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Netto-Null: Diskutieren Sie mit Experten am ZCMA-Event

Wie kann die Privatwirtschaft ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten? Erfahren Sie mehr und diskutieren Sie mit Experten aus verschiedenen Branchen am ZCMA-Event am 31. Mai 2023.

Freuen Sie sich auf Inputreferate, World Café und Podiumsdiskussion. Besonders interessant: Philippe Goffin von der EnAW stellt die Roadmap zur Dekarbonisierung vor. ZCMA-Mitglieder nehmen kostenlos teil, Nicht-Mitglieder zahlen 50 Franken inklusive Netzwerkapéro. Jetzt anmelden und dabei sein!

Viele Gewerbe- und Industriebetriebe verfügen über einen hohen Wärmebedarf, gleichzeitig aber auch über eine hohe Abwärmemenge auf tiefem Temperaturniveau. Das birgt Potenzial zur Optimierung.

Kann die Abwärme wirtschaftlich genutzt werden, anstatt sie einfach an die Umgebung abzugeben oder sogar kostspielig zu «entsorgen»? Wo starte ich mit der Optimierung? Das sind keine trivialen Fragen, vor allem die zweite nicht, da es verschiedene Lösungsansätze gibt. Bei der EnAW setzen wir auf sechs Massnahmenfelder, die auf dem Weg zur Dekarbonisierung Orientierung bieten. Sie sind nicht einzeln bzw. voneinander unabhängig zu verstehen, sondern müssen kombiniert betrachtet werden: Effizienzmassnahmen sind der erste Schritt zur Dekarbonisierung. Aufbauend auf Effizienzmassnahmen können beispielsweise Prozess- und Technologieänderungen umgesetzt und abschliessend der Einsatz neuer emissionsfreier Energieträger eingeleitet werden. Eine mögliche Massnahme dafür ist der Wechsel von Dampf auf Heisswasser oder noch besser auf noch tiefere Temperaturen respektive der punktuelle Einsatz eines (elektrischen) Schnelldampferzeugers.

Temperaturabsenkung birgt Potenzial

Einer der Schlüssel zur Dekarbonisierung liegt in der Temperaturabsenkung von Prozessen und der Integration von Abwärme. Bevor mit der Planung der Prozesstechnik und der Kombination mit dem erneuerbaren Wärme-/Kälteerzeugungssystem gestartet werden kann, gilt es alle relevanten Wärme- und Kälteflüsse im Betrieb zu erfassen. Als Basis dient idealerweise die PinCH-Analyse. Sie gibt einen Überblick über alle energetischen Ströme und zeigt auf, wie sie über Wärme- und Kältenetze verknüpft werden können. Ihre Umsetzung bleibt jedoch trotz Fördergeldern kostenintensiv und lohnt sich vor allem für energieintensive Betriebe. Als Alternative für KMU bietet die EnAW innerhalb der Web-Applikation «Roadmap zur Dekarbonisierung» ein thermisches Fingerprinting an. Dies ermöglicht den Unternehmen, einen raschen Überblick über die Wärme-Abwärme-Situation auf Jahresbasis zu erhalten. Dabei werden die relevanten Wärme- und Kälteflüsse protokolliert und grafisch übersichtlich aufgezeigt. Bei der Erfassung der thermischen Verbraucher sind die Prozesstemperaturen ein wichtiger Punkt. Hier gilt es immer auch die Frage zu klären, ob sich die Temperaturen im Sinne einer Effizienzsteigerung anpassen lassen (Absenken bei Wärme, Erhöhen bei Kälte): Benötigt der Prozess 95 Grad Celsius oder reichen 85 Grad Celsius aus? Können die Anlagen von Dampf auf tiefere Temperaturen vollständig oder partiell umgestellt werden? Kann Kälte bei 12 statt 7 Grad Celsius bereitgestellt werden? Gibt es andere Verfahrens- oder Prozesstechnologien, die eingesetzt werden können?

Thermischer Fingerprint illustriert Potenzial

Sind die Prozesstemperaturen identifiziert und optimiert, geht es ans Eingemachte. Mit dem Thermischen Fingerprint wird das Jahrespotenzial für die Wärmerückgewinnung aus Abwärme ersichtlich. Abwärme liegt meist gebunden in Luft-, Gas- oder Flüssigkeitsströmen oder in Form von diffuser Strahlungswärme vor. Je niedriger in einem nachgeschalteten Prozess die Temperatur für eine Wärmenutzung ist, desto mehr Abwärmequellen kommen infrage. Dazu zählt zum Beispiel Abwärme aus Produktionsmaschinen oder -anlagen, Abwasser, Kühlanlagen, Kühlung von Serverräumen und Motoren oder die in Produktionshallen anfallende Abluft. Jedoch muss die Temperatur der Abwärmequelle grundsätzlich höher liegen als die Temperatur, die der Wärmeverbraucher benötigt. Die Nutzung wird umso wirtschaftlicher, je höher die Temperaturdifferenzen und damit die übertragbaren Wärmeleistungen sind. Nun gilt es diese Erkenntnisse mit den Informationen über die Produktionsabläufe zu kombinieren: Handelt es sich um Batch-Prozesse, wird in einer oder mehreren Chargen pro Tag produziert oder sind es kontinuierliche Prozesse? Je nach Prozessart kann das Unternehmen mit einer direkten Wärmerückgewinnung über einen Wärmetauscher arbeiten. Oder es benötigt einen thermischen Speicher als Puffer, um Abwärme oder Kälte über einen gewissen Zeitraum zu puffern, bevor sie verwendet werden kann. Reicht das Temperaturniveau von Abwärmeströmen nicht für eine direkte Nutzung, dann können sie als Quelle für eine Hochtemperatur-Wärmepumpe genutzt werden. Die Hochtemperatur-Wärmepumpe ist Bestandteil vieler Forschungsprojekte und auch schon als Serienprodukt bei diversen Herstellern verfügbar.

Beispielhafte Wärme-/Abwärmekurve und Thermischer Fingerprint eines Unternehmens.

Thermische Speicher dimensionieren

Wird ein erneuerbares Wärmeerzeugungssystem, wie beispielsweise ein Fernwärmeanschluss, ein Pellet- oder Holzschnitzelkessel beziehungsweise eine Wärmepumpe, analog eines Gas- oder Ölkessels dimensioniert, hat man meist unweigerlich ein überdimensioniertes, teures und ineffizientes System. Denn die erneuerbaren Wärmeerzeugungssysteme sind pro zusätzliche Kilowatt Heizleistung viel teurer. Insbesondere bei Holzfeuerungen und Wärmepumpen ist ein möglichst kontinuierlicher, nicht taktender Betrieb erwünscht – Stichwort: Abgase und Feinstaubproduktion bei Holzfeuerungen und hohe Anfahrverluste bzw. mechanische Belastung des Kompressors bei Wärmepumpen. Hierfür berechnet das technische Dimensionierungs-Tool «ProCalor», das in die EnAW-Web-Applikation Roadmap zur Dekarbonisierung integriert wird, eine korrekte Auslegung der neuen Wärmeerzeugung plus Pufferspeicher, um diese Bedarfsspitzen zu reduzieren.

Fazit

Was heisst das nun für Gewerbe- und Industriebetriebe? Insbesondere Betriebe, die Temperaturen bis und mit ca. 120 Grad Celsius benötigen, lassen sich theoretisch mit bewährten Technologien vollständig dekarbonisieren. Bei höheren Temperaturen geht es kaum ohne Biomasse oder neue Energieträger wie zum Beispiel synthetische erneuerbare Energieträger. Mit intuitiven Tools und extensiver Fachberatung durch die Expertinnen und Experten gilt es, das vorhandene Wissen in der Praxis breit einzusetzen.


Stefan Eggimann

ist bei der EnAW Leiter des KMU-Modells, seit 2009 EnAW-Berater und Mitglied der Geschäftsleitung von Weisskopf Partner GmbH, wo er insbesondere für Industriepro-jekte zuständig ist.

Philippe Goffin

ist der EnAW-Projektleiter Science Based Targets initiative (SBTi) und ebenfalls bei Weisskopf Partner tätig.

Weitere Informationen

Holz gehört zu den ältesten Baustoffen der Menschheit. Schmuck, Werkzeuge, Fortbewegungsmittel und sogar Häuser von erstaunlicher Robustheit wurden seit jeher auch aus Holz gefertigt. Der Umgang will jedoch gelernt sein, denn Holz als lebendiger Werkstoff verändert sich je nach Umweltbedingung in verschiedene Richtungen. Ein echter Profi in Sachen Holzverarbeitung ist SWISS KRONO.

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Aus Tradition im Trend

Holz gehört zu den ältesten Baustoffen der Menschheit. Schmuck, Werkzeuge, Fortbewegungsmittel und sogar Häuser von erstaunlicher Robustheit wurden seit jeher auch aus Holz gefertigt. Der Umgang will jedoch gelernt sein, denn Holz als lebendiger Werkstoff verändert sich je nach Umweltbedingung in verschiedene Richtungen. Ein echter Profi in Sachen Holzverarbeitung ist SWISS KRONO. Das 1966 im luzernischen Menznau gegründete Unternehmen entwickelt seit über 50 Jahren industriell gefertigte Holzwerkstoffe von höchster Qualität. Die SWISS KRONO AG ist das Mutterwerk der international tätigen SWISS KRONO Group, welche seine Produkte in 120 Ländern vertreibt und im Jahre 2020 über zwei Milliarden Umsatz erwirtschaftete. Die Produkte der SWISS KRONO Group reichen von dekorativen Erzeugnissen für den Möbel- und Innenausbau («Interiors») über leistungsfähige Holzbaustoffe («Building Materials») bis hin zu Laminat in vielfältiger Ausprägung («Flooring»). Der Schweizer Standort SWISS KRONO AG ist auf die Bereiche «Interiors» und «Flooring» spezialisiert und hebt sich seit Jahren nicht nur in der Gruppe, sondern auch weltweit durch ihre Innovationen hervor.

Natürlich, nachhaltig und innovativ

Eine dieser Innovationen ist BE.YOND, die wohl weltweit umweltfreundlichste Spanplatte. «Dieses Produkt ist so besonders, weil es zu fast 100 Prozent aus nachhaltigen Stoffen besteht», erklärt Roger Braun, Standortleiter des Menznauer Werks. Denn nicht nur gewährt die Herstellung die nahezu komplette Nutzung eines Baumstammes, sondern auch der von SWISS KRONO eigens entwickelte Klebstoff ist organisch basiert. BE.YOND ist in seiner gesamten Herstellung besonders CO2-arm und erfüllt darüber hinaus höchste Anforderungen an die Raumqualität – wahrlich ein Gewinn für Mensch und Umwelt.

Auf eine nachhaltige Ressourcennutzung wird bei SWISS KRONO AG grossen Wert gelegt. Priorität hat der effiziente und auf Dauer bewahrende Umgang mit Holz. Rohstoffe bezieht das Unternehmen ausschließlich aus nachhaltiger Forstwirtschaft – und zwar möglichst lokal, um Transportwege zu minimieren. Grössere Distanzen werden vorrangig auf Schienen zurückgelegt. In der Produktion wird auf modernste Produktionsprozesse mit höchsten Effizienzstandards gesetzt. So auch in der Planung der Produktion. Kein einfaches Unterfangen in einem Betrieb, der 24 Stunden sieben Tage die Woche ausgelastet ist.

Gesamtheitlicher Ansatz für den Umweltschutz

SWISS KRONO setzt in Sachen Nachhaltigkeit an drei Punkten an: Energieträger, Energieeffizienz und Ressourcen. Zur Herstellung der Produkte bedarf es viel thermischer Energie – etwa beim Pressen von Spanplatten oder bei der Trocknung von Holzschnitzeln. Statt der Verwendung fossiler Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas heisst das Zauberwort hier Biomasse. SWISS KRONO hat eine eigene Recyclinganlage, in der Altholz und Holzabfälle sorgfältig sortiert werden und wo immer möglich, für die Produktion neuer hochwertiger Platten wiederverwendet wird. Material, das nicht wiederverwendet werden kann, wird in der hauseigenen Biomasseanlage verbrannt. So wird ein Grossteil der benötigten thermischen Energie – rund 90 Prozent – klimaneutral aus erneuerbaren Quellen gewonnen.

Um Energie effizienter zu nutzen, wurde unter anderem bei der Herstellung von Faserplatten eine Stopfschnecke integriert. Nach dem Kochprozess wird Wasser aus den Hackschnitzeln gepresst, sodass im Nachhinein weniger Energie für die Trocknung benötigt wird. Zuvor wurde der gesamte Wassergehalt mittels Hitze verdunstet. Zudem werden alle Maschinen mittels Frequenzregler optimal herauf- und heruntergefahren, ganz nach Bedarf.

In Sachen Ressourcen heisst es ebenfalls: Kreisläufe schliessen. In der MDF-Plattenproduktion werden überschüssige Fasern rückgeführt und wieder in den Produktionsprozess integriert.

Akribisch in Richtung Netto-Null

Der Massnahmenkatalog, den SWISS KRONO im Hinblick auf Nachhaltigkeit bereits umgesetzt hat, kennt Massnahmen von A bis Z. Mit ihrem Latein ist SWISS KRONO aber noch lange nicht am Ende. Um dem Netto-Null-Ziel noch einen Schritt näher zu kommen, wird SWISS KRONO den gesamten Betrieb demnächst einer Analyse unterziehen und damit mögliche Verbesserungspotenziale ausmachen – eine runde Sache für die Umwelt, SWISS KRONO und ihre Kunden.

Weitere Informationen

In der Webinar-Reihe «Nachhaltigkeit, Energie & Umwelt» von Swissmem wird am 7. September 2022 die «Roadmap zur Dekarbonisierung» vorgestellt: Dabei werden Knacknüsse beleuchtet und auf Praxisbeispiele eingegangen. Ferner wir aufgezeigt, warum gerade die EnAW-Mitglieder prädestiniert sind, ihre Klimaschutzanstrengungen mit einer Dekarbonisierungsstrategie zu erweitern. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme.

Weitere Informationen

Die natürli zürioberland ag strebt eine langfristig CO2-neutrale Produktion an. Gemeinsam mit der EnAW erarbeitet die Käseproduzentin und -vertreiberin deshalb eine Roadmap zur Dekarbonisierung.

Nicht nur der Käse braucht seine Zeit, bis er reif ist: Für die Dekarbonisierung auf Netto-Null braucht es eine gute Begleitung und eine langfristige Herangehensweise.

Im Käsekeller lagert und pflegt die natürli zürioberland ag verschiedene Käsespezialitäten aus der Region.

Ein hoher Wärmebedarf besteht beim Pasteurisieren, Thermisieren und Reinigen.

Intensiver Austausch: Bei der Bestandesaufnahme arbeiten der EnAW-Berater, der Roadmap-Experte und die natürli eng zusammen.

Die Produktequalität hat stets oberste Priorität.

Die Weichen richtig stellen: Für eine vollständige Dekarbonisierung müssen auch Prozess- und Technologieveränderungen in Betracht gezogen werden.

Die alte, umfunktionierte Militärhalle direkt neben dem Bahnhof Saland im Zürcher Tösstal wirkt von aussen unscheinbar. Doch was sich drinnen verbirgt, lässt «Käseherzen» höherschlagen: Rund 200 Tonnen Käse reifen im Tonsteingewölbekeller der natürli zürioberland ag, die hauptsächlich als Vertriebsnetz ausgewählter Käsespezialitäten und Milchprodukte agiert. Damit sichert natürli seit 26 Jahren die Existenz der Kleinkäsereien im Zürcher Oberland und pflegt die vielseitige regionale Käsekultur. Seit 2014 produziert natürli am Hauptsitz in Saland auch selbst Milchprodukte. 2018 kam die Produktion von Hüttenkäse dazu. Damit einhergegangen ist ein erhöhter Energiebedarf, denn die Produktion. von Hüttenkäse und Milchprodukten ist energieintensiv.

Fernziel Netto-Null

«Insbesondere beim Pasteurisieren, Thermisieren und Reinigen haben wir einen hohen Wärmebedarf, unter anderem, um die Hygienevorschriften in der Produktionskette einzuhalten», weiss Michael Ates. Er ist seit diesem Jahr als Leiter Facility-Management tätig und für das Gebäude und sämtliche technischen Anlagen zuständig. Bei der Herstellung diverser Milchprodukte wird die Milch kurzzeitig erwärmt, keimfrei und damit haltbar gemacht – also pasteurisiert. «Dafür brauchen wir Temperaturen von 73 bis 105 Grad Celsius», konkretisiert Ates. In der Hüttenkäseproduktion werden ungefähr 60 Grad Celsius benötigt, um den Magermilchbruch zu temperieren, damit er dick wird. Zudem müssen die Maschinen nach jedem Gebrauch sterilisiert und das Gebäude beheizt werden. Für das Sterilisieren wird Dampf benötigt. Auch das Wärmenetz ist derzeit auf Dampf ausgelegt. Erzeugt wird die Prozesswärme heute deshalb über einen mit Heizöl betriebenen Dampfkessel.

Auch wenn die meisten Temperaturen mit rund 70 Grad Celsius nicht sonderlich hoch seien, «haben wir einen monatlichen Heizölverbrauch von rund 4000 Litern», weiss Ates. Diese Zahl ist der natürli zürioberland ag ein Dorn im Auge: «Als Lebensmittelunternehmen mit regionaler Verankerung gehört Nachhaltigkeit zu unserer Firmen-DNA», sagt er. «Es ist für uns selbstverständlich, dass wir auch energetisch nachhaltig sein wollen.» Um diesem Anspruch gerecht zu werden, hat sich natürli das Ziel einer langfristig CO2-neutralen Produktion gesetzt.

Roadmap zur Dekarbonisierung

«Damit wir den Weg zu Netto-Null klug angehen können, sind wir angewiesen auf Expertise und eine sorgsame Planung», sagt Ates. Der Leiter Technik, Gino Barille, stimmt seinem Arbeitskollegen zu: «Eine gute Begleitung ist für uns zentral. Mit der EnAW haben wir einen verlässlichen Partner, um einen machbaren und bezahlbaren Plan zu erarbeiten», so Barille. Am Beginn der Zusammenarbeit mit der EnAW stand die Frage nach einem Wärmeverbund mit der Holzheizzentrale beim benachbarten Holzbauunternehmen, erinnert sich der EnAW-Berater Stefan Eggimann. «Das ist eigentlich eine sinnvolle Massnahme», sagt er. Allerdings stellte man bei natürli rasch fest, dass die technischen Voraussetzungen für eine Integration der Prozesswärme noch nicht gegeben sind. Mit einem Fernwärmeanschluss hätte natürli somit lediglich die Büroarbeitsplätze erneuerbar beheizen können, nicht aber die Produktionsprozesse.

Das Ziel einer CO2-neutralen Produktion muss in Saland also anders angegangen werden. Dafür erarbeitet die Firma im Rahmen eines Pilotprojekts gemeinsam mit ihrem EnAW-Berater Stefan Eggimann und dem Roadmap-Experten Roman Bader eine Roadmap zur Dekarbonisierung.

Nachhaltigkeit gehört zu unserer Firmen-DNA.

Michael Ates, Leiter Facility-Management

Umsetzbare Gesamtlösung bis 2050

Eine Roadmap ist eine langfristige Planung, die dem Unternehmen Wege zu Netto-Null bis 2050 unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Machbarkeiten aufzeigen soll. «Als Berater müssen wir die Bedürfnisse des Unternehmens verstehen und auf sie eingehen können», sind sich Eggimann und Bader einig. Potenziale und Risiken müssen richtig eingeschätzt werden. «Die Herausforderung liegt darin, alle relevanten technischen, wirtschaftlichen und weiteren Aspekte zu erfassen und zu einer Gesamtlösung zu entwickeln, die das Unter nehmen umsetzen kann», so Bader. Der Prozess zur Erstellung einer Roadmap folgt dabei einem typischen Ablauf (vgl. Grafik unter «Weitere Informationen»). Dabei sei das Bekenntnis zum Fernziel Netto-Null der erste wichtige Schritt, so Eggimann: «Es muss die Bereitschaft da sein, den Weg der Dekarbonisierung konsequent zu verfolgen.» Denn eine Roadmap zur Dekarbonisierung führt weiter als eine Zielvereinbarung, sowohl was den Zeithorizont an geht als auch was die Absenkung der Treibhausgasemissionen betrifft.

Aller Anfang ist eine Bestandesaufnahme

In einem ersten Schritt wird bei der Roadmap eine Bestandesaufnahme gemacht. Was sich nach einer simplen Momentaufnahme anhört, ist in Tat und Wahrheit eine umfangreiche Abklärung. «Wir müssen ganz genau verstehen, wie die Produktionsprozesse zusammenhängen», so Eggimann. Eine einzelne Begehung reiche dabei nicht aus, vielmehr bedinge es einen intensiven Austausch. Der EnAW-Berater und der Roadmap-Experte stehen deshalb in engem Kontakt mit natürli. «Wir mussten sogar ehemalige Mitarbeitende einbeziehen», sagt Bader. Und obwohl der Prozess noch in Gang ist, kann bereits eine erste Zwischenbilanz gezogen werden: «Da die Prozesswärme bislang über den Dampfkessel produziert wird, müssen wir gemeinsam mit natürli nach Lösungen suchen, wie diese künftig ohne den bestehenden fossilen Dampferzeuger bereitgestellt werden kann», sagt Eggimann. «Dabei stellte sich rasch heraus, dass ein hohes Abwärmepotenzial vorhanden ist, das mit Wärmepumpen nutzbar gemacht werden könnte», ergänzt Bader. Das sei in Betrieben wie Molkereien typisch, da einerseits Prozesswärme für die Produktion gebraucht wird und andererseits die Produkte gekühlt werden müssen. Letzteres geschieht bei natürli im Tonsteingewölbekeller, der nach dem Raum-im-Raum-Prinzip funktioniert und von Ates auch liebevoll «Käsetresor» genannt wird. «Lagert der Käse im Keller, braucht er vor allem Zeit und Liebe», schmunzelt Ates.

Geschickt kombinieren

Was ebenfalls Zeit braucht, ist die Dekarbonisierung auf Netto-Null. Für die Erstellung einer Roadmap zur Dekarbonisierung hat die EnAW eigens eine Methodik und darauf zugeschnittene Arbeitsmittel entwickelt. Denn eine Dekarbonisierung auf Netto-Null erfordert eine langfristige Herangehensweise: «Wir müssen uns überlegen, wie wir in 10, 20 und 30 Jahren in einer zunehmend fossilfreien Welt unsere Prozesse effizient und kostengünstig mit Energie versorgen werden», so Bader. Um Wege zu Netto-Null aufzuzeigen, werden alle der möglichen Massnahmenbereiche zur Dekarbonisierung in Betracht gezogen (vgl. Grafik unter «Weitere Informationen»). Dabei wird auch nach möglichen Prozess- und Technologieveränderungen Ausschau gehalten. Selbst die einzelnen Produkte werden unter die Lupe genommen. «Produktionsanlagen haben oft Lebenszyklen von 20 Jahren und mehr», erklärt Bader. «Um bis Mitte dieses Jahrhunderts vollständig zu dekarbonisieren, müssen bei Ersatzbeschaffungen bereits heute die Weichen richtig gestellt werden.»

Aber auch einfachere, kurz- bis mittelfristig umsetzbare Effizienzmassnahmen wie die Isolierung von Zuleitungen oder die Optimierung des Wärmeverteilnetzes werden berücksichtigt. Das zeigt: Eine Roadmap besteht aus einer Kombination von aufeinander abgestimmten Massnahmen, welche in der Summe kosteneffizient zu Netto-Null führen.

Technisch und wirtschaftlich machbar

Gerade bei längerfristigen Massnahmen spielt die technische und wirtschaftliche Machbarkeit eine grosse Rolle – so auch bei natürli. Denn auch wenn für die Käseproduzentin und -vertreiberin klar ist, dass am Netto-Null-Ziel kein Weg vorbeiführt, ist die Firma auf Planungssicherheit angewiesen: «Wir müssen unsere Produktequalität garantieren und die finanziellen Investitionen planen können», hält Ates fest. Deshalb ist es wichtig, die technische Komplexität und die Risiken einer Massnahme realistisch einzuschätzen. Bei Veränderungen an den Prozessen hat die Wahrung der Prozess- und Produktequalität sowie die Störungsfreiheit im Betrieb stets oberste Priorität. Bei neuen Energietechnologien muss gewährleistet werden, dass deren Potenzial auch langfristig Bestand hat. Zudem müssen die erforderlichen Temperaturen im Sommer wie im Winter erzeugt werden können. «Der technologische Fortschritt hat somit einen wichtigen Einfluss auf die Roadmap. Wir beobachten und evaluieren die Trends laufend», versichert Eggimann. Auch die wirtschaftliche Machbarkeitsanalyse gehört zum Roadmap-Prozess dazu. «Anhand von Schätzungen zu Kosten und Wirkung können wir die üblichen Wirtschaftlichkeitsparameter berechnen. Daneben können die Massnahmen auch anhand ihrer Treibhausgas-Vermeidungskosten beurteilt werden», sagt Bader. Für natürli ist das ein zentrales Anliegen: «Wir sind froh, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt und wir sichere Investitionen tätigen », so Ates.

Die Bereitschaft muss da sein, den Weg der Dekarbonisierung konsequent zu verfolgen.

Stefan Eggimann, EnAW-Berater

Varianten entwickeln, vergleichen und letztlich umsetzen

So viel ist klar: Bei der Erarbeitung einer Roadmap gibt es oft verschiedene Wege, die zum Ziel führen können. «Es ist daher sinnvoll, mehrere Varianten zu erstellen und diese einander gegenüberzustellen», so Bader. Konkret werden Kosten, Wirkung, Wirtschaftlichkeit sowie Risiken und Chancen und nicht energetische Effekte durch Massnahmen – sogenannte «Multiple Benefits» – verglichen und dadurch die bestmögliche Lösung für jedes Unternehmen individuell eruiert. «Wir entwickeln momentan eine Web-Applikation, mit der wir während der Bestandesaufnahme die relevanten Daten erfassen, visualisieren und Massnahmenlisten erstellen können. Das Tool ist auch eine Berechnungshilfe zur Massnahmenbeurteilung: Es hilft bei der Erstellung und Visualisierung von Roadmap-Pfaden», sagt Bader. Das erlaube, Varianten mit unterschiedlichen Ambitionslevels aufzuzeigen und zu vergleichen.

Sobald der Entscheid für eine Umsetzungsvariante gefallen ist, steht der Umsetzung der Roadmap nichts mehr im Weg. Und auch dabei bleiben die EnAW-Berater gerne involviert: «Bei der Umsetzung stehen wir beratend zur Seite», sagt Eggimann. Er lässt durchblicken, dass weitere EnAW-Dienstleistungen geplant sind, die die Umsetzungsphase optimal ergänzen werden. Bis es bei natürli so weit ist, stehen noch einige Arbeitsschritte an – Fortsetzung garantiert.

Herr Heller, Natürli setzt auf Genuss mit Herkunft. Was heisst das?

Wir wollen das Original, das Herkömmliche bewahren und den kleinen Käsereien und deren Handwerk Perspektiven bieten. Dabei setzen wir stark auf Regionalität und streben möglichst kurze Wege an: Wir kennen unsere Milchlieferanten. Wir wissen, wo unsere Produkte herkommen. Unser Credo ist, alles so natürlich zu belassen wie es nur geht. Gleichzeitig fördern wir Innovation.

Inwiefern?

Indem wir mit traditionellen Verfahren und Rezepturen neue Produkte auf den Markt bringen. Ein Beispiel ist der Cheebab, der erste vegetarische Kebab auf Käsebasis. Unsere Käsehäuser in Lebensmittelläden, die sogenannten Humidore, sind ein weiteres Beispiel. So können wir den Käsekeller, der eine Hygienezone sein muss, für unsere Kunden öffnen. Näher an der Kundschaft reift kein Käse. Selbst in der Stadt schaffen wir so ein möglichst authentisches Käseerlebnis. Die Resonanz ist grossartig.

Sie haben sich zum Fernziel Netto-Null bekannt. Woher kommt diese Motivation?

Es passt zur Unternehmensphilosophie, die wir seit der Gründung durch Fredy Bieri vor über 26 Jahren leben. Wir setzen auf eine nachhaltige Tierhaltung, einen nachhaltigen Umgang mit unseren Partnern und mit der Umwelt. Diese Überzeugung ist bei allen Mitarbeitenden spürbar.

Was brauchen Sie, um das Ziel zu einer CO₂-neutralen Produktion zu erreichen?

Am liebsten würden wir das Ziel ja kurzfristig erreichen! Aber bei uns spielt die wirtschaftliche Machbarkeit eine zentrale Rolle. Zudem müssen wir die Qualität unserer Produkte sicherstellen. Die Umsetzung der Dekarbonisierung ist für uns deshalb eine Frage der Priorisierung. Und hier verlassen wir uns voll und ganz auf die Expertise von Stefan Eggimann und Roman Bader, damit wir gemeinsam eine machbare Roadmap zur Dekarbonisierung planen und umsetzen können.

WEITERE INFORMATIONEN

Zwei Riesen aus der Baustoffbranche. Zwei Produkte. Zwei energieintensive Prozesse. Eine Vision: Dem Klimaziel «Netto-Null» näherkommen. Mit innovativen Produkten, jahrelanger Forschung und Entwicklung und einer Prise Mut. ZZ Wancor und Holcim Schweiz. Ziegel und Zement – Vorhang auf für Produktanpassungen, die sich eben gerade nicht sehen lassen.

V.l.n.r.: CEO Michael Fritsche und Produktionsleiter Maximilian Ulm im Dachziegelwerk in Laufen der ZZ Wancor AG

Die Ziegel von ZZ Wancor AG bestehen heute aus weniger Material

Cathleen Hoffmann ist seit 2011 in der Produktentwicklung für Holcim tätig.

Das Zementwerk in Siggenthal der Holcim (Schweiz) AG gilt als Vorzeigewerk in Sachen Nachhaltigkeit.

Weitsicht statt Röhrenblick: Die Holcim (Schweiz) AG begegnet Herausforderungen wie Klimaschutz und Ressourcenknappheit mit Innovationen und klugen Lösungen.

Fünf Schritte sind bei der Umsetzung einer CO2-freien Produktion Erfolg versprechend:

Schritt 4: Produktionsumstellung

Produkte können durch andere Produkte ersetzt werden, welche gleiche oder ähnliche Funktionen erfüllen, aber weniger Prozesswärme oder tiefere Temperaturen in der Produktion erfordern. Produktumstellungen werden auch umgesetzt, um die Materialien ressourcenschonender einzusetzen oder um die Materialien am Lebensende der Produkte besser zu trennen und zu rezyklieren.

Wenn die Produktion physikalischen Prozessen oder Rohstoffen unterliegt, die gebrannt werden müssen und dabei CO2 freisetzen, ist Innovationsgeist gefragt. Wer Ziegel und Zement herstellen will, braucht Wärme. Und wer brennt, setzt CO2 frei. Daran führt kein Weg vorbei. Prozesswärme zu reduzieren, um weniger CO2 auszustossen, ist das A und O. Dass man sich aufgrund der naturgegebenen Lage zurücklehnt, ist für die beiden Unternehmen ZZ Wancor und Holcim ausgeschlossen. Ständig wird an der Weiterentwicklung der Produkte gearbeitet. Nicht nur, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die unternehmerische Verantwortung wahrzunehmen, sondern besonders auch, um dem Ziel «Netto-Null bis 2050» und einer nachhaltigen Zukunft näherzukommen.

Wo Ziegel hergestellt werden, wird getrocknet und gebrannt

ZZ Wancor ist ein Systemanbieter von grobkeramischen Baustoffen und kombiniertem technischem Zubehör für die komplette Gebäudehülle, bestehend aus Dach, Wand und Fassade. Mit zwei Dachziegelwerken, einem Backsteinwerk und über 160 Mitarbeitenden in der Schweiz sorgt das Unternehmen dafür, dass vom Tonabbau in den Gruben über den Herstellungsprozess im Werk bis zum Einsatz der Produkte auf der Baustelle alles reibungslos läuft.

Es ist heiss an diesem Tag im Juli, an dem wir an Tonhalden vorbei ins Sitzungszimmer des Dachziegelwerks in Laufen im Kanton Baselland gelangen. Dort werden wir von CEO Michael Fritsche und Produktionsleiter Maximilian Ulm empfangen. Beide gehören bei ZZ Wancor zum «alten Eisen». Sie kennen Strukturen, Produkte und Prozesse aus dem Effeff. «Es wird noch heisser», warnt Ulm schmunzelnd und spielt auf den Rundgang durch die Produktion an. Denn wo Ziegel hergestellt werden, wird getrocknet und gebrannt. «Es ist ein bisschen wie bei den Cuvé-Weinen», beginnt Ulm uns den Prozess der Herstellung zu erklären. Ein Ziegel besteht aus Ton, einem Naturprodukt. Und wie das in der Natur so ist, kommt er immer in unterschiedlichen Zusammensetzungen vor. Für die Produktion wird aber – wie beim Wein – eine ganz spezifische Zusammensetzung benötigt. Dafür werden die Rohstoffbestandteile zerkleinert, optimal gemischt und angefeuchtet.

Diese Masse gelangt anschliessend in die gewünschte Form, in der sie getrocknet wird. Denn für den folgenden Brennprozess sollen die Ziegel möglichst wenig Feuchtigkeit enthalten. Um die gewünschte chemische Umwandlung im Brennofen zu erreichen, muss das Material auf über 1000 Grad Celsius aufgeheizt werden. Heute funktioniert dieser Prozess mit Gas. «Durch den schrittweisen Umstieg im Brennprozess von Schweröl auf Erdgas werden die CO2-Emissionen um mehr als 25 Prozent reduziert», weiss Ruedi Räss. Der EnAWBerater betreut seit 2009 fast alle Schweizer Ziegeleien bei der Umsetzung der Zielvereinbarung. Bei ZZ Wancor ist jedoch nicht der Brennprozess am energieintensivsten, sondern das vorherige Austreiben des Wassers bei den frisch geformten Ziegeln. Deshalb macht dieses Trocknen 60 Prozent des gesamten Wärmebedarfs der Produktion aus. Um den Verbrauch möglichst tief zu halten, wird die Trocknungsanlage vor allem mit der Abwärme des Brennofens betrieben. Der in den Produktionsstätten verwendete elektrische Strom stammt zu 100 Prozent aus Wasserkraft.

Die Nachhaltigkeitsstrategie von ZZ Wancor basiert auf den drei Schwerpunkten Erhaltung der Biodiversität, Förderung der Kreislaufwirtschaft und Vorantreiben der Dekarbonisierung des Produktportfolios. Da der Ton in unmittelbarer Nähe der Verarbeitungswerke gewonnen wird, können die Transportwege kurz gehalten und die daraus resultierenden CO2-Emissionen minimiert werden. Die Tongruben sind im Sinne der Biodiversität darüber hinaus wertvolle Biotope, die durch nachhaltige Rekultivierungsarbeiten ideale Lebensräume für seltene Pflanzen und Tiere entstehen lassen. So befinden sich in den Tongruben gar Amphibienschutzgebiete von nationaler Bedeutung.

Praktisch naturgegeben

Auch im Steinbruch Gabenchopf der Holcim (Schweiz) AG am Standort Siggenthal kreucht und fleucht es. Sogar Gämsen begegnen uns, als wir das Abbaugebiet von Kalkstein, Ton und Mergel erkunden. Gezeigt wird es uns von Cathleen Hoffmann. Sie ist seit 2011 in der Produktentwicklung für Holcim tätig. Nach zehn Jahren EMPA in der Betontechnologieforschung packte sie die Lust auf die Industrie. «Hier kann ich meinen Beitrag für das nachhaltige Bauen direkt in die Praxis einbringen», sagt sie und taucht mit uns in die energieintensive Zementwelt ein. Für die Produktion von Zement wird eine Gesteinsmischung aus Kalkstein, Ton und Mergel aus dem Steinbruch zu einem homogenen Rohmehl aufbereitet. Das Brennen dieses Rohmehls zu Klinker bei 1450 Grad Celsius ist der zentrale Schritt bei der Zementherstellung. Klinker ist der gebrannte Bestandteil des Zements, der unter Beimengung von Wasser wesentlich für die Aushärtung zuständig ist. Für die Produktion wird das Rohmehl in einem Wärmetauscherturm auf etwa 1000 Grad aufgeheizt und anschliessend in den Drehrohrofen geleitet. Für das Aufheizen wird die Abwärme aus dem heissen Drehrohrofen genutzt, um Energie zu sparen. «Eine sehr gute Massnahme», findet Hoffmann. Aber: «Im Bereich zwischen 600 und 900 Grad findet die sogenannte Entsäuerung des Rohmehls statt. Dabei zersetzt sich das Kalziumkarbonat aus dem Kalkstein und Mergel und es wird Kohlendioxid abgespalten und ausgetrieben. Dieser Vorgang nennt sich auch Kalzinierung. Etwa zwei Drittel der CO2-Gesamtmenge, die bei der Herstellung von Zement freigesetzt wird, fallen hier an. Daran ist leider nichts zu ändern. Aber den Kopf in den Sand stecken? «Sicher nicht!»

«Do your best, compensate the rest»

Bei der Produktepalette von Holcim hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. «Bis 2050 produzieren wir klimaneutrales, rezyklierbares Baumaterial» – lautet eine Schlagzeile in der «NZZ». Ein gewagtes Ziel? «Ich denke, es ist realistisch», so Hoffmann. «Wir stellen uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung.» Herausforderungen wie Klimaschutz und Ressourcenknappheit müsse mit Innovationen und klugen Lösungen begegnet werden. Aber nicht nur. «Als Unternehmen müssen wir auf drei Dimensionen der Nachhaltigkeit eine Antwort finden: Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft.» Wer heute nachhaltig bauen will, wählt Baustoffe, die eine lange Lebensdauer haben, rezyklierbar sind und eine tiefe CO2-Bilanz aufweisen. Zusätzlich müssen die Produkte wettbewerbsfähig sein. Für die Nachhaltigkeit verfolgt Holcim drei Ziele. Das Optimieren der Anlagen wie beispielsweise bei der Abwärmenutzung des Drehrohrofens ist eine davon. Noch wirkungsvoller ist der Einsatz von alternativen Brennstoffen und die Reduktion des Klinkeranteils im Zement. «Das ist uns mit unseren neusten Produkten, dem ressourcenschonenden Zement Susteno und den nachhaltigen Evopact-Betonen gelungen», erklärt Hoffmann stolz.

Optisch ist vieles gleich geblieben, aber
das Innere hat sich verändert.

Michael Fritsche, CEO, ZZ Wancor

Die Produkte funktionieren nach dem Kreislaufprinzip und mit einem reduzierten Klinkeranteil. Es muss also weniger Rohmaterial gebrannt werden, sodass die Freisetzung von CO2 aufgrund des geringeren Bedarfs sowohl an Brennstoff als auch an Rohmaterial reduziert wird. Ersetzt wird ein Teil des Klinkers durch hochwertig aufbereitetes Mischabbruchgranulat, also durch einen mineralischen Bauabfall aus rückgebauten Gebäuden. Auf diese Weise kann Holcim den Baustoffkreislauf vollständig schliessen, da das Material sonst deponiert werden müsste. Der Klinkeranteil von Susteno liegt heute noch bei 55 Prozent, was den CO2-Ausstoss um ganze zehn Prozent reduziert. Anfang des Jahres hat Holcim mit EvopactZero den ersten klimaneutralen Beton der Schweiz lanciert – ein wichtiger Schritt für die Verwirklichung ihrer Vision einer CO2-neutralen Produktion. Trotzdem ist eine Produktion ohne CO2-Emissionen aus prozesstechnischen Gründen, aber auch aufgrund des CO2-haltigen Rohstoffes heute noch nicht möglich. Deswegen kompensiert Holcim mit EvopactZero die restlichen Emissionen. Ganz nach dem Motto «do your best, compensate the rest».

Kreisläufe schliessen – Ohne Recycling geht’s nicht

Mischabbruchmaterial als Klinkerersatz ist nur eines von vielen Produkten, die für die Zementproduktion bei Holcim rezykliert werden. Durch die Verwertung von Plastik wird der Einsatz von traditionellen Brennstoffen reduziert. «Bereits heute können wir mehr als die Hälfte unseres thermischen Energiebedarfs mit Abfallstoffen decken», erklärt Hoffmann. «Wir schliessen damit Kreisläufe und leisten gleichzeitig unseren Beitrag zur Abfallentsorgung in der Schweiz.» Auch bei ZZ Wancor werden Kreisläufe geschlossen. Recycling gehört zum täglichen Geschäft. Solange der Ton für die Herstellung der Ziegel noch nicht gebrannt ist, entstehen keine Abfälle. Das anfallende Material der Rohmasse kann einfach wieder zugegeben werden. Wesentlich ist dabei eine rigorose Qualitätskontrolle. Laufend wird die richtige Feuchte der Rohmasse kontrolliert und fehlerhafte Produkte werden vor dem Brennen ausgesondert, um unnötigen Bruch und somit Energieaufwand zu vermeiden. Denn mit dem Brennen ändert der Ton seine Eigenschaften: Aus einem plastischen Material wird ein spröder Baustoff. Auch die Abfälle, die nach dem Brennen anfallen, können wiederum der Backsteinproduktion beigegeben werden. Vor allem müssen aber die technischen Funktionalitäten der Produkte wie zum Beispiel Undurchlässigkeit und Tragfähigkeit gewährleistet sein.

Weniger Material, weniger Prozessenergie

«Wir haben uns gefragt, wie wir diese technischen Funktionalitäten sicherstellen und trotzdem weniger Energie verbrauchen», erinnert sich Fritsche. Der CEO ist seit 20 Jahren bei ZZ Wancor, hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt und viele Stationen im Unternehmen durchlaufen. «Vor acht Jahren haben wir unsere Dachziegel dann mit einem externen Partner genau untersuchen und Spannungsmodellierungen erstellen lassen.» Auf dieser Basis konnte festgestellt werden, an welchen Stellen des Ziegels die grössten Spannungen herrschen und wo die Materialmenge optimiert werden kann. Denn je zielgenauer die Materialverteilung eines Produkts gesteuert wird, desto weniger muss in der Produktion getrocknet und gebrannt werden. «Das bedarf automatisch weniger Energie», so Fritsche. Mit zehn Prozent weniger Material kommen die neuartigen Ziegel der ZZ Wancor seitdem aus – und das bei absolut gleichbleibender Qualität. «Das sind also auch zehn Prozent weniger CO2, die wir pro Ziegel ausstossen.» Auch Ulm, der die Produktentwicklung verantwortet, ist stolz darauf: «Wir haben auf dieser Basis alle unsere Produkte angepasst.» Ein jahrelanger Prozess, der sich gelohnt hat. «Was bei uns in der Schweiz begonnen hat, wird heute im ganzen Konzern der Wienerberger Gruppe, dem weltgrössten Ziegelproduzenten, umgesetzt.» Auch seitens des Konzerns bekennt man sich ganz klar zum New Green Deal der EU. Als Ergebnis konnten kürzlich in einigen Ländern die ersten klimaneutralen Backsteine präsentiert werden. Diese bauen, ähnlich wie bei Holcim, auf die 3-Säulen-Strategie: «Energie sparen», «Einsatz erneuerbarer Energien» und «Kompensation durch Klimaschutzprojekte.»

Wichtige und richtige Schritte

Vom Kleinen ins Grosse: Auch die Holcim Schweiz ist Teil eines Weltkonzerns. LafargeHolcim wirft auf das «Ursprungsland» Schweiz bei der Nachhaltigkeit ein besonderes Auge. «Wir sind eine Art Vorzeigeland für die ganze Gruppe», erklärt Cathleen Hoffmann. «Wir können hier bei der Produktentwicklung unser Bestes tun, sodass andere Länder von unseren Erfahrungen und den Innovationen profitieren.» Dennoch bleibt die Produktion stark von den vorhandenen Rohstoffen vor Ort abhängig. Jedes Land sei daher gefordert, ein eigenes Rezept zu erfinden. Und das müssen sie auch. Denn die Zementindustrie wird von der Öffentlichkeit in Sachen CO2-Ausstoss mit Argusaugen beobachtet. Das kennt auch Ziegelei CEO Fritsche: «Uns wird nachgesagt, dass wir seit Jahrzehnten den gleichen Stein herstellen. Das stimmt nicht. Optisch ist vieles gleich geblieben, aber das Innere hat sich massiv verändert.» Mit dem neuen ressourcen- und klimaschonenden Beton und den materialreduzierten Ziegeln haben die beiden Unternehmen wichtige Schritte auf dem Weg zu «Netto-Null» unternommen und umgesetzt.


Der konsequente Schritt zum Maximum

Interview mit Dr. Thomas Bürki, Spezialist für Energieeffizienz und Klimaschutz in der Wirtschaft sowie Energie-, Umwelt- und Klimaschutzpolitik

Sind die Potenziale zur Prozessverbesserung ausgeschöpft, ist die nächste Stufe die Verbesserung des Produkts selbst. Dafür genügt es nicht, nur die Energie zu betrachten. Auch die Materialverbräuche und ihre Auswirkungen auf die Umwelt müssen einbezogen werden. Es geht also um Energie- und Materialeffizienz – oder kurz: um Ressourceneffizienz.

Um ein Produkt auf seine Ressourceneffizienz zu analysieren und Verbesserungen abzuleiten, benötigt man eine Ökobilanz. Sie ist die Analyse aller Umweltauswirkungen aus Energie- und Materialverbräuchen im Lebenszyklus des Produkts. Die Auswirkungen auf alle Umweltkompartimente (Luft, Wasser, Boden) werden quantifiziert und bewertet. Diese Bewertung wird typischerweise mit der Summe der Umweltbelastungspunkte (UBP) je Betrachtungseinheit ausgedrückt. Mit der UBP-Methode werden alle Formen von Umweltbelastungen aus allen Phasen in allen Umweltkompartimenten zu einer Kennzahl zusammengefasst.

Die Ökobilanz gibt Hinweise, wo die grössten Belastungen im Produktionsprozess auftreten: Beim Energieverbrauch? Der Material-, sprich der Rohstoffwahl für das Produkt? Bei Abfällen aller Art? Den Betriebsmitteln? usw. Mit dieser Kenntnis können gezielte Verbesserungen durch Produkteanpassungen vorgenommen werden, die zu geringerem und umweltverträglicherem Ressourcenverbrauch, also zu höherer Ressourceneffizienz führen.

Die Basis für die Ökobilanz ist eine Energie- und Stoffflussanalyse im Betrieb. Eine Energieanalyse ist Bestandteil des standardisierten Vorgehens der EnAW zur Energieeffizienz-Steigerung. Stoffflussanalysen werden grundsätzlich gleich durchgeführt wie Energieanalysen; daher integriert die EnAW auf Wunsch diesen Teil mit der analogen Systematik. So unterstützt die EnAW die Unternehmen bei der Ermittlung des Potenzials zur Ressourceneffizienz-Steigerung und bei der Umsetzung der Massnahmen.

Beispiel 1: Dämmmaterial

Der Hersteller von thermischen Anlagen hat die (doppelwandigen) Komponenten mit einem PU-Schaum gegen Wärmeverluste isoliert. Wegen der unbefriedigenden Ökobilanz wurde eine Alternative gesucht. Sie wurde mit einem aus Fasern hergestellten Dämmmaterial gefunden. Dieses kann auf Mass zugeschnitten und anstelle des PU-Schaums verwendet werden. Die Schnittabfälle werden zerfasert und wieder zu frischem Isoliermaterial verarbeitet.

Beispiel 2: Rostfreier Stahl

Ein Unternehmen hat Bau und Betrieb einer Anlage zur Umwandlung von nicht mehr nutzbarer Abwärme in Strom geplant. Dazu braucht es mehrere Wärmeübertrager, um die Abwärme vom Abgas über eine Zwischenkreislauf auf die TurbinenGenerator-Einheit zu bringen. Aus Bedenken wegen Korrosion (Kondensation von sauren Abgasbestandteilen) und um Wartungsarbeiten zu minimieren, waren die Wärmeübertrager aus rostfreiem Stahl konzipiert. Die Ökobilanz zeigte, dass der rostfreie Stahl den Hauptanteil an der gesamten Umweltbelastung darstellte. Durch eine genaue Analyse der Verhältnisse in den Wärmeübertragern und einer entsprechenden Neukonzeption konnten Teile der Anlage in normalem Stahl («Schwarzstahl») ausgeführt und der Anteil Chromstahl auf ein Minimum reduziert werden. Dadurch wurde die Ökobilanz der Anlage erheblich verbessert.

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