Kontaktformular Sticky (DE)
Anrede

* Pflichfeld

Unverbindliches Erstgespräch vereinbaren Nutzen berechnen
Newsletter (DE)
Anrede

close

Das ideale Tandem auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel 

Die Schweiz befindet sich auf dem Weg zum Netto-Null-Ziel. Die KMU haben dabei schon beachtliche Fortschritte erzielt, auch dank dem Tandem aus Zielvereinbarung und «Roadmap zur Dekarbonisierung», das die Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) anbietet. 

Benedikt Vogel

Energie, Emissionen und Geld sparen: Die Zielvereinbarung vereint seit zwei Jahrzehnten genau diese Vorteile. Dabei können Unternehmen, die für einen Zehn-Jahres-Zeitraum verbindliche Ziele zur Senkung ihres Energieverbrauchs vereinbaren, von der CO2-Abgabe auf fossile Energieträger befreit werden. Ihre Nachhaltigkeitsmassnahmen lohnen sich also doppelt: durch Rückerstattung der Abgabe und durch tiefere Energiekosten. Strom-Grossverbraucher können zusätzlich von einer teilweisen oder vollständigen Rückerstattung des Netzzuschlags profitieren. Energieintensive Unternehmen sparen so schnell fünf- bis sechsstellige Franken-Beträge. Diese Vorteile waren bisher auf Betriebe aus energieintensiven Branchen, zum Beispiel Metall, Chemie und Lebensmittel, beschränkt. Mit dem neuen CO2-Gesetz, das ab 2025 in Kraft treten soll, werden alle Unternehmen davon profitieren können. Zielvereinbarungen nützen zudem jenen Grossverbrauchern, denen kantonale Energiegesetze Effizienzmassnahmen auferlegen. 

Kleinen und mittleren Unternehmen, die sich für eine Zielvereinbarung entscheiden, bietet die EnAW ein bewährtes Effizienzpaket an, das ohne firmeneigene Energieexperten umgesetzt werden kann. Für Grossunternehmen hat die EnAW eine flexible Beratungslösung mit massgeschneiderten Massnahmen parat. Das grundsätzliche Vorgehen ist für alle Unternehmen gleich: Auf die Analyse des Energieverbrauchs folgt die Festlegung von Einsparzielen, welche durch Bund und Kantone auditiert werden, gefolgt von einer fachlich begleiteten Umsetzungsphase, welche jedes Jahr gemonitort wird.  

Roadmap wird Pflicht

Um Treibhausgas-Emissionen bis 2050 möglichst ganz zu vermeiden, dient ein zweites, langfristig angelegtes Instrument. Die EnAW bietet Unternehmen dafür das Dienstleistungspaket «Roadmap zur Dekarbonisierung» an. Dieses umfasst Massnahmen zur vollständigen Vermeidung von CO2-Emissionen. Ausgangspunkt sind jeweils Effizienzmassnahmen innerhalb des Betriebs, gefolgt von Prozessanpassungen, zum Beispiel die Senkung der Prozesstemperatur. Letztere schaffen die Voraussetzung für die Wahl passender erneuerbarer Energieträger. Noch zu oft wird der Fehler gemacht, an energieintensiven Prozessen ungeprüft festzuhalten und für die Wärmeerzeugung auf wertvolle erneuerbare Hochtemperatur-Energieträger wie Holz zu wechseln. Sinnvoller ist es, die Prozesstemperatur wo immer möglich zu senken und den Wärmebedarf anschliessend mit Wärmerückgewinnung und Abwärme oder Wärmepumpen zu decken. 

Die EnAW-Roadmap oder – wenn man tiefer ins Detail gehen will: die Ressourcenberatung der EnAW – zieht die Treibhausgas-Emissionen aus den vorgelagerten Stufen mit in die Betrachtung ein, berücksichtigt also zum Beispiel auch die Energie, die zur Herstellung zugekaufter Stähle oder Kunststoffteile benötigt wurde (Scope 2/3). Bestandteil einer Roadmap kann auch die Kompensation von Treibhausgas-Emissionen über den Kauf von Zertifikaten sein – diese sollten indes nur als letztes Mittel gewählt werden, da sie teuer sind. Immer muss auch ein Auge auf die Qualität der Zertifikate geworfen werden. Das Klima- und Innovationsgesetz sieht vor, dass die Unternehmen spätestens im Jahr 2050 klimaneutral sein müssen. Dafür müssen sie Fahrpläne erarbeiten, in denen sie aufzeigen, wie sie dieses Ziel erreichen möchten. Damit wird eine Roadmap Pflicht. 

Mit Zielvereinbarung und Roadmap dekarbonisieren

Die EnAW bietet mit Zielvereinbarung und Roadmap ein ökonomisch und ökologisch sinnvolles Tandem aus praxisnahen Beratungsdienstleistungen und webbasierten Tools. Tatsächlich wird nachhaltiges Wirtschaften für KMU mehr und mehr zu einer Existenzfrage. Als Zuliefer-Firmen sind sie zunehmend an die Dekarbonisierungsvorgaben ihrer Kunden gebunden. Auch das energiepolitische Umfeld spricht für eine konsequente Senkung des Energieverbrauchs: Weitsichtige KMU sind am besten gewappnet gegen potenzielle Energie-Mangellagen und hohe Energiepreise.  

Zudem sollte man den psychologischen Effekt nicht ausser Acht lassen. Sobald der – vielleicht mühselige – erste Schritt getan ist, ist der zweite gar nicht mehr so aufwändig. Dann kann eine Art intrinsischer Wettbewerb entstehen: Man ist bestrebt, sich selbst zu übertreffen, und ergreift daher zusätzliche Massnahmen, um Energie zu sparen. Das macht nicht nur Spass, sondern senkt auch die CO2-Emissionen und kommt letzten Endes dem Klima zugute. 

Auch wenn im CO2-Gesetz für die Zeit nach 2024 noch nicht alle Eckpunkte klar sind: Die Beraterinnen und Berater der EnAW halten sich und Sie stets auf dem neuesten Stand. Sie sind die richtigen Ansprechpersonen für jene Unternehmen, die mit der neuen Gesetzesvorlage noch zu wenig vertraut sind.  

Unternehmen, die einen «Fahrplan zur Dekarbonisierung» erarbeiten, konnten bisher von Fördergeldern seitens des Bundesamtes für Energie (BFE) profitieren. Diese Unterstützung hätte eigentlich bis Ende Juni 2024 gelten sollen. Das BFE hat jedoch mitgeteilt, dass es keine neuen Gesuche mehr berücksichtigen kann.

Als Begründung gibt das BFE an, dass das Budget bald aufgebraucht sei. Daher genehmigt das BFE nur noch Gesuche, bis das gesetzte Budget für das Jahr 2025 erreicht ist. Dabei würden die Gesuche nach Eingang berücksichtigt. Die bisherigen Gesuche könnten jedoch noch garantiert werden, sofern alle Bedingungen erfüllt seien, schreibt das BFE.

Die Bigler AG Fleischwaren hat bereits 2004 eine Zielvereinbarung bei der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) unterschrieben. Seither hat der Familienbetrieb immer wieder gezielt Massnahmen umgesetzt, um seine Energieeffizienz zu steigern und seinen CO2-Ausstoss zu verringern. Die Vision ist die komplette Dekarbonisierung.

Pascal Frey, stellvertretender Leiter Technik bei Bigler, und Lucas Rämi, EnAW-Berater (v.l.).

Hitzeerzeugung mit Strom anstelle von Gas für den Betrieb der neuen Gebindewaschmaschine, eine Hochdruck-Wärmepumpe mit 870 Kilowatt Heizleistung und eine Photovoltaikanlage 620 Kilowatt-Peak auf dem Dach: Das sind drei von zahlreichen Massnahmen, welche die Bigler AG Fleischwaren in den 20 Jahren ihres Engagements bei der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) ergriffen hat. «Alleine in den letzten sechs Jahren haben wir rund 50 Massnahmen umgesetzt», sagt CEO Markus Bigler. «Dazu gehören die konsequente Abwärmenutzung, die Optimierung der Lüftungsanlagen und die Installation von LED.»

Am meisten Aufwand verursachte jedoch das Gebäudeleitsystem, das an allen fünf Standorten des Familienunternehmens implementiert wurde. «Diese Massnahme beschäftigte uns rund fünf Jahre», so Bigler. Etwa durch den Umstand, dass das Team in dieser Zeit Veränderungen erfahren habe und es zu Projektübergaben gekommen sei. «Zudem war der Aufbau des Gebäudeleitsystems für unseren System- und Implementierungspartner gewissermassen ein Pilotprojekt», erinnert sich Bigler. «Deshalb bezahlten sowohl unser Partner wie auch Bigler Lehrgeld.»

Grossen Aufwand verursachte auch die Messtechnik. Bevor diese installiert werden konnte, mussten erst die Messpunkte definiert werden. Von diesen benötigte das Gebäudeleitsystem sehr viele. «Heute sind wir stolz und froh, dass wir dieses System haben», hält Bigler fest. «Es liefert uns in Echtzeit Informationen, wann und wo was läuft. Ausserdem erkennen wir jederzeit, wie viel Energie verbraucht wird.  So können wir beispielsweise Störungen und Fehlentwicklungen schnell erkennen und eingreifen.»

Zusammen mit der EnAW wurde zudem im vergangenen Jahr eine Roadmap zur Dekarbonisierung erstellt. Die Arbeit erfolgte in mehreren Etappen und in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen aus der Produktion, der Logistik und der Technik. In der Folge resultierte eine umfassende Übersicht über die Verursacher von CO2. Diese finden sich im Anlagepark, in der Lastwagenflotte sowie in den Kälteanlagen. Mit Hilfe des langjährigen EnAW-Beraters Daniel Meier und seinem Team entstand in der Folge ein Fahrplan, der aufzeigt, wie Bigler in 10 bis 15 Jahren weg von fossilen Anlagen kommt und den CO2-Ausstoss eliminieren kann. Wohlverstanden auf Stufe Produktion und Logistik. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Scope 1 und 2.

Ebenfalls eine Art Pionierin ist die Bigler AG in Bezug auf die Erfassung der Scope-3-Emissionen. Als eines der ersten Unternehmen der Fleischwirtschaft hat Bigler die Treibhausgas Emissionen für den gesamten Wertschöpfungsprozess bilanziert. Als eines der ersten Unternehmen der Fleischwirtschaft hat Bigler die Treibhausgas Emissionen für den gesamten Wertschöpfungsprozess bilanziert. In der Folge hat sich der Familienbetrieb die Anforderungen der Science Based Target Initiative (SBTi) angeschlossen. Bei der Bilanzierung habe sich herausgestellt, dass die Scope-3-Emissionen mit Abstand den grössten Anteil an den Gesamtemissionen ausmachen. Davon wiederum stammt der überwiegende Teil aus der Wertschöpfung der Landwirtschaft. «Wenn wir also in diesem Bereich Emissionen reduzieren möchten, geht es nur in enger Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft», erklärt Bigler. Zudem brauche es eine Kooperation mit weiteren Branchenorganisationen und den Bundesbehörden. «Es geht darum, sich auf einen gemeinsamen Fahrplan zu einigen. Wir sind in diesen Gremien dabei und arbeiten dort an vorderster Front mit.»

Produktion nie eingeschränkt

Doch warum hat sich die Bigler AG für SBTi und die Roadmap entschieden? «Die Nachhaltigkeit ist zentraler Bestandteil unserer Unternehmensvision. Als ein grosser Kunde auf uns zukam und anregte, dass wir uns bei SBTi engagieren, hat er damit offene Türen eingerannt», so Bigler. «Bezüglich Roadmap zur Dekarbonisierung kam die EnAW auf uns zu. Wir erkannten gemeinsam, dass die Roadmap einen wesentlichen Teil der Bestandesaufnahme und Zielsetzung für das SBTi-Projekt abdeckte.»

Trotz der Fülle der Massnahmen, welche die Bigler AG mit ihren rund 600 Mitarbeitenden ergriffen hat, war die Produktion laut Bigler nie eingeschränkt, dank der entsprechenden Planung und Umsetzung. «Es muss alles während des laufenden Betriebes umgesetzt werden», so der CEO. «Bei uns gibt es keine Betriebsferien.»

Dass es keine Einschränkungen im Betrieb gab, findet EnAW-Berater Meier bemerkenswert. «Oft müsste man zur Umsetzung von Massnahmen Produktionsanlagen abstellen, was die Umsetzung von Massnahmen erschwert oder gar verhindert», so der EnAW-Berater.

Seit ihrem Engagement bei der EnAW konnte die Bigler AG ihre CO2-Fracht trotz einem zusätzlichen Produktionsneubau um einen Fünftel reduzieren und ihre Energieeffizienz um einen Viertel steigern. Für Bigler hat sich die Partnerschaft mit der EnAW deswegen geloht. «Ich bin froh, dass wir früh zur EnAW gestossen sind», so Bigler. «Wir haben viele Projekte eruiert und umgesetzt. Die EnAW-Beratung erlebte ich immer als sehr kompetent und hilfsbereit.»

Weitere Informationen

Die Wipf AG in Volketswil produziert Verpackungsfolien und Beutel. Das Herstellungsverfahren benötigt viel Energie. Deshalb hat sich das Unternehmen im Jahr 2008 an die EnAW gewandt.

2008 unterzeichnete die Wipf AG eine Zielvereinbarung mit dem Bund. Seither hat das Unternehmen unter anderem eine Photovoltaikanlage installiert, die pro Jahr 380 Megawattstunden Strom produziert, Wärmepumpen, welche die Abwärme nutzen und Kältemaschinen, die im Winter auch noch Wärme für die Gebäudeheizung liefern. Die Wipf AG hat also viel unternommen, um ihren Energieverbrauch zu optimieren. Und das mit grossem Erfolg. So konnte das Unternehmen mit Unterstützung der EnAW zwischen 2008 und 2022 seine CO2-Emissionen um 500 Tonnen senken. Zudem hat die Wipf AG im vergangenen Jahr als erste Schweizer Herstellerin von bedruckten, flexiblen Verpackungen in Zusammenarbeit mit der EnAW eine Roadmap zur Dekarbonisierung erstellt und sich durch ihre Teilnahme an der «Science Based Target initiative» (SBTi) verpflichtet, ihren Beitrag zur Einhaltung des globalen maximalen Erwärmungsziels von 1.5 Grad Celsius zu leisten.

Die Reise der Wipf AG ist aber noch nicht zu Ende. Noch in diesem Herbst soll an der Fassade des Firmengebäudes eine weitere Photovoltaikanlage installiert werden. Zudem will das Unternehmen in einigen Jahren auf lösemittelhaltige Farben und Lacke und damit auf eine energieintensive Nachverbrennung der Abluft verzichten.

Beitrag zur Wipf AG auf FOKUS KMU

Weitere Informationen

Wie kann die Privatwirtschaft ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten? Erfahren Sie mehr und diskutieren Sie mit Experten aus verschiedenen Branchen am ZCMA-Event am 31. Mai 2023.

Freuen Sie sich auf Inputreferate, World Café und Podiumsdiskussion. Besonders interessant: Philippe Goffin von der EnAW stellt die Roadmap zur Dekarbonisierung vor. ZCMA-Mitglieder nehmen kostenlos teil, Nicht-Mitglieder zahlen 50 Franken inklusive Netzwerkapéro. Jetzt anmelden und dabei sein!

Viele Gewerbe- und Industriebetriebe verfügen über einen hohen Wärmebedarf, gleichzeitig aber auch über eine hohe Abwärmemenge auf tiefem Temperaturniveau. Das birgt Potenzial zur Optimierung.

Kann die Abwärme wirtschaftlich genutzt werden, anstatt sie einfach an die Umgebung abzugeben oder sogar kostspielig zu «entsorgen»? Wo starte ich mit der Optimierung? Das sind keine trivialen Fragen, vor allem die zweite nicht, da es verschiedene Lösungsansätze gibt. Bei der EnAW setzen wir auf sechs Massnahmenfelder, die auf dem Weg zur Dekarbonisierung Orientierung bieten. Sie sind nicht einzeln bzw. voneinander unabhängig zu verstehen, sondern müssen kombiniert betrachtet werden: Effizienzmassnahmen sind der erste Schritt zur Dekarbonisierung. Aufbauend auf Effizienzmassnahmen können beispielsweise Prozess- und Technologieänderungen umgesetzt und abschliessend der Einsatz neuer emissionsfreier Energieträger eingeleitet werden. Eine mögliche Massnahme dafür ist der Wechsel von Dampf auf Heisswasser oder noch besser auf noch tiefere Temperaturen respektive der punktuelle Einsatz eines (elektrischen) Schnelldampferzeugers.

Temperaturabsenkung birgt Potenzial

Einer der Schlüssel zur Dekarbonisierung liegt in der Temperaturabsenkung von Prozessen und der Integration von Abwärme. Bevor mit der Planung der Prozesstechnik und der Kombination mit dem erneuerbaren Wärme-/Kälteerzeugungssystem gestartet werden kann, gilt es alle relevanten Wärme- und Kälteflüsse im Betrieb zu erfassen. Als Basis dient idealerweise die PinCH-Analyse. Sie gibt einen Überblick über alle energetischen Ströme und zeigt auf, wie sie über Wärme- und Kältenetze verknüpft werden können. Ihre Umsetzung bleibt jedoch trotz Fördergeldern kostenintensiv und lohnt sich vor allem für energieintensive Betriebe. Als Alternative für KMU bietet die EnAW innerhalb der Web-Applikation «Roadmap zur Dekarbonisierung» ein thermisches Fingerprinting an. Dies ermöglicht den Unternehmen, einen raschen Überblick über die Wärme-Abwärme-Situation auf Jahresbasis zu erhalten. Dabei werden die relevanten Wärme- und Kälteflüsse protokolliert und grafisch übersichtlich aufgezeigt. Bei der Erfassung der thermischen Verbraucher sind die Prozesstemperaturen ein wichtiger Punkt. Hier gilt es immer auch die Frage zu klären, ob sich die Temperaturen im Sinne einer Effizienzsteigerung anpassen lassen (Absenken bei Wärme, Erhöhen bei Kälte): Benötigt der Prozess 95 Grad Celsius oder reichen 85 Grad Celsius aus? Können die Anlagen von Dampf auf tiefere Temperaturen vollständig oder partiell umgestellt werden? Kann Kälte bei 12 statt 7 Grad Celsius bereitgestellt werden? Gibt es andere Verfahrens- oder Prozesstechnologien, die eingesetzt werden können?

Thermischer Fingerprint illustriert Potenzial

Sind die Prozesstemperaturen identifiziert und optimiert, geht es ans Eingemachte. Mit dem Thermischen Fingerprint wird das Jahrespotenzial für die Wärmerückgewinnung aus Abwärme ersichtlich. Abwärme liegt meist gebunden in Luft-, Gas- oder Flüssigkeitsströmen oder in Form von diffuser Strahlungswärme vor. Je niedriger in einem nachgeschalteten Prozess die Temperatur für eine Wärmenutzung ist, desto mehr Abwärmequellen kommen infrage. Dazu zählt zum Beispiel Abwärme aus Produktionsmaschinen oder -anlagen, Abwasser, Kühlanlagen, Kühlung von Serverräumen und Motoren oder die in Produktionshallen anfallende Abluft. Jedoch muss die Temperatur der Abwärmequelle grundsätzlich höher liegen als die Temperatur, die der Wärmeverbraucher benötigt. Die Nutzung wird umso wirtschaftlicher, je höher die Temperaturdifferenzen und damit die übertragbaren Wärmeleistungen sind. Nun gilt es diese Erkenntnisse mit den Informationen über die Produktionsabläufe zu kombinieren: Handelt es sich um Batch-Prozesse, wird in einer oder mehreren Chargen pro Tag produziert oder sind es kontinuierliche Prozesse? Je nach Prozessart kann das Unternehmen mit einer direkten Wärmerückgewinnung über einen Wärmetauscher arbeiten. Oder es benötigt einen thermischen Speicher als Puffer, um Abwärme oder Kälte über einen gewissen Zeitraum zu puffern, bevor sie verwendet werden kann. Reicht das Temperaturniveau von Abwärmeströmen nicht für eine direkte Nutzung, dann können sie als Quelle für eine Hochtemperatur-Wärmepumpe genutzt werden. Die Hochtemperatur-Wärmepumpe ist Bestandteil vieler Forschungsprojekte und auch schon als Serienprodukt bei diversen Herstellern verfügbar.

Beispielhafte Wärme-/Abwärmekurve und Thermischer Fingerprint eines Unternehmens.

Thermische Speicher dimensionieren

Wird ein erneuerbares Wärmeerzeugungssystem, wie beispielsweise ein Fernwärmeanschluss, ein Pellet- oder Holzschnitzelkessel beziehungsweise eine Wärmepumpe, analog eines Gas- oder Ölkessels dimensioniert, hat man meist unweigerlich ein überdimensioniertes, teures und ineffizientes System. Denn die erneuerbaren Wärmeerzeugungssysteme sind pro zusätzliche Kilowatt Heizleistung viel teurer. Insbesondere bei Holzfeuerungen und Wärmepumpen ist ein möglichst kontinuierlicher, nicht taktender Betrieb erwünscht – Stichwort: Abgase und Feinstaubproduktion bei Holzfeuerungen und hohe Anfahrverluste bzw. mechanische Belastung des Kompressors bei Wärmepumpen. Hierfür berechnet das technische Dimensionierungs-Tool «ProCalor», das in die EnAW-Web-Applikation Roadmap zur Dekarbonisierung integriert wird, eine korrekte Auslegung der neuen Wärmeerzeugung plus Pufferspeicher, um diese Bedarfsspitzen zu reduzieren.

Fazit

Was heisst das nun für Gewerbe- und Industriebetriebe? Insbesondere Betriebe, die Temperaturen bis und mit ca. 120 Grad Celsius benötigen, lassen sich theoretisch mit bewährten Technologien vollständig dekarbonisieren. Bei höheren Temperaturen geht es kaum ohne Biomasse oder neue Energieträger wie zum Beispiel synthetische erneuerbare Energieträger. Mit intuitiven Tools und extensiver Fachberatung durch die Expertinnen und Experten gilt es, das vorhandene Wissen in der Praxis breit einzusetzen.


Stefan Eggimann

ist bei der EnAW Leiter des KMU-Modells, seit 2009 EnAW-Berater und Mitglied der Geschäftsleitung von Weisskopf Partner GmbH, wo er insbesondere für Industriepro-jekte zuständig ist.

Philippe Goffin

ist der EnAW-Projektleiter Science Based Targets initiative (SBTi) und ebenfalls bei Weisskopf Partner tätig.

Weitere Informationen