Die 23. EnAW-Fachtagung fand an der ETH Zürich statt. In einem vollen Hörsaal mit rund 400 Teilnehmenden kamen die neuesten Ergebnisse aus der Forschung zur Sprache, der Spass an der Sache, aber auch die Sorge um die wachsenden Regulierungen.
«Das für 2050 gesetzte Netto-Null-Ziel ist nur mit gescheiten, pragmatischen Lösungen zu erreichen – genau solche erwarten die Mitglieder von uns», sagte EnAW-Präsident Rudolf Minsch zur Einleitung, und er fügte hinzu: «Wir brauchen Flexibilität, damit wir den Job gut machen können.» Diese Aussage sollte nicht der letzte Hinweis auf die wuchernden Regulierungen bleiben.
Dabei gab es auch sehr gute Nachrichten: So berichtete Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor der Swissmem, dass die Schweizer Tech-Branche den CO2-Ausstoss seit 1990 bereits um 55 Prozent reduziert hat. Allein im Jahr 2023 reduzierten die mittlerweile 4764 EnAW-Teilnehmenden 818 537 Tonnen CO2 und über 5 Millionen Megawattstunden Energie, wie EnAW-Geschäftsführer Frank R. Ruepp feststellte.
Trotzdem liessen die Redner keine Zweifel daran, dass die Energiewende einer Herkulesaufgabe gleichkommt. Die Industrieunternehmen, die weiterhin 37 Prozent ihrer Energie aus fossilen Quellen beziehen, haben riesige Investitionen zu schultern. Gleichzeitig muss sich nicht nur die exportabhängigen Branchen mit einem «regulatorischen Tsunami» aus der EU und einem «Förderdschungel» im Inland arrangieren, ohne dabei die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Weitere Belastungen entstehen unter anderem durch die steigenden Anforderungen an die Cybersicherheit, an die Nachhaltigkeitsberichterstattung oder durch steigende Energiepreise.
Roger Steiger, Head of Technological Services der SFS Group, liess sich die Zuversicht nicht nehmen. «Der Fokus auf Technologie macht Spass. Aber er wäre noch grösser, wenn wir weniger Regulierungen hätten.» Urs Furrer, der neue Vize-Präsident der EnAW meinte lakonisch: «Wenn es die EnAW nicht gäbe, wäre der Einfluss des Staates noch viel grösser.»
Das Nachtmittagsprogramm stand – getreu dem Veranstaltungsort – im Zeichen der Wissenschaft. Christian Schaffner, Direktor des ETH Energy Science Centers zeichnete anhand von Modellrechnungen ein sehr greifbares Bild vom Umbau der Energieversorgung, in der er auch für die Schweizer Wirtschaft eine grosse Chance sieht. Stefan Bertsch, Leiter Institut für Energiesysteme OST, erklärte, wie Industrieunternehmen dank einer konsequenten Datenerhebung für sich optimale Lösungen finden können.
Tobias Schmidt, Leiter Institute of Science Technology and Policy ETH, führte aus, warum längerfristig auch in der Industrie die meisten Emissionen vermeidbar sind und DACCS (Direct Air Carbon Capture and Storage) sehr bedeutsam werden könnte. Sehr einfach umsetzbare Tipps für klimaschonendes Bauen bot Guillaume Habert, ETH-Professor für Bau, Umwelt und Geomatik. Häufig sind Renovationen CO2-effizienter als Neubauten.
Wie umfassend das Thema Netto-Null 2050 im Alltag bewegt, war auch an der Breite und Intensität der Podiumsdiskussionen zu erkennen, die Sonja Hasler gekonnt moderierte. Zur Sprache kamen neben höheren Energiepreisen und bürokratischen Hürden für klimaschonende Investitionen das ungeklärte Verhältnis mit der EU, mit der die Schweiz «technisch verheiratet» ist. Weiter bereitet Sorge, dass die guten Leistungen der Wirtschaft im Klima- und Umweltschutz in der Bevölkerung nicht genügend wahrgenommen werden.
Eine nachdenklich stimmende aber unterhaltsame Tageszusammenfassung lieferte der Philosoph und Publizist Ludwig Hasler. Der Aufstieg der Schweiz habe einst mit der für unmöglich gehaltenen Überwindung der Berge begonnen, mit dem Bau von Tunneln und Brücken. Für den Fortschritt braucht es Mut, aber auch Spass an der Sache: «Wir sind wie Sisyphos unterwegs, aber im eigenen Auftrag» (frei nach Albert Camus).
Zum Abschied bekamen die Besucherinnen und Besucher eine Reiseapotheke geschenkt. Sie steht laut Geschäftsführer Frank Ruepp symbolisch für die Vision der EnAW, ihren Mitgliedern ein verlässlicher Partner in der Bewältigung der Energiewende zu sein: «Schliesslich geht es darum, für alle Fälle bereit zu sein.»
«Wir brauchen Flexibilität, damit wir den Job gut machen können.» Prof. Dr. Rudolf Minsch
«Die Suffizienz ist eine Verarmungsstrategie und politisch nicht umsetzbar. Wir setzen voll auf Technologie.» Dr. Jean-Philippe Kohl
«Der Fokus auf Technologie macht Spass – sogar noch mehr, wenn wir weniger Regulierungen hätten.» Roger Steiger
«Mit jeder Investition werden wir energieeffizienter und nachhaltiger» Frank R. Ruepp
«Wenn es die EnAW nicht gäbe, wäre der Einfluss des Staates noch viel grösser.» Urs Furrer
«Eine in Europa integrierte Schweiz ist für die Versorgungssicherheit am besten.» Dr. Christian Schaffner
«Es gibt nicht nur eine einzige richtige Lösung.» Prof. Stefan Bertsch
«Es gibt gar nicht so viele wirklich schwer zu vermeidende Emissionen.» Prof. Dr. Tobias Schmidt
«Wir müssen Gebäude durch eine CO2-Linse und nicht mehr durch eine Energielinse betrachten». Prof. Dr. Guillaume Habert
«Wer keine Veränderung will, will eigentlich keine Zukunft, sondern eine Fristerstreckung für die Gegenwart.» Ludwig Hasler
Die EnAW-Fachtagung findet in diesem Jahr am 6. November statt. Veranstaltungsort ist die ETH Zürich.
Die diesjährige EnAW-Fachtagung wird im Rahmen der Energy Week @ ETH 2024 durchgeführt, die das Energy Science Center (ESC), Kompetenzzentrum der ETH Zürich für Energieforschung und -bildung, organisiert. Das definitive Programm der Fachtagung liegt noch nicht vor und folgt zu einem späteren Zeitpunkt. Wir würden uns aber sehr freuen, wenn Sie sich den Termin bereits heute reservieren könnten.
07.11.2024
Rund 350 Personen waren an der 22. EnAW-Fachtagung dabei, die am 7. November in Bern stattfand. Im Mittelpunkt standen Technologien, die zu mehr Effizienz und zur Dekarbonisierung verhelfen, die Versorgungssicherheit – und ein Regenschirm.
«Die EnAW wird Sie nicht im Regen stehen lassen»: Mit diesen Worten wandte sich EnAW-Präsident Rudolf Minsch ans Publikum im Berner Kursaal und spannte dazu den neuen EnAW-Regenschirm auf. Ein Bild, das passender nicht hätte sein können, sehen sich die Unternehmen, die bei der EnAW mitmachen, doch mit allerlei Herausforderungen konfrontiert. «Eine der grossen Herausforderungen ist natürlich die Energiekrise», präzisierte Moderator Urs Gredig. Hinzu komme die Umwandlung der Wirtschaft in Bezug auf die Energiestrategie. Und auch die EnAW befindet sich herausfordernden Zeiten, wie Minsch ausführte. «Insbesondere das Regulatorische ist noch nicht ganz geklärt», sagte er. «Wir wissen noch nicht genau, wie es weitergeht.» Er machte aber auch klar, dass sich die EnAW trotz der Turbulenzen nicht von ihrem Weg abbringen lässt: «Wir sind überzeugt davon, dass es die EnAW mit ihren hochqualifizierten Beraterinnen und Beratern braucht, damit die Unternehmen möglichst wenig Bürokratie haben und gute Lösungen umsetzen können.»
Gute Lösungen sind also gefragt. Und solche bekam das Publikum im Berner Kursaal denn auch präsentiert: Mirko Bothien, Schwerpunktleiter Erneuerbare Energien bei der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), ist beispielsweise klar der Meinung, dass Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen wird und eine Wasserstoffstrategie für die Schweiz unabdingbar ist. Patrick Fehlmann, Geschäftsleiter bei der DM Energieberatung AG und auch EnAW-Berater, erklärte wiederum, warum es wichtig ist, dass Unternehmen Motoren und Antriebe im täglichen Betrieb genauer unter die Lupe nehmen, was die Energieeffizienz anbelangt. Tobias Helbling, Head of Energy Consulting bei der ANYTHERM AG, legte in seinem Referat dar, wie Abwärme genutzt werden kann. Cordin Arpagaus, Senior Research Engineer an der Fachhochschule Ostschweiz (OST), zeigte, in welchen Bereichen Hochtemperatur-Wärmepumpen zur Anwendung kommen können. Und Jörg Jermann, Leiter Vertrieb & Service bei der Integrierte Wärme und Kraft AG (IWK), erläuterte die Vorteile der Wärmekraftkopplung.
Doch an der Fachtagung ging es nicht nur um rein technische Lösungen, sondern auch um Klimaschutzinitiativen wie etwa die Science Based Targets initiative (SBTi). Mit Holger Hoffmann-Riem, Projektleiter SBTi Go for Impact, und Philippe Goffin, Weisskopf Partner GmbH und Projektleiter SBTi bei der EnAW, erklärten gleich zwei Experten, wie Unternehmen von SBTi profitieren können. Und dann kam das Thema, das bei der letztjährigen Fachtagung im Zentrum gestanden hatte: die Sicherstellung der Energieversorgung im Winter. Dazu referierte Daniela Decurtins, Direktorin des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie (VSG). «Mein Puls war letztes Jahr etwas höher als heute», fasste sie die gegenwärtige Situation zusammen und zählte einige positive Signale auf, die derzeit gegen eine Mangellage sprechen. Aber komplett gebannt ist die Gefahr nach Decurtins’ Einschätzung nicht. Aus der angespannten Situation im vergangenen Jahr zog die VSG-Direktorin zudem eine wichtige Lehre: «Es ist nicht selbstverständlich, dass immer genügend Energie vorhanden ist.»
Bei Frank R. Ruepp aber schon. Der künftige EnAW-Geschäftsführer stellte sich im Anschluss an Decurtins’ Rede dem Publikum vor und hob dabei die Vorteile der EnAW hervor. Nach der obligaten Podiumsdiskussion erzählte dann der erfolgreiche Rennrollstuhlsportler Heinz Frei seine berührende Geschichte und verriet, wie er trotz seiner Querschnittslähmung den Glauben an sich selbst nicht verloren und dadurch unzählige Medaillen an den Paralympics gewonnen hatte.
Zum Abschluss holte Rudolf Minsch dann noch Erich Kalbermatter und Thomas Weisskopf auf die Bühne. Die beiden bisherigen Geschäftsführer der EnAW werden per Ende Jahr in Pension gehen. Ihnen gehörte der Schlussapplaus im Berner Kursaal. Und der EnAW-Regenschirm? Der wurde den Besucherinnen und Besuchern beim Ausgang geschenkt – als Erinnerung an diese spannende 22. Ausgabe der EnAW-Fachtagung.
Speziellen Dank gebührt Thomas Weisskopf und Erich A. Kalbermatter für das langjährige Engagement.
07.11.2024
Die Science Based Targets initiative (SBTi) ist eine internationale Klimaschutzinitiative und fordert Unternehmen zur Umsetzung von freiwilligen Klimazielen auf. Die sogenannten Science Based Targets spezifizieren, in welchem Ausmass und bis wann die Unternehmen ihre Treibhausgasemissionen senken müssten, um im Einklang mit dem Pariser Abkommen die globale Erwärmung auf 1.5 °C zu begrenzen.
Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind am Mittwoch an die 21. EnAW-Fachtagung nach Bern gekommen. Die drohende Energiemangellage war zwar das aktuelle Thema. Doch sie konnte die grossen klimapolitischen Ziele nicht in den Hintergrund rücken.
Bern, Mittwoch, 19. Oktober. Am Aufhänger fehlte es der 21. EnAW-Fachtagung definitiv nicht. Das machte der Moderator Urs Gredig schon bei der Begrüssung deutlich: «Das Thema Energie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.» EnAW-Präsident Rudolf Minsch pflichtete ihm bei: «Energie ist heute das Top-Thema.» Nur logisch also, wurde im Verlaufe des Tages neben der Herausforderung des Netto-Null-Emissionsziels bis 2050 auch die aktuell drohende Strom- und Energiemangellage thematisiert.
Der Morgen stand im Zeichen einer Auslegeordnung. Reto Burkard, Abteilungschef Klima des Bundesamts für Umwelt, zeigte in seinem Referat den politischen Fahrplan zu Netto-Null auf. Brigitte Buchmann, Direktionsmitglied der EMPA, betrachtete die Frage aus forschungstechnischer Sicht, während Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, die aktuelle Lage aus der Sicht der Wirtschaft unter die Lupe nahm. Sie waren sich einig: In der gegenwärtigen Situation können ausserordentliche Massnahmen notwendig werden. Allerdings darf an den längerfristigen Zielen nicht gerüttelt werden.
Im zweiten Teil rückte die Praxis ins Zentrum. Mit Fritz Scheidegger, Director Facility Management und Maintenance bei der Comet AG, die Hochfrequenz- und Röntgentechnologie herstellt, zeigte ein Vertreter aus der Wirtschaft konkret auf, wie die Firma den CO2-Ausstoss auf praktisch Null reduzieren konnte. Stefan Eggimann, Leiter KMU-Modell bei der EnAW, stellte derweil die Roadmap zur Dekarbonisierung vor, die vor einem Jahr von der EnAW lanciert worden war. Und Almut Sanchen skizzierte das neue EnAW-Angebot zur Steigerung der Ressourceneffizienz, für das die Ingenieurin bei der EnAW zuständig ist.
Das Schlussreferat gehörte noch einmal der Aktualität. Urs Näf, Leiter Fachbereich Industrie, Wirtschaftliche Landesversorgung, erklärte ausführlich die Konsequenzen einer Strommangellage, illustrierte Tipps und rief die Unternehmen auf, Vorbereitungen jetzt zu treffen. Seine Prognose: «Die schwierige Zeit wird erst noch kommen.»
Dafür, dass die Veranstaltung mit einer weniger ernsten Note endete, sorgte der Zauberer Lionel Dellberg. Im Schlussbouquet verblüffte der wortgewandte Walliser die Anwesenden unter anderem mit einem Zauberwürfel und einer Milchpackung, aus der er wahlweise Coca-Cola, Wasser und Fendant ausschenkte. Er hätte den abschliessenden Apéro kaum besser einläuten könnten.
… die EnAW pro Woche rund 30 Beratungen im Zusammenhang mit der Energiemangellage durchführt?
… die durchschnittliche Temperatur in der Schweiz seit Messbeginn 1871 um 2 Grad gestiegen ist?
… mit einer Photovoltaikanlage von 800 auf 800 Kilometer in einer Wüste der Energiebedarf der ganzen Welt gedeckt werden könnte?
… diese Fachtagung klima- und energieneutral war?
… der schweizerische CO2-Emissionsausstoss pro Kopf in den letzten 30 Jahren um 40 Prozent gesunken ist?
… die EnAW schon 24 Roadmaps zur Dekarbonisierung erstellt hat?
… die Comet AG im Bereich der Hochfrequenztechnologie zur Herstellung von Microchips Weltmarktführer ist?
… in einem 1.2-Tonnen schweren Auto 36 Tonnen Ressourcen stecken?
… in der Schweiz in fünf Kantonen (Zürich, Waadt, Bern, Basel-Stadt, Basel-Land und Solothurn) mehr als 50 Prozent des nationalen Gasbedarfs verbraucht werden?
… 99 Prozent des Gases importiert werden und keine inländische saisonale Speicherkapazität besteht?
07.11.2024
Mit über 430 Teilnehmenden aus der ganzen Schweiz haben wir an der 20. EnAW-Fachtagung die letzten 20 Jahre Revue passieren lassen, uns von spannenden Referaten rund um das Thema Dekarbonisierung inspirieren lassen und den Blick in die Zukunft gewagt.
Der Geruch nach Kaffee lag bereits in der Luft, als sich am Vormittag vom 10. November 2021 nach und nach die über 430 Teilnehmenden zur grossen Jubiläumsfachtagung im Kursaal in Bern einfanden. Von altbekannten über neue Gesichter: Nach einer langen, veranstaltungstechnischen Dürreperiode war die Stimmung bereits zur frühen Stunde heiter.
Kurz nach neun Uhr startete der offizielle Teil der Jubiläumsfachtagung. Ab diesem Zeitpunkt jagte ein Highlight das nächste. Deshalb packen wir auch das Resümee der Fachtagung – anlässlich des 20. Geburtstags – in 20 kurze und knackige Highlights. Viel Spass!
Rochus Burtscher erinnerte in seiner Rede an die Worte von Bruno Oberle, dem damaligen BAFU-Direktor: «Die EnAW hat die Kastanien aus dem Feuer geholt.» Im Deutschen bedeutet der Ausdruck einen Dienst erweisen, jemandem eine unangenehme Aufgabe abnehmen. Im Französischen bedeutet «tirer les marrons du feu», eine Situation zum eigenen Vorteil zu wenden. Die korrekte Bedeutung des Kompliments ist den französischen Rednern auf dem Forum wohl entgangen.
07.11.2024