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Mangellage

Risiko Mangellagen

22.09.2022

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Die sichere Energieversorgung beschäftigt die Schweiz. Unsere beiden Vorstandsmitglieder Michael Frank vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE und Daniela Decurtins vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG ordnen die Lage für Sie ein.

Strommangellage

Der Ukrainekrieg ist ein Game Changer, der ganz Europa in eine Energiekrise katapultiert hat. Das Risiko einer Strommangellage ist dadurch erst recht real und gross geworden.

Haben wir nächsten Winter genügend Strom? Es gibt Faktoren, die wir nicht allein beeinflussen und zu einer Strommangellage führen können. Betroffen wäre nicht nur die Schweiz, sondern grosse Teile Europas. Eine Strommangellage entsteht, wenn zu wenig Strom vorhanden ist, um den Verbrauch über mehrere Tage und Wochen zu decken. Ein kalter Winter ohne Wind und Sonne, unterdurchschnittlich gefüllte inländische Speicherseen, ausfallende Kraftwerke im benachbarten Ausland (Frankreich) sowie Cyberangriffe auf Kraftwerke und Stromnetze könnten zu einem ungeniessbaren Cocktail führen. Hinzu kommt der Ukrainekrieg und damit die Unsicherheit, inwiefern Europa weiterhin mit russischem Gas versorgt wird.

Kommt es zum Ernstfall, würde der Bundesrat – abhängig von der konkreten Krisensituation – Verordnungen mit Massnahmen in Kraft setzen, um das Gleichgewicht zwischen Stromproduktion und -verbrauch auf reduziertem Niveau sicherzustellen. So könnte er die einheimischen Kraftwerke zentral steuern und dadurch den Stromhandel aussetzen. Und er könnte verbrauchsreduzierende Massnahmen beschliessen. Dazu gehören freiwillige Sparappelle, Verbrauchseinschränkungen von energieintensiven Anwendungen, die Kontingentierung von Grossverbrauchern mit über 100 MWh Stromverbrauch (rund 30 000 Unternehmen) sowie, als Ultima Ratio, rollierende Netzabschaltungen.

Die Massnahmen träfen die Unternehmen stark. Viele sind schon energieeffizient unterwegs. Im Ernstfall müssten sie ihren Stromkonsum je nach Situation deutlich reduzieren. Daher ist es entscheidend, dass sie eigenverantwortlich Krisenpläne vorbereiten, die sie im Ernstfall aus der Schublade ziehen können. Die Verteilnetzbetreiber als Teil der OSTRAL dienen als Kontaktstelle für die Unternehmen. Die Rückmeldungen zeigen, dass die Firmen ernsthaft bemüht sind, Sparpotenzial im eigenen Betrieb zu identifizieren. Denn dieses ist je nach Branche und Firma unterschiedlich. Auch naheliegende Massnahmen, wie die Lüftung abschalten oder die Raumtemperatur senken, können Teil der Lösung sein.

Jede Kilowattstunde zählt, auch die eingesparten. Ein effizienter und sorgsamer Umgang mit Energie ist schon heute und erst recht im Hinblick auf den Winter oberste Maxime. Wir alle können dazu beitragen, die Energiekrise zu bewältigen und den potenziellen Schaden in Grenzen zu halten.

Über den Autor

Michael Frank ist Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE und Mitglied des EnAW-Vorstands. Der VSE setzt sich ein für eine sichere, wettbewerbsfähige und nachhaltige Stromversorgung in der Schweiz.


Gasmangellage

Die Gefahr, dass es im Winter zu einer Gasmangellage kommt, kann nicht ausgeschlossen werden. Der Bund und die Gaswirtschaft arbeiten daran, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.

Es ist ein denkbares Szenario, dass in absehbarer Zeit gar kein Gas mehr aus Russland nach Europa geliefert wird und die Gasspeicher nicht plangemäss gefüllt werden können. Dies könnte auch in der Schweiz zu einer Gasmangellage im Winter führen. Um darauf vorbereitet zu sein, hat der Bundesrat im März die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, dass die Gaswirtschaft die Beschaffung gemeinsam angehen kann. Inzwischen haben die Regionalgesellschaften mit Erfolg das Konzept zur Stärkung der Gasversorgungssicherheit umgesetzt. Es sieht zum einen die Einrichtung einer physischen Gasreserve in Gasspeichern der Nachbarländer und zum andern die Beschaffung von Optionen für zusätzliche nicht russische Gaslieferungen vor. Die Gaswirtschaft verfolgt das Ziel, bestehende Abhängigkeiten von russischem Gas zu reduzieren und mittelfristig unabhängig davon zu werden. Dabei müssen die Bezugsmöglichkeiten breiter abgestützt werden. Ein kritischer Punkt dabei ist, dass das Gas in einer Mangellage auch tatsächlich in die Schweiz gelangt. Es ist unabdingbar, dass der Bund seine Bemühungen hochhält, zwischenstaatliche Vereinbarungen, insbesondere mit Deutschland, Frankreich und Italien, zu treffen.

Falls in der Schweiz eine Mangellage eintreten sollte, die von der Gasbranche nicht mehr mit marktwirtschaftlichen Lösungen behoben werden kann, trifft die wirtschaftliche Landesversorgung die notwendigen Bewirtschaftungsmassnahmen. In einem ersten Schritt würde der Bund die Verbraucher mittels Sparappellen aufrufen, den Gasverbrauch zu reduzieren. Gleichzeitig kann der Bund den Firmen mit Zweistoffanlagen die Umstellung von Gas auf Heizöl vorschreiben. Als weitere Massnahme kann der Bundesrat Einschränkungen für gewisse Anwendungen beschliessen, zum Beispiel verbindliche Beschränkungen der Heiztemperatur in öffentlichen Gebäuden oder in Büros anordnen. Schliesslich kann der Bund bei einer anhaltenden Mangellage auch Kontingentierungen anordnen. Davon wären nach aktuellem Stand Anfang September alle Anlagen betroffen, die nicht zu den sogenannten geschützten Verbrauchern zählen. Zu den geschützten Verbrauchern gehören Privathaushalte, Fernwärmeanlagen für Privathaushalte und grundlegende soziale Dienste. Zu Letzteren zählen auch Spitäler, Energie- und Wasserversorgung sowie Blaulichtorganisationen.

Im Auftrag des Bundes ist der Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG daran, die KIO Gas aufzubauen. Dies ist die Kriseninterventionsorganisation für die Gasversorgung in ausserordentlichen Lagen. Sie untersteht der wirtschaftlichen Landesversorgung des Bundes und wird auf deren Anweisung aktiv. Die KIO Gas hat die Aufgabe, die aktuellen Entwicklungen zu beobachten und bei einer Gasmangellage die Netzbetreiber bei der Umsetzung der vom Bund angeordneten Bewirtschaftungsmassnahmen zu unterstützen. Mehr Informationen dazu sind auf der Website kio.swiss zu finden.

Über die Autorin

Daniela Decurtins ist Direktorin des Verbands der Schweizerischen Gasindustrie VSG und Mitglied des EnAW-Vorstands. Der VSG vertritt die Interessen der Schweizer Gaswirtschaft. Eines der Hauptziele der Branche ist, die Gasversorgung bis 2050 zu dekarbonisieren.

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