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23.11.2021

Im Gespräch mit Max Zürcher, Geschäftsführer der EnAW bis 2009, über die Anfänge einer erfolgreichen Public-Private-Partnership für den Klimaschutz.

Herr Zürcher, Sie haben die EnAW quasi erschaffen und zehn Jahre geführt. Heute ist sie im energie- und klimapolitischen Bereich eine der erfolgreichsten Partnerschaften zwischen Wirtschaft und Staat und mittlerweile 20 Jahre alt. Zeit, auf die Anfänge zurückzublicken. Woran erinnern Sie sich spontan?

Es war eine interessante, auch beglückende Zeit. Insbesondere, weil wir Neuland begehen mussten und durften. Die Zeit war aber auch, wie immer im Zwischenfeld von Wirtschaft und Politik, etwas aufreibend.

Wissen Sie noch, wie Ihr erster Arbeitstag ausgesehen hat?

Das war Mitte 1999. Genauer gesagt am 1. Juli, ein heisser Sommertag. Ich sass allein in einer Dachkammer an der Zürcher Hegibachstrasse, bestückt nur mit einem Arbeitstisch, einem Telefon und einem PC.

Das hört sich abenteuerlich an…

Ja, ausser dem Auftrag lag fast alles noch im Nebel. Der lautete schlicht: Leitung der zu gründenden Energie-Agentur der Wirtschaft. Die Aufgabe der EnAW sollte es sein, dem Kooperations- und Subsidiaritätsprinzip folgend, das Energie- und das CO2-Gesetz in der Wirtschaft umzusetzen.

Wie gingen Sie diesen Auftrag an?

Ich habe die wesentlichen Branchenorganisationen der Wirtschaft kontaktiert, um deren Anliegen und Ansichten zu erfahren. Es gelang, fast alle ins Boot zu holen. Gemeinsam waren Arbeitskonzepte zu erstellen, die Erwartungen der zuständigen Bundesämter zu erkunden und vieles mehr. Am 25. November 1999 haben wir die EnAW mit den Trägerorganisationen dann aus der Taufe gehoben. 2001 starteten wir mit der operativen Tätigkeit.

Welche Vorstellungen waren in der Gründungsphase mit der Bezeichnung «Energie-Agentur» verbunden?

Eine Organisation der Wirtschaft, die hilft, die energiepolitischen Hausaufgaben der Wirtschaft in eigener Regie zu lösen – durch die Steigerung der Energieeffizienz, auf freiwilliger Basis und im Rahmen des üblichen unternehmerischen Investitionsprozesses. Das Konzept fand auch in Bern Anklang und damit Eingang ins neue CO2-Gesetz.

Die Gründung der EnAW wurde als Startschuss für eine neue Phase der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Staat im Bereich der Energiepolitik bezeichnet. Ist das so?

Ich glaube, das ist gelungen – zu meiner Zeit auch dank der damaligen sachlichen und politischen Gegebenheiten sowie der am Entwicklungsprozess beteiligten Handlungsträger. Damals war eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren.

Welche Herausforderungen waren in den ersten Jahren zu meistern?

Zentral war es, eine generelle Leistungsvereinbarung mit dem Bund auszuhandeln. Das genügte jedoch nicht. Wir wollten eine Eigendynamik ins System bringen. Es war wohl Zufall, dass etwa gleichzeitig das neu geschaffene CO2-Gesetz ohne Referendum in Kraft trat: Es ermöglichte die Einführung einer CO2-Abgabe. Das Kunststück bestand darin, die Elemente entsprechend zusammenzubringen. Die Grundidee war: Wer CO2-Emissionen reduziert, sollte nicht noch durch eine CO2-Lenkungsabgabe bestraft werden – den Lenkungseffekt hat er ja vorweg umgesetzt. Eine solche Abgabenbefreiung kreierte einen finanziellen Anreiz. Und: CO2-Reduktion bedeutete immer auch die Analyse aller Energieflüsse und damit den angestrebten Energiespareffekt gemäss Energiegesetz.

«Wir wollten eine Eigendynamik ins System der CO2-Reduktion bringen.»

Max Zürcher, ehemaliger Geschäftsführer der EnAW

Das Kunststück scheint gelungen.

Ja, da war in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und dem Bund Neuland zu gestalten. Bald war klar: Es mussten möglichst viele Unternehmen oder Produktionsstätten in einen Zielsetzungsprozess – von unten her – eingebunden werden. Jeder sollte entsprechend seinen Möglichkeiten zur CO2-Reduktion beitragen. Der EnAW oblag die Gestaltung dieses Zielsetzungsprozesses. Dem Staat die Beurteilung und rechtliche Fixierung der entwickelten Ziele, die Prüfung der Zielerreichung aufgrund des EnAW-Monitoring-Systems und dann die Befreiung von der CO2-Lenkungsabgabe. Ende 2003 hatten gegen 1000 Unternehmen eine Zielvereinbarung, oder standen kurz vor deren Abschluss.

Wie konnte dem Vorwurf entgegengewirkt werden, dass «Von der Wirtschaft für die Wirtschaft» sogenannte «Schoggi-Ziele» definiert wurden?

Der Zielsetzungsprozess ist strukturell bedingt eine Knacknuss. Es galt gemeinsam einvernehmliche Regeln zu entwickeln, damit die Ziele hüben wie drüben als ausreichend ambitiös akzeptierbar sind. Überrissene Ziele hätten den Ausstieg der Unternehmen bedeutet, zu lasche die Glaubwürdigkeit des gesamten Vorhabens untergraben. Beides wäre fatal gewesen – für beide Seiten. Obrigkeitsstaatliches Verordnungsdenken einerseits, Unverständnis für die staatlichen Handlungspflichten anderseits mussten überwunden werden. Entscheidend für den Erfolg war, dass die Zusammenarbeit mit den Behörden und die Verhandlungen stets auf Augenhöhe erfolgten. Konsens war, umfassender Klimaschutz würde wohl nur mit einem marktwirtschaftlich-anreizorientierten Vorgehen ausreichend erfolgreich sein.

Was ist besonders an der Rolle der EnAW?

Energiedaten von Unternehmen sind sensible Informationen, weil sie auch Produktionsgeheimnisse bergen, welche die Konkurrenzfähigkeit im Markt mitbegründen. Solche Daten will grundsätzlich niemand im Detail weitergeben. Hier setzt das Konzept der EnAW an, eine Organisation von der Wirtschaft für die Wirtschaft zu sein. Die EnAW hat, strukturell bedingt, eine Intermediärposition, die aufseiten der Wirtschaft und der Behörden von ganz oben gewollt war. So konnte und kann eine erfolgreiche Public-Private-Partnership für den Klimaschutz in der Schweiz wachsen.

Was wünschen Sie der EnAW für die Zukunft?

Primär Partner, die die strukturellen Voraussetzungen der EnAW verstehen. Mithin Eigendynamik, um gerade noch rechtzeitig die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen.

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