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Neue Energieträger

«Neue Wege gehen»

15.04.2021

Die Chemieprofessorin Greta Patzke will die Photosynthese wirksam nachvollziehen und damit die globalen Energieprobleme adressieren. Ein ambitioniertes Ziel.

Pflanzen machen es uns mit der Photosynthese seit Urzeiten vor: Sie wachsen durch die Umwandlung von Licht, Wasser und Luft in speicherbare Energie. Frau Patzke, Sie wollen die pflanzliche Photosynthese wirksam nachvollziehen. Woher kommt Ihre Affinität für Pflanzen und die Forschung?

Schon als Kind haben mich die Wissenschaften fasziniert. Dann immer mehr die Naturwissenschaften wie die Biologie. Schon in der Primarschule habe ich Herbarien angelegt, also Pflanzen gesammelt, gepresst und bestimmt. Mich faszinierte, wie sich die Pflanzen durchschlagen. Und das tut es heute noch – unsere ganze

Wohnung ist voll davon. In der Sekundarschule habe ich mich mehr und mehr mit Physik und Chemie auseinandergesetzt. Vor dem Abschluss konnte ich dann an der Chemieolympiade teilnehmen und habe Menschen aus über 50 Nationen kennengelernt, die alle die Leidenschaft für Chemie teilten. Da erlebte ich das Verbindende einer solchen Wissenschaft. Das war für mich das Schlüsselereignis, um rasch Chemie an der Universität Hannover zu studieren.

Heute konzentrieren Sie sich als Grundlagenforscherin im Rahmen des Universitären Forschungsschwerpunkts LightChEC mit Ihrem Forschungsteam an der Universität Zürich auf die Entwicklung eines Katalysators für die lichtgetriebene Wasserspaltung. Ein wichtiger Teilschritt, um die künstliche Photosynthese labor- und später marktfähig zu machen. Können Sie das etwas ausführen?

Wir wissen aus dem Schulunterricht: Wasserspalten ist seltsam. Denn Wasser gehört zu den stabilsten Verbindungen. Bei der künstlichen Photosynthese geht es eben genau darum, Wasser in seine beiden Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) zu spalten – im klassischen Sinne durch einen rein chemischen Vorgang, also ohne die Anwendung von Strom. Die Natur macht es uns mit dem Photosystem vor. Das ist ein ganz raffiniertes System mit zwei speziellen chemischen Katalysatoren, welche Wasser in seine beiden Grundelemente, (biologischen) Wasserstoff und Sauerstoff, aufteilen. Ein Katalysator ist ein Stoff, der eine chemische Reaktion beschleunigt. Er kann als Pulver vorliegen oder auch in Form von Molekülen oder Nanoteilchen auf einem Trägermaterial. Dabei ist das grösste Problem auch gar nicht mehr der Wasserstoff. Viel schwieriger ist es, bei der Wasserspaltung den Sauerstoff effizient zu produzieren. Mein Forschungsteam an der Universität Zürich ist nun also an der Entwicklung von Katalysatoren für ebendiese Reaktion.

Sie haben mit Ihrem Team bereits einen ungiftigen Katalysator entwickelt. Weshalb ist dieser nicht gut genug?

Es ist ein Multi-Parameter-Problem. Viele Katalysatoren sind gut, aber gerade bezüglich der Langlebigkeit sind viele noch verbesserungsfähig, wenn wir an die Anwendung denken. Dann stellt sich auch die Frage nach der Verfügbarkeit und Machbarkeit: Welches Land hat die Elemente, die wir für den Katalysator brauchen? Was müssen wir zukaufen? Ist die chemische Synthese zu umständlich? Hinzu kommt die Herausforderung bezüglich der Grössenskala: Was auf einer kleinen Elektrode super läuft, kann sich auf einer grösseren Fläche anders verhalten. Auch optimale Produktionsbedingungen spielen eine Rolle. Aktuell arbeite ich mit einer Mitarbeiterin darauf hin, eine Arbeit zu publizieren, in welcher eine sehr simple Produktionstechnik auf Basis von Mangan entwickelt worden ist. Das ist ein billiges, gut verfügbares und umweltfreundliches Element. Es ist also nicht so, dass es keine Katalysatoren gibt. Wir haben einfach noch nicht das Optimum für alltägliche Anwendungen gefunden.

Sie sind nicht die einzigen, die auf diesem Gebiet Grundlagenforschung betreiben.

Richtig. Seit die japanischen Chemiker Fujishima und Honda 1972 zum ersten Mal Wasser mit Licht gespalten haben, befasst sich eine weltweite Forschergemeinschaft mit der Weiterentwicklung der geeigneten Materialien. Naturgemäss gibt es also auch eine Konkurrenz unter den Forschenden. Aber es ist eine gesunde, fruchtbare Konkurrenz. Ich nenne es eine freundschaftliche Koexistenz.


Chemische Energie aus Sonnenlicht Pflanzen wandeln mittels Photosynthese Sonnenlicht direkt in chemische Energie um. Der Forschungsschwerpunkt der Universität Zürich «LightChEC – Solar Light to Chemical Energy Conversion» möchte diesen Prozess künstlich nachstellen. Neben Forschenden aus den Instituten für Chemie und für Physik der Universität Zürich ist auch die Empa am Forschungsprojekt beteiligt. Ziel ist es, direkt aus Sonnenlicht und Wasser den Energieträger Wasserstoff zu produzieren. Dieser kann gespeichert oder als Treibstoff verwendet werden und stellt so eine saubere und unerschöpfliche Energieform der Zukunft dar.


Und wo positionieren Sie sich in diesem Feld?

Meine Gruppe ist eine der wenigen, die eine so grosse Spannbreite vom kleinen Molekül über grössere Cluster bis hin zu Nanopartikeln oder dem klassischen Feststoff verfolgt. Eine solche Bandbreite zu erhalten ist zwar intellektuell aufwendig, bringt aber eine umfassendere Einsicht. Und das machen wir eben alles für den Teilprozess der Sauerstoffherstellung, also die Wasseroxidations-Katalyse.

Ist diese umfassende Einsicht auch das, was Sie an der Grundlagenforschung fasziniert?

Ja, genau. Man kann feststellen, dass der starke Anwendungsdrang in der Materialforschung teilweise zu selektiven Bevorzugungen spezifischer Substanzen geführt hat. Manche Oxide, wie Titandioxid oder Zinkoxid, gehören zu den breit beforschten «Stars», während manch andere Materialien bisher weniger beachtet wurden. Grundlagenforschung besteht aber eben genau darin, auch grundlegend andere Dinge auszuprobieren und neue Wege zu gehen.

Sie gehen den Weg im Rahmen des LightChEC mit Kolleginnen und Kollegen aus der Physik und der EMPA. Wie nehmen Sie diese Zusammenarbeit wahr?

Der universitäre Forschungsschwerpunkt LightChEC ist ganz generell ein Glücksfall. So viele Gruppenleiter und junge Forschende auf dem Gebiet kommen von der Universität Zürich und der Empa zusammen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Das ist einfach Wahnsinn. Wir ziehen am gleichen Strick, unterhalten viele externe Kollaborationen, teilen Ressourcen und beeinflussen uns positiv. Das ist ein Umfeld, von dem man als Wissenschaftlerin eigentlich nur träumen kann.

«Wir haben einfach noch nicht den Katalysator für jedermann gefunden.»

Greta Patzke, Chemieprofessorin

Apropos Träumen: Könnte die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie unsere Energieprobleme lösen?

Nicht alle Probleme, das sicherlich nicht. Was wir brauchen, ist ein Energiemix. Wir müssen auf verschiedene Sektoren setzen wie Windenergie, Solarenergie oder Power to Gas und dabei auch berücksichtigen, was regional möglich ist. Ich denke, dass wir nie wieder so stark auf nur eine Energiesäule setzen dürfen wie auf die fossilen Brennstoffe. Aber das Prinzip an sich ist ja eigentlich einfach: Wir haben Wasser und wir haben Sonnenlicht. Wir müssen es nur hinbekommen, diese permanenten Ressourcen richtig anzuzapfen.

Haben Sie als Grundlagenforscherin deshalb eine gewisse Verantwortung der Gesellschaft gegenüber?

Früher habe ich mit grossem Gusto in der Strukturanalyse geforscht. Ich hatte unglaubliche Freude an der Symmetrie und der Konstruktion von neuen Verbindungen, ohne dabei primär nach ihren Eigenschaften zu fragen. Da hat mich mit der Zeit aber die Frage nach der Verantwortung meines Tuns in die Mangel genommen. Nachdem ich mehrere Jahre meinen Spass mit den Verbindungen und viel gelernt hatte, habe ich mir dann die Frage gestellt: Willst du jetzt auch mal noch etwas Praxisnahes für die Gesellschaft und die Welt, in der wir leben, beitragen?

In der Praxis spielt der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen eine wichtige Rolle. Wie spiegelt sich das in der Chemie?

Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen hat sich bereits vor meiner Ausbildung grundlegend gewandelt. Der Recycling-Gedanke wird heute von Beginn an verfolgt: Green Chemistry, möglichst abfallfreie Synthesen, keine aggressiven Reagenzien – hier kann man auch an sekundären Fronten abseits der Energie sehr viel einsparen.

Der Klimawandel lässt auf eine gewisse Dringlichkeit schliessen. Ihre Namensvetterin, Greta Thunberg, hat die Klimadebatte weltweit salonfähig gemacht. Übt das Druck auf die Grundlagenforschung aus?

Ich merke es am Interesse, das unserer Arbeit entgegengebracht wird. Von gesellschaftlichem Druck würde ich jetzt aber nicht sprechen. Den Druck mache ich mir hauptsächlich selbst, indem ich mir immer wieder sage, «das müsste eigentlich etwas schneller gehen».

Inwiefern?

Wir sind mit dem LightChEC immer noch sehr grundlagenorientiert unterwegs, wir haben noch nicht viele Projekte aus der Industrie angenommen. Ich würde mich aber gerne auch mit der anwendungsorientierten Forschung auseinandersetzen. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, wenn jemand mit Interesse an Umsetzung auf mich zukommt, dann bin ich dafür offen.

Die Politik ist im letzen Jahr «grüner» geworden. Erst kürzlich hat der Nationalrat eine Flugticketabgabe beschlossen. Was halten Sie von dieser Veränderung?

Es braucht eine proaktive Regierung für die zielorientierte Umsetzung und Übersetzung der angestossenen Prozesse. Wissenschaft kann noch so gut sein, wenn sie den Rückhalt der Politik verliert und die technologisch-wirtschaftliche Übersetzung nicht funktioniert, wird sie nicht genutzt. Politischer Schwung und die Umsetzung durch die Konsumentinnen und Konsumenten sind für mich dazu ähnlich wichtig wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Sie stecken viel von Ihrer Energie in die Forschung. Bleibt da noch für anderes etwas übrig?

Wenn ich Freizeit habe, dann beschäftige ich mich wie früher gerne mit der Biologie. Ich interessiere mich unglaublich für Reptilien. Was vielleicht nicht ganz von jeher kommt, denn als wechselwarme Tiere sind sie ja auch stark vom Sonnenlicht abhängig. Ich habe es allerdings noch nicht zu einem Terrarium gebracht. Vielleicht wäre aber der Zeitpunkt gekommen, jetzt wo sich unsere Reisetätigkeit massiv wandelt (lacht).


Greta Patzke ist Professorin am Institut für Chemie an der Universität Zürich und Wissenschaftlerin aus Leidenschaft. Ihre Vision: eine Technologie, die unabhängig vom Stromnetz jederzeit aus Sonnenlicht und Wasser Brennstoffe produzieren kann.


Um die Klimaziele zu erreichen, brauch es Wasserstoff

In der Industrie wird Wasserstoff als Rohstoff schon seit Langem genutzt. Als Energieträger hingegen erlebt er ein eigentliches Comeback. Immer mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass es für eine klimaneutrale Energieversorgung einen breiten Mix an Energieträgern und Infrastrukturen braucht. Dabei spielen erneuerbare bzw. klimaneutrale Gase eine bedeutende Rolle, und hier kommt der Wasserstoff ins Spiel. Er lässt sich erneuerbar durch Strom über Elektrolyse erstellen oder klimaneutral aus Erdgas, dem der Kohlenstoff entzogen wird. Wasserstoff kann auch durch die Nutzung von CO2 methanisiert und ins Gasnetz eingespeist werden. Mehrere europäische Länder, aber auch Japan, setzen auf Wasserstoff, um ihre Klimaziele zu erreichen. So arbeitet die Europäische Kommission an einer Wasserstoffstrategie, um die EU bis 2050 zu dekarbonisieren. Damit sich Wasserstoff als Energieträger durchsetzen kann, braucht es neue Weichenstellungen. Auch in der Schweiz sind Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung gefordert, sich des Themas Wasserstoff anzunehmen und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Dabei muss auch die wirtschaftliche Perspektive berücksichtigt werden. Sowohl die Schweizer Gaswirtschaft als auch die Mineralölbranche setzen sich intensiv mit Wasserstoff auseinander. In einer neuen Themen-Mappe beleuchtet der Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) die verschiedenen Aspekte dieses Energieträgers und stellt die Erkenntnisse leicht verständlich dar.

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