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Betriebsoptimierung

Elektrische Antriebe: Auf der Suche nach dem schwächsten Glied

26.10.2023

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Elektrische Antriebe sind für nahezu 50 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in der Schweiz verantwortlich; in Branchen mit hohem Einsparpotenzial sind es sogar 80 Prozent. EnAW-Energieberater Nicolas Macabrey berichtet im Interview über seine langjährige Erfahrung in Bezug auf die bestmögliche Nutzung dieses Potenzials.

Die erste Frage, die sich stellt: Was fällt eigentlich unter den Begriff «elektrische Antriebe»?

Nicolas Macabrey (NM): Die Bezeichnung umfasst Pumpen, Lüfter, Druckluft- und Kältekompressoren sowie alle sonstigen Komponenten, die von einem Elektromotor angetrieben werden.

Wie erklärt sich das aktuell grosse Interesse an elektrischen Antrieben? Wie hoch sind die möglichen Energieeinsparungen?

NM: Aus den mehreren hundert Analysen und Umsetzungen, die wir in den letzten 15 Jahren durchgeführt haben, wissen wir, dass die möglichen Einsparungen rund 20 bis 40 Prozent betragen. In Extremfällen lässt sich der Verbrauch sogar um 75 Prozent senken!

Das sind beeindruckende Zahlen! Was ist Ihr Geheimnis, Herr Macabrey?

NM: Man muss vor allem das gesamte System – alle miteinander verbundenen Komponenten – betrachten und im realen Betrieb messen, um herauszufinden, wo die meiste Energie verloren geht. Entgegen der weit verbreiteten Annahme sinkt der Energieverbrauch nur um wenige Prozent, wenn man einen Motor durch ein effizienteres Modell ersetzt. Die grossen Einsparungen liegen woanders: Vor allem ist zu prüfen, welcher Energiebedarf für die jeweilige Anwendung tatsächlich gedeckt sein muss, damit dann das gesamte System an diesen Bedarf angepasst werden kann. Ein Beispiel: Bei einem Lüfter, dessen Abgabeleistung nur 25 Prozent über dem tatsächlichen Bedarf liegt, verdoppelt sich der Energieverbrauch!

Ausserdem laufen die angetriebenen Komponenten – ob Pumpe, Lüfter oder eine andere Ausrüstung – oft nicht im optimalen Betriebsbereich, was beträchtliche Energieverluste verursacht. Auch die beste Pumpe der Welt hat nur einen mittelmässigen oder gar schlechten Wirkungsgrad, wenn sie mit der falschen Drehzahl betrieben wird.

Das dritte grosse Einsparpotenzial liegt in den Stellgliedern – Klappen und Regelventilen –, die möglicherweise unnötig viel Strom verbrauchen. In diesem Fall empfiehlt es sich, das angetriebene Element durch eine neu ausgelegte Komponente zu ersetzen und bei variablem Strombedarf einen Drehzahlregler zu installieren.

Um zu vermeiden, dass eine wenig effiziente Energienutzung für die nächsten 15 bis 25 Jahre fortgeschrieben wird, darf man daher Systemkomponenten nicht einfach durch identische neue Komponenten ersetzen. Mein sogenanntes «Geheimnis» ist also gar nicht so geheimnisvoll: Es geht in erster Linie darum, den tatsächlichen Energiebedarf eines jeden Systems zu ermitteln, um es dann auf diesen Bedarf anzupassen.

Wie gehen Unternehmen, die solche Sparpotenziale ausschöpfen möchten, praktisch vor?

NM: Das Bundesamt für Energie (BFE) hat 2023 INCITE eingeführt – ein neues Programm, das sich auf die Optimierung von elektrischen Antrieben konzentriert und von der EnAW unterstützt wird. Um die Fragen der Unternehmen zum Thema elektrische Antriebe beantworten zu können, hat das BFE ein Kompetenznetzwerk aus anerkannten Energiespezialisten eingerichtet. Es ermöglicht den Unternehmen, sich auf eine klar umrissene Planung abzustützen: Wie geht man die Optimierung von elektrischen Antrieben an? Wer bietet Hilfestellung? Welche Verfahren sind geeignet? Welche Tools und Fördermittel sind speziell für die Optimierung von elektrischen Antrieben verfügbar

Womit sollte man also beginnen?

NM: Unter Umständen gibt es in einem Unternehmen sehr viele elektrische Antriebe; je nach Betrieb können es einige hundert bis mehrere tausend sein. Man sollte sich daher von Anfang an auf die Antriebe mit dem grössten Sparpotenzial konzentrieren. Mit dem vom BFE bereitgestellten INCITE-Tool erstellt das Unternehmen – oder dessen Beraterin oder Berater – zunächst eine Liste aller potenziell interessanten elektrischen Antriebe. Die Auswahlkriterien sind einfach: Die möglichen Einsparungen werden anhand einiger Basisdaten (Alter, Grösse, Betriebsdauer) der jeweils untersuchten Ausrüstung eingeschätzt, woraus sich ergibt, welche Detailanalysen vorrangig durchgeführt werden sollten. So kann man sich auf die Komponenten fokussieren, die potenzielle Einsparungen von mehr als 20 Prozent und einen Payback von unter 5 Jahren bieten.

Dann nimmt ein Spezialist an den ausgewählten elektrischen Systemen Messungen vor und erstellt eine detaillierte Betriebsanalyse. Dieser Schritt ist unverzichtbar, denn ein ineffizienter Betrieb ist nicht leicht zu erkennen! In dieser Phase wird in enger Zusammenarbeit mit der Produktionsleitung und der für die technischen Anlagen des Unternehmens zuständigen Person der tatsächliche Energiebedarf bestimmt.

Die dann vorliegenden Daten ermöglichen genaue Angaben zur Höhe der Energieeinsparung sowie die Auslegung des neuen Systems mit den geeignetsten Komponenten.

Darüber hinaus fallen bei der Optimierung der elektrischen Antriebe oft auch andere Funktionsmängel oder Schwächen auf, deren Beseitigung den Unternehmen zusätzliche Vorteile bringt.

Welche Massnahmen werden finanziell unterstützt?

NM: Zum einen gibt es Fördermittel für die Messungen und die Analysen zur Bestimmung, welche Ausrüstung wie ersetzt werden muss; zum anderen wird auch die Umsetzung gefördert, sobald sich die Investitionen konkret beziffern lassen.

Welche Rolle hat die EnAW in diesem Prozess?

NM: Über ihre Beraterinnen und Berater steht die EnAW in direktem Kontakt mit den Unternehmen und kann diese daher sehr effektiv beraten und begleiten. Vor dem Hintergrund der Energiepreise und des latenten Risikos einer Energiemangellage, die eine gewaltige Herausforderung darstellen, hat die EnAW beschlossen, das INCITE-Programm zu unterstützen, indem sie Energieberaterinnen und -berater ausbildet und sie mit einem Mentoringprogramm unterstützt: Die Mentoren – spezialisierte Fachingenieure und -ingenieurinnen – begleiten die Beraterinnen und Berater bei den verschiedenen Optimierungsmassnahmen in der Praxis.

Durch die Optimierung einer Kaskade aus drei Pumpen konnte der Verbrauch um 79 Prozent gesenkt werden. Durchgeführte Massnahmen: Neuauslegung der Pumpen ohne halb geschlossene Ventile, Austausch des defekten Rückschlagventils (vorher).

Durch die Optimierung einer Kaskade aus drei Pumpen konnte der Verbrauch um 79 Prozent gesenkt werden. Durchgeführte Massnahmen: Neuauslegung der Pumpen ohne halb geschlossene Ventile, Austausch des defekten Rückschlagventils (nachher).

Ihr Fazit – was ist Ihre Botschaft an die Unternehmen?

NM: Befassen Sie sich möglichst bald mit diesem Thema! Alles, was Sie jetzt umsetzen können, wirkt sich positiv auf Ihre Stromrechnung aus bildet gleichzeitig die Basis für Ihre zukünftigen Zielvereinbarungen.

Nicolas Macabrey, EnAW-Berater, Elektroniker (HES), Elektroingenieur (EPFL) und Doktor der Ingenieurwissenschaften (EPFL) ist seit mehr als zwölf Jahren in einem Beratungsbüro im Bereich elektrische Antriebe tätig. Der Leiter des Kompetenzzentrums des BFE-Programms INCITE hat bereits Hunderte von Analysen in Unternehmen durchgeführt und beteiligt sich seit 2022 intensiv an der Entwicklung von schweizweiten und kantonalen Programmen.

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