Das ist für EnAW-Berater Erich Lüdi, der das Unternehmen bei der Umsetzung von Energieeffizienzmassnahmen begleitet, eine spannende Herausforderung. Seit 2001 gehört die Vigier Ciments AG zum französischen Konzern Vicat. Das sei gewissermassen ein Schritt «zurück zu den Wurzeln». Denn Louis Vicat erfand 1817 den Industriezement und trat 1840 als Initiator für den Portlandzement auf.

CO₂ FREISETZEN UND EINSPAREN

Für die Zementherstellung in Péry wird Kalkstein zu Rohmehl vermahlen, das anschliessend mit 20 Prozent Mergel versetzt wird, bevor alles bei 1450 Grad Celsius im Ofen gebrannt wird. Dazu muss die Temperatur der Flamme im Ofen 2000 Grad Celsius betragen. So entsteht der Zementklinker, der dann zu Zement vermahlen wird. Je feiner das Pulver, desto höher ist die Druckfestigkeit des Zements. Beim Brennen des Kalksteins und des Brennstoffs wird eine Menge CO2 freigesetzt: Die Zementfabrik in Péry verursacht ein Prozent der CO2-Emissionen der Schweiz. Auf den Schweizer Zementsektor insgesamt entfallen sogar fünf bis sechs Prozent. Dieser Wert geht aber immer weiter zurück – und das nicht von selbst. Olivier Barbery, seit Juni 2015 Direktor des Standorts Péry, zeigt eine beeindruckende Liste der Massnahmen, die direkt im Unternehmen, aber auch in dessen Umfeld umgesetzt wurden: Nutzung lokaler Ressourcen bei Rohstoffen oder Energie, achtsame Durchführung von Transporten oder die Einhaltung von Baunormen.

EIN ELEKTRISCHER DUMPER

«In einem Familienkonzern bestehen Möglichkeiten, auch ganz besondere Initiativen umzusetzen», freut sich Olivier Barbery. Ein Beispiel dafür ist der 2018 gelieferte, ausschliesslich elektrisch betriebene Dumper – eine Weltpremiere. Ein Dumper ist ein riesiger Lastwagen, der 65 Tonnen Gesteinsmaterial transportieren kann. Dieser E-Gigant entstammt einer Partnerschaft zwischen dem Hersteller, dem Importeur, einem Ingenieurbüro, einer Bieler Hochschule und der Vigier Ciments AG, die das Projekt zu zwei Dritteln finanziert hat. Der Dumper befördert das Aushubmaterial aus der Kiesgrube zu einer Brechanlage. Von da aus wird der Kies über ein 2.3 Kilometer langes Förderband in die Fabrik transportiert. «Mit diesem 2001 eingeweihten Förderband konnten wir die LKW-Transporte bereits reduzieren. Mit unserem neuen E-Dumper können wir weitere 55 000 Liter Diesel pro Jahr einsparen. Die Transporte sind leise, verursachen keine CO2– oder Feinstaubemissionen und beim Bergabfahren werden die Batterien per Rekuperation aufgeladen», erklärt Barbery. Eine Investition, die sich auszahlt. Dank dem E-Dumper kann das Unternehmen seine CO2-Emissionen nämlich weiter senken: Seit 1990 sind sie um 34 Prozent zurückgegangen, angepeilt wird ein Ziel von 40 Prozent bis 2021.

ALTERNATIVE BRENNSTOFFE

Zwei Drittel der CO2-Emissionen der Fabrik sind auf die Umwandlung von Kalkstein in Kalk zurückzuführen. Der Rest ergibt sich aus der Verbrennung zur Wärmeproduktion. Seit 1976 versucht Vigier, die fossilen Brennstoffe durch eine breite Palette an alternativen Brennstoffen zu ersetzen: Altholz, Schlamm, Tabakstaub, tierische Fette und Tiermehl oder auch alte Lösungsmittel und Altöl. «Unsere Wärme wird heutzutage zu 87 Prozent aus alternativen Brennstoffen gewonnen. Vigier gehört europaweit zu den Top drei auf diesem Gebiet und überschreitet die 65-Prozent-Marke, die 2018 von sämtlichen Schweizer Zementwerken erreicht wurde, deutlich», meint Barbery.

EINE KOLLEKTIVE HERAUSFORDERUNG

«Da bei der Produktion einer Tonne Klinker 0.72 Tonnen CO2 freigesetzt werden, reduziert sich der CO2-Fussabdruck, je weniger Klinker sich im Zement befindet», weiss Barbery. Reiner Klinker, bekannt unter dem Namen CEM I, sollte nur für anspruchsvolle Anwendungen eingesetzt werden. 1995 hat Vigier eine erste Generation an Zementen auf den Markt gebracht, bei denen Klinker und hochwertiger Rohkalkstein, der aus dem Steinbruch des Unternehmens stammt, vermischt werden. Momentan enthalten diese Sorten zwischen 17 und 27 Prozent nicht erhitzte Materialien. Dieser Anteil kann noch gesteigert werden: Die Zemente der Klasse CEM II können bis zu 70 Prozent Stahlwerkschlacke enthalten. Und sie haben sich bewährt. Trotzdem: «Leider schreiben viele architektonische Normen noch immer einen grossen Anteil am klassischen CEM I vor, obwohl das umweltfreundlichere CEM II dafür absolut geeignet wäre», so Barbery. Laut ihm müssen diese Normen unbedingt überarbeitet werden. Denn: Klimaschutz sei tatsächlich eine kollektive Herausforderung.

VIELE WEGE FÜHREN ZUR CO₂-REDUKTION

Um genau dieser Herausforderung gerecht zu werden, prüft das Unternehmen weitere Möglichkeiten, um den CO2-Ausstoss kollektiv zu vermindern. Der Vicat-Konzern beteiligt sich an Pilotprojekten in Frankreich, um CO2 zu binden, um es zu lagern oder in Methan umzuwandeln. Ausserdem soll die Porosität des Betons von 30 auf 60 Prozent erhöht werden, um die Reabsorption des CO2 zu beschleunigen. Aber auch Vigier selbst ist in Sachen Nachhaltigkeit gut auf Kurs: «Wir betreuen unser eigenes Wasserkraftwerk, sind zu 50 Prozent an sieben weiteren Schweizer Kraftwerken beteiligt, setzen in unserer Produktionskette Elektromotoren der letzten Generation ein, nutzen LED-Beleuchtungen, produzieren mit unserem langen Förderband Energie, und und und», so Barbery. «All diese Wege zur Verringerung der CO2-Emissionen beeinflussen die Höhe des CO2-Fussabdrucks der Zementproduktion, die für unsere Gesellschaft unabdingbar ist.»

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