François Maréchal, EPFL-Professor in Sitten, hat eine starke globale Vision von einer Energiezukunft, in der wir die kohlenstoffhaltigen Moleküle in andere als die bisher bevorzugten Bahnen gezwungen haben werden. Mit Prinzipien, die der Natur nachempfunden sind – und damit bewährt sind.
Im Zentrum des Inventarschemas zur Defossilisierung der Industrie (unten) stehen Stoffe, die mithilfe von Energie in «Produkte» umgewandelt werden, und Abfälle, die zu Rohstoffen und Energie recycelt werden: «Das ist die Kreislaufwirtschaft, die gepriesen wird, um unsere CO2-Exzesse zu neutralisieren», kommentiert François Maréchal. «Ein vergleichbarer Kreislauf sichert den Fortbestand der natürlichen Ökosysteme. Man kann von industrieller Ökologie sprechen, wenn Unternehmen Materialien und Wärme austauschen, wenn die Abfälle eines Unternehmens als Ressource für ein anderes dienen, wenn das industrielle Gefüge mit den grossen Energienetzen und den Städten interagiert…»
Das sinnvolle Schliessen von Kreisläufen wird der wichtigste Schlüssel zur CO2-Neutralität unserer Gesellschaften sein. «Die Natur hat CO2 seit jeher am besten genutzt und seine Konzentration in der Luft durch die Photosynthese kontrolliert, eine bakterielle Erfindung: Sonnenenergie, CO2 und Wasser werden zu Glukose – dem Grundbaustein der Biomasse und Energiereserve – kombiniert, wobei Sauerstoff (O2) freigesetzt wird.» Die Atmung der Organismen schliesst den Kreislauf, indem sie in den Zellen mithilfe von O2 die Energie aus der Glukose extrahiert und dabei Wasser und CO2 zurückgibt.
Und das CO2 wurde lästig …
Die Biosphäre hat den CO2-Gehalt der Luft, abgesehen von Katastrophen, stabil gehalten. Doch die Kapazitäten der biologischen CO2-Bindung wurden durch das Wachstum unserer Gesellschaften mithilfe fossiler Biomasse – Kohle, Öl, Gas – überfordert, wodurch das eingeschlossene CO2 in hohem Tempo freigesetzt wurde, während gleichzeitig die natürlichen Lebensräume geschädigt wurden. Es wird nicht ausreichen, neue Vegetation anzupflanzen, sondern wir müssen neue Zyklen erfinden, die speziell auf unsere Aktivitäten als Spezies zugeschnitten sind.
«So verursacht der Wärmebedarf 70% der CO2-Emissionen der Industrie», betont François Maréchal – siehe den oberen Teil seines Schemas. Naheliegende Massnahmen zur Verringerung dieser Emissionen: Heizen nach Bedarf, Nutzung der Abwärme mithilfe von Pumpen und Weiterverteilung: Nach 25 Jahren CO2 und Energiegesetzen und der jüngsten Inflation der Energiekosten ist das nichts Besonderes mehr. Und darüber hinaus? «Man muss die überschüssige Wärme in Elektrizität umwandeln, die wiederum Lösungen zur Energiespeicherung in chemischer Form antreiben kann. Diese Lösungen ermöglichen auch die Speicherung von Sommerüberschüssen aus der Stromerzeugung, natürlich aus erneuerbaren Energiequellen.» Es entsteht ein Kreislauf, der Wärme und Strom über verschiedene Gase miteinander verbindet, so wie CO2 und O2 bei der Photosynthese und Atmung.
Jonglieren mit Molekülen
«Durch Elektrolyse kann man CO2 und Wasser unter Freisetzung von O2 in Kraftstoff (Methan, Methanol, Kerosin) umwandeln. Durch den umgekehrten Prozess, die Brennstoffzelle, kann dieser Treibstoff unter Verwendung von O2 Strom machen, wobei CO2 und Wasser freigesetzt werden. Wenn das CO2 aufgefangen, gespeichert und wiederverwendet wird, wird der Kreislauf der Natur industriell nachgebildet. Man kann natürlich auch industrielle und natürliche Kreisläufe integrieren.»
François Maréchal fährt fort: «Wenn man ein wenig Strom und Wärme investiert, um Biomasse oder Abfälle bei hohen Temperaturen zu vergasen, erhält man ein synthetisches Gas (Syngas), eine Energiereserve in Form von einfachen Brennstoffen: Wasserstoff (H2), Kohlenmonoxid (CO), plus ein wenig Methan (CH4). Bei Zufuhr von CO2 und Strom kann H2 mehr CH4 erzeugen, das lokal genutzt oder über die Netze verteilt werden kann. CO kann ebenfalls in CH4 oder flüssige Brennstoffe umgewandelt oder verbrannt werden, um Wärme oder Strom zu liefern. Da die ursprüngliche Quelle erneuerbar ist, ist die Verbrennung kohlenstoffneutral.» Und weiter: «Wenn die Schweiz alle ihre Biomasseabfälle auf diese Weise nutzen würde, würde sie die gleiche Menge an fossilem Gas produzieren, die sie heute importiert, und sie könnte überschüssige Sonnenenergie mit einem Wirkungsgrad von 95 % speichern!» Die Vergasung wie auch die Pyrolyse verwandeln die Biomasse also in einen homogenen Kraftstoff, der sich leicht verteilen und lagern lässt. «Und durch Elektrolyse kann zusätzliche erneuerbare Energie für schwierige Anwendungen wie den Luftverkehr hinzugefügt werden, wo das Gewicht der Tanks ein kritischer Faktor ist.»
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Die Idee einer «natürlichen Fatalität», dass wir Industrie, Verkehr, Wohnen, Konsum nach den Prinzipien ausrichten müssen, die das Leben auf der Erde am Leben erhalten haben, ist ein wenig gezwungen. Aber sind wir nicht bereits einem ähnlichen «Schicksal» gefolgt, indem wir unsere Gesellschaften mit einem «Nervensystem» ausgestattet haben, wie es die Evolution mit den tierischen Organismen getan hat: immer komplexere digitale Netzwerke, die unendlich viele Informationen sammeln, verarbeiten und nutzen, um zu wachen, zu kontrollieren, zu handeln … – auch im Energiebereich, siehe den unteren Teil der Abbildung.
Und unterhalb der «grossen Prinzipien» der gesunde Menschenverstand? François Maréchal abschliessend: «Warum zögern, sich von weit entfernten fossilen Energien zu befreien, die den geopolitischen Launen unterliegen und die Zukunft klimatisch und finanziell verschlechtern, wenn lokale kohlenstofffreie Lösungen nur darauf warten, dass sie uns zur zweiten Natur werden?»
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07.02.2025
EnAW-Fachtagung am 22. Oktober
Der Experte
Chemieingenieur, Doktor der Universität Lüttich, trat François Maréchal in die im Jahr 2001 an die EPFL. Professor an der EPFL Wallis seit 2013, leitet er dort die Forschung über die Dekarbonisierung durch Energieträger erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft oder digitale Unterstützung. Er ist einer der Herausgeber von «Frontiers in Energy Research».
