Ist auch in Sachen Energieoptimierung pünktlich: Die SBB stellt mit Innovationswillen, grossen Ambitionen und Pioniergeist die Weichen für eine energieeffiziente Zukunft.
Effiziente Reparaturstätte: In Zürich-Altstetten werden sowohl Züge als auch das Energie-Management auf Vordermann gebracht.
Ganze 3228 Kilometer betriebene Strecken, 793 Bahnhöfe und Haltestellen und 10 708 Züge pro Tag. Seit 1902 verbindet die SBB die ganze Schweiz und chauffiert täglich rund 1.25 Millionen Reisende zuverlässig von A nach B – ein energieintensives Geschäft. Doch die öffentlich-rechtliche Eisenbahngesellschaft steigt gerade deshalb nicht nur auf den Nachhaltigkeitszug auf, sondern zieht ihn als Energie-Vorbild massgeblich mit.
PERFEKT AUFGEGLEIST
Ob als Pendler oder Freizeit-Bähnler – die berühmte Uhr am Zürcher Hauptbahnhof verbindet wohl jeder mit Schweizer Pünktlichkeit und der SBB. Was die Wenigsten wissen? Die SBB ist auch in Sachen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz pünktlich. So trägt sie gemeinsam mit anderen bundesnahen Unternehmen im Rahmen der Initiative Energie-Vorbild (VBE) die Energiestrategie 2050 mit: Durch Innovation und ambitionierte Beiträge sollen die Energieeffizienz gesteigert und erneuerbare Energien ausgebaut werden. Hinzu kommen unternehmensspezifische Massnahmen, die jeder Akteur individuell festlegt. Die SBB hat dafür 2012 ein eigenes Energiesparprogramm gestartet, mit dem bis 2025 jährlich 600 Gigawattstunden Energie eingespart werden sollen. Ein ambitioniertes Ziel, entsprechen die geplanten Einsparungen rund 20 Prozent des Energieverbrauches der SBB oder dem Stromverbrauch von rund 150 000 Haushalten. Doch die SBB hält auch diesen Fahrplan ein: 2018 hat sie bereits die Hälfte ihres Ziels erreicht. Dies dank grossem Engagement und erfolgreicher Zusammenarbeit der Mitarbeitenden. Ohne Zugpferde, die die energetischen Anstrengungen über alle Divisionen hinweg zusammenhalten, geht es allerdings nicht. Als Fachspezialist für Energieeffizienz und Teilprogrammleiter «neue erneuerbare Energien» ist Marcel Reinhard eines von ihnen. Innerhalb des gesamten Konzerns tätig, koordiniert das Team Energieeffizienz alle übergreifenden Tätigkeiten im Rahmen des Energiesparprogramms. «Dieses reicht von Rollmaterial, Infrastrukturanlagen und Gebäuden über nachhaltige Beschaffung bis hin zur Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens bei den Mitarbeitenden», so Reinhard.
GEWINNBRINGENDE ZUSAMMENARBEIT
Obwohl 74 Prozent des gesamten Energieverbrauchs der SBB auf den Bahnstrom zurückzuführen seien, dürfe man den Strom- und Wärmebedarf für Gebäude und Anlagen nicht unterschätzen, weiss Reinhard. Aber auch den kantonalen Energiegesetzen, wie dem Grossverbraucherartikel, gilt es Rechnung zu tragen. Hier kommt die EnAW ins Spiel, welche die SBB seit 2007 zuverlässig begleitet. Mit Erfolg: Aus der Zusammenarbeit mit der EnAW resultieren jährliche Einsparungen von rund 60 Gigawattstunden Energie. Das entspricht ungefähr dem Energieverbrauch aller Haushalte der Stadt Biel. Im Rahmen von 75 Zielvereinbarungen werden an Bahnhöfen, Bürostandorten und Werkstätten in der ganzen Schweiz kontinuierlich energetische Optimierungen vorgenommen. Für die Koordination der rund 4150 Energieeffizienzmassnahmen ist Reinhard divisionsübergreifend zuständig. 4150? Ja. Und es werden immer mehr. So zum Beispiel auf dem Areal rund um den Zürcher Hauptbahnhof. Hier kommt nämlich nicht nur das breite Streckennetz der SBB zusammen, sondern auch die verschiedenen Divisionen. Aufgrund der vielen Verbraucher hängt das ganze Areal an einem eigenen Stromversorgungsnetz, einem sogenannten Mittelspannungsring, welcher die Standorte der verschiedenen Divisionen energietechnisch verbindet. Und das ist nicht das Einzige, was der Zürcher Hauptbahnhof verbindet.
NEUE ÄRA
Ein neuer Bahnhof, ein neuer Tunnel und zwei neue Brücken: Die Zürcher Durchmesserlinie ist ein Generationenprojekt und eines der grössten Bauwerke im Bahnsystem Schweiz. Die Durchmesserlinie verbindet Altstetten, den Zürcher Hauptbahnhof und Oerlikon. «Mit ihr brach auch in Sachen Energieeffizienz eine neue Ära an», erinnert sich Thomas Sommer. Der EnAW-Berater der SBB kennt sämtliche Energiefresser und Einsparpotenziale am Zürcher Hauptbahnhof. Gerade die klassischen Haustechnikanlagen wie die Beleuchtung, Lüftung und Kälte seien aufgrund der Vielzahl an Ladenlokalen besonders energieintensiv. «Die Durchmesserlinie löste am Hauptbahnhof Zürich eine Reihe von Massnahmen rund um die Beleuchtung und Kälteversorgung aus», so Sommer. Zuvor musste sich jeder Gewerberaum individuell um seine Kühlung kümmern. «Jede Kältemaschine produzierte auch Abwärme, die wiederum im Laden landete und nicht genutzt werden konnte», erzählt Sommer. Heute wird die Kälte zentral und effizient generiert und verteilt – anstatt Strom sorgt das Limmatwasser als erneuerbare Energiequelle für optimale Konditionen. Das rechnet sich: Sowohl bei der Beleuchtung als auch der Kälteversorgung spare die SBB bereits je über 500 Megawattstunden Energie. Und was merken die Kunden? «Das Ziel ist es, dass durch das Energiesparen keine Komforteinbussen entstehen», so Reinhard.
GESCHICKTER PILOT
Was die Passagiere aber sehr wohl zur Kenntnis nehmen, sind verschmutzte Wagons oder defekte Toiletten. Im Reparaturcenter Zürich-Altstetten beheben rund 200 Mitarbeitende Schäden an Einzelwagen und Lokomotiven. Von der Entfernung von Graffitis über die Entkalkung an WC-Systemen bis hin zu modularen Revisionen – und das in teilweise über 100 Jahre alten Gebäuden. Michel Ryser kümmert sich als Fachspezialist für Energie und Umwelt bei der Division Personenverkehr um das Energie- und Anlagenmanagement und weiss: In Altstetten werden nicht nur die Züge auf Vordermann gebracht. So wurde die grosse Werkhalle vor drei Jahren saniert und die Gebäudehülle auf den gesetzlichen Standard gebracht. «Die Herausforderung ist dabei, den denkmalgeschützten Gebäuden und Anforderungen Rechnung zu tragen», so Ryser. Aber auch eine energieeffiziente Arbeitsweise wird grossgeschrieben. Der Schlüssel zum Erfolg? Pilotieren. Denn gerade bei einem Unternehmen mit so vielen Standorten, Fachgebieten und Ansichtsweisen wirken Erfolgszahlen und Erfahrungsberichte überzeugend. «So zum Beispiel beim Projekt Grubenbeleuchtung», erzählt Ryser. «Die Züge in den Serviceanlagen stehen auf Unterhaltsgleisen, damit von unten an den Fahrzeugen gearbeitet werden kann. Bis vor Kurzem waren diese Gleise häufig permanent beleuchtet. Da aber nicht ständig unter den Zügen gearbeitet wird, suchten wir nach einer einfachen Lösung, den Stromverbrauch zu reduzieren.» In Genf und Luzern setzte man deshalb Zeitschaltuhren ein, um den Stromverbrauch zu optimieren. Ein Pilotprojekt, das aufzeigt, wie mit kleinem Aufwand spürbare Ergebnisse erzielt werden können. «Die Ergebnisse dienten als Legitimation zur aktuellen schweizweiten Umsetzung solcher Massnahmen», so Ryser.
GRÜNE WELLE IM BAHNVERKEHR
Apropos Legitimation: Egal zu welcher Jahreszeit – die Temperatur in Zügen ist ein heikles Thema. Ähnlich wie beim Pilotieren setzt die SBB deshalb auch in diesem Thema auf positive Resonanz. So testete die SBB im Januar 2018, wie eine Temperaturabsenkung um zwei Grad in den Zügen der Zürcher S-Bahn bei den Reisenden ankommt. Aufgrund der positiven Rückmeldungen werden bald über 100 Fahrzeuge der Zürcher S-Bahn umprogrammiert. Das lohnt sich, rechnet die SBB doch mit jährlichen Einsparungen von 1.6 Gigawattstunden Strom. Doch nicht nur die Temperaturregelung birgt grosses Sparpotenzial. Auch die Fahrweise spielt eine wichtige Rolle, denn gerade ungeplante Stopps kosten enorm viel Energie. Nach dem Credo «wer bremst, verliert», klügelte die SBB deshalb das System der adaptiven Lenkung aus. Die sogenannte grüne Welle im Bahnverkehr optimiert per Dispositionstool den Fluss des ganzen Bahnverkehrs. «Besetzt ein Zug einen Streckenabschnitt, wird das dem nachkommenden Lokführer frühzeitig mitgeteilt, sodass er rechtzeitig die Geschwindigkeit reduzieren und dem Konflikt aus dem Weg gehen kann», erklärt Reinhard. Das Ziel der adaptiven Lenkung sei also, unnötige Stopps zu vermeiden, damit die Pünktlichkeit zu erhöhen und Energie zu sparen. Eigentlich sei es wie beim Autofahren: «Über eine grüne Welle freut man sich immer», so Reinhard.
NÄCHSTER HALT: NACHHALTIGE ZUKUNFT
Damit die SBB auch in Sachen Energieeffizienz und Produktion von neuen erneuerbaren Energien pünktlich ans Ziel kommt, sollen mit dem neu lancierten Teilprogramm «neue erneuerbare Energien» bis 2030 jährlich 30 Gigawattstunden Solarstrom produziert werden. Die Fahrt vom Zürcher Hauptbahnhof nach Altstetten zeigt gleich zweifach: Auch hier ist die SBB gut auf Kurs. Denn auf den Serviceanlagen Herdern und Altstetten sind bereits Photovoltaikanlagen installiert. «Nachhaltiger Umgang mit wachsender Mobilität» lautet das firmeninterne Credo. Die wachsenden Passagierzahlen, der stetige Preisdruck sowie die Aufrechterhaltung der Servicequalität münden in einer zunehmenden Komplexität. Auch im Zusammenhang mit der Elektromobilität stehe das bundesnahe Unternehmen vor neuen Herausforderungen: «Durch das Elektroauto schrumpft unser Umweltvorteil gegenüber der Strasse etwas», so Ryser. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, bleibt die SBB deshalb mit viel Engagement daran und stellt so die Weichen für eine nachhaltigere Zukunft.
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Fakten
Das Wichtigste in Kürze
Energieeffizienz steigern und erneuerbare Energien fördern: Gemeinsam mit anderen bundesnahen Unternehmen trägt die SBB im Rahmen der Initiative Energie-Vorbild (VBE) die Energiestrategie 2050 mit.
2012 hat die SBB dafür ein eigenes, umfassendes Energiesparprogramm auf die Beine gestellt.
Auch die Zusammenarbeit mit der EnAW trägt Früchte: 60 Gigawattstunden Energie spart die SBB dadurch jährlich ein.