Kontaktformular Sticky (DE)
Anrede

* Pflichfeld

Unverbindliches Erstgespräch vereinbaren Nutzen berechnen
Newsletter (DE)
Anrede

close

Agno, die Welthauptstadt der Kugelschreiber

Mikron Machining SA ist weltweit führend in der Entwicklung und Herstellung hochpräziser Industriemaschinen. Von Uhrenkomponenten bis hin zu Kugelschreiberköpfen (mit über 95 Prozent Weltmarktanteil) besteht das Unternehmen seit über einem Jahrhundert. Um besser zu verstehen, wie die Herstellung hochpräziser elektromechanischer Maschinen mit der Verbesserung der Energiebilanz des Unternehmens einhergeht, trafen wir uns in Agno mit Bruno Jöhl, Leiter der Supply Chain Division Machining. 

Die Firma Mikron Machining SA ist Teil der Mikron Gruppe, hat derzeit rund 400 Mitarbeiter (von insgesamt 1300) und produziert Industriemaschinen.

Lorenzo Medici und Bruno Jöhl.

Bruno Jöhl.

Mikron Machining SA hat seinen Sitz in Agno am Ufer des Luganersees. Die hohen Palmen am Eingang des Unternehmens laden zum Entspannen ein. Doch wir lassen uns nicht täuschen. Im kürzlich renovierten Gebäude arbeiten die Mitarbeitenden hart an den Maschinen, die Industrieteile mit einer Genauigkeit von wenigen tausendstel Millimetern – einem Bruchteil des Durchmessers eines Haares – herstellen können. Eines der Produkte, die das Unternehmen weltweit bekannt gemacht haben, ist zweifellos der Kugelschreiberkopf. Mit über 145 Millionen produzierten Exemplaren pro Tag und 95 Prozent Weltmarktanteil steckt in den Stiften auf Ihrem Schreibtisch oder in Ihrer Tasche reine Technologie aus dem Tessin. Stolz zeigt uns Bruno Jöhl das Fliessband, wo jede der im Bau befindlichen Maschinen in der Lage ist über 28 000 Köpfe pro Stunde zu produzieren. 

Ein langjähriges Engagement

Das Bestreben von Mikron Machining, seine Umweltauswirkungen zu verbessern, reicht fast drei Jahrzehnte zurück. Tatsächlich gehört das Unternehmen zu den ersten sieben Tessiner Unternehmen, die bereits 1996 freiwillig eine Vereinbarung einging – lange bevor verbindliche Vorschriften hierfür in Kraft traten. Seither arbeitet das Unternehmen konstant und engagiert daran, seine Energiebilanz zu verbessern. Im Jahr 2003 wurde die erste Zielvereinbarung mit der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW) getroffen und im Jahr 2013 ermöglichte eine neue freiwillige Zielvereinbarung die Entwicklung einer Strategie, die zu einer umfassenden Sanierung des Gebäudes führte. Neue Fenster, Isolierung des Gebäudes, LED-Beleuchtung, ein neues Heiz-, Kühl- und Lüftungssystem: So hat Mikron seinen Energieverbrauch um 50 Prozent gesenkt und über 100 Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart. Insbesondere das Thema Belüftung war wichtig. Um über 6000 Quadratmeter Industriefläche auf einer konstanten Temperatur von 20 Grad Celsius zu halten, ist ein komplexes System erforderlich, das im Winter heizt und im Sommer kühlt. Dank einer neuen Klimaanlage, die mit einer Wärmepumpe betrieben wird und Abwärme aus Produktionsprozessen nutzt, ist es Mikron Machining gelungen, den CO2-Ausstoss um 130 Tonnen pro Jahr zu reduzieren und den Heizölverbrauch um über 50 000 Liter pro Jahr zu senken. 

Leerer Raum ist ein Energieluxus

«Die energetische Sanierung und die Flächenreduktion haben sich als wichtige Schritte erwiesen», erzählt uns Bruno Jöhl, als wir einen neuen Bereich besichtigen, der der Produktion von Teilen gewidmet ist, die für den internen Gebrauch des Unternehmens bestimmt sind. «Wir haben die Fläche von über 4000 auf ca. 2000 Quadratmeter bei unveränderter Produktionskapazität reduziert. Dadurch haben wir im Winter bis zu 5000 Liter Heizöl pro Monat eingespart.» An der Decke des Raumes fällt uns die neue Beleuchtungsanlage auf. Auch hier trug der Austausch von rund 1000 Leuchtstoffröhren durch LEDs der neuesten Generation zur Energieeinsparung und Kostensenkung bei. «Wir haben geschätzt, dass wir durch das neue Beleuchtungssystem 120 000 Kilowattstunden pro Jahr einsparen», erklärt EnAW-Berater Lorenzo Medici. «Leere Räume zu beleuchten und zu heizen ist eindeutig ein Energieluxus, den wir uns nicht mehr leisten können.» 

Maschinenprozesse optimieren

Ein wesentlicher Teil der Strategie, um den Energieverbrauch zu reduzieren, betrifft die Optimierung der Produktionsprozesse. «Jede kleine Verbesserung, auch die kleinste, kann bei einer Produktion von Millionen Stück einen grossen Unterschied machen», so Bruno Jöhl. Deswegen versucht das Team bei Mikron stets, den Produktionszyklus zu optimieren, indem es mehrere Faktoren berücksichtigt, darunter die Energieeffizienz der Maschinen und die Verbesserung der Werkzeuge. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten tragen diese Anpassungen dazu bei, die Umweltauswirkungen der von Mikron hergestellten Maschinen im Einsatz bei ihren Kunden zu reduzieren. Eine Aussage, die nicht nur für neu, sondern auch für altgediente Maschinen gilt. «Manche unserer Maschinen sind über 50 Jahre alt und funktionieren immer noch bestens», sagt Jöhl. «Anstatt neue zu installieren, reparieren und verbessern wir die Effizienz der vorhandenen Anlagen und vermeiden einen Austausch.» Maschinen und Geräten ein zweites Leben zu garantieren, die in einer Zeit mit anderen Energiestandards hergestellt wurden, die sich stark von denen heute unterschieden, ist auch eine gute Möglichkeit, wertvolle Ressourcen zu schonen. 

Eine standortübergreifende Verantwortung

Das Umweltengagement von Mikron, um Energieverbrauch und Emissionen zu reduzieren gilt nicht nur für die Standorte in der Schweiz. Die Mikron Gruppe setzt ihre Nachhaltigkeitspolitik weltweit an allen Standorten einheitlich um. Zu den nächsten Schritten, die auf Mikron Machining und die EnAW-Berater, die die Arbeiten in Agno begleiten, warten, gehört die Installation einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Geplant ist auch die Modernisierung der Fahrzeugflotte mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Schliesslich will Mikron auch die indirekten Emissionen im Zusammenhang mit der Transportlogistikkette der Zulieferer weiter reduzieren. Kurzum: Der Weg zur Dekarbonisierung geht mit grossem Schwung weiter.  

TIOR SA vereint 30 Obst- und Gemüseproduzenten im Tessin und engagiert sich seit über 15 Jahren bei der Energie-Agentur für Wirtschaft (EnAW), um den Energieverbrauch zu senken und die Energieeffizienz zu steigern. Wir haben bei TIOR vorbeigeschaut, weil wir wissen wollen, wo die beliebten Tessiner Tomaten, die zusammen mit vielen anderen Produkten täglich auf den Tischen von Familien in der ganzen Schweiz landen, angebaut und verpackt werden. 

Tomaten, Zucchini, Gurken und Salate: Viele Produkte aus dem Tessiner Gemüsegarten landen dank dem Obst- und Gemüseproduzenten TIOR SA in der Magadinoebene mit einer Filiale in Stabio auf den Esstischen in der ganzen Schweiz. 70 Prozent vom Obst und Gemüse, das tagtäglich von den Obst- und Gemüseproduzenten angeliefert wird, soll schnellstmöglich auf den Markt jenseits des Gotthards gehen. Die Abnehmer sind hauptsächlich die grossen Supermärkte von Migros, Coop, Aldi, Manor und anderen. Zwischen den Türmen aus Körben und Pappkartons herrscht grosse Spannung. Die Lieferungen müssen bis zum Ende des Tages erfolgen und es gibt viel Gemüse zu sortieren, zu kalibrieren und zu verpacken. Abfallprodukte aus den Anlieferungen werden zur Produktion von Biogas genutzt – eine gute Möglichkeit, Ressourcen optimal zu nutzen. 

360°-Effizienz

Jeder Handgriff wird hier effizient erledigt, damit die frischen Produkte pünktlich ihren Bestimmungsort erreichen. Effizienz bei der Arbeit, die mit Energieeffizienz einhergeht. Tatsächlich hat TIOR SA wichtige Schritte unternommen, um die Nachhaltigkeit zu verbessern und den Energieverbrauch zu reduzieren. Das zeigt auch am heutigen Hauptsitz, der im Jahr 2009 nach den höchsten Minergie-Energiestandards gebaut wurde. «Wir haben uns schon immer für eine umweltfreundliche Produktion eingesetzt», erinnert sich Marco Bassi, Direktor von TIOR SA, «aber wir müssen stets die richtige Balance zwischen Investitionen in die Energieeffizienz und der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit finden.» 

Nutzung der Restwärme aus Kühlräumen

Die sechs Kühlräume in den Lagerhallen sind notwendig, um die Kühlkette zu gewährleisten und die frisch geernteten Produkte zwischenzulagern. Die Temperaturen schwanken hier zwischen 2 und 14 Grad Celsius. Die Kühlung dieser Systeme erfordert viel Energie. Im Jahr 2022 weihte TIOR SA ein neues Kohlendioxid (CO2)-Kühlsystem ein; Es war nicht nur kleiner als das Vorgängermodell, sondern macht auch die Zielerreichung bei der Energie möglich. «Mit diesem System konnten wir unseren Stromverbrauch um 25 Prozent senken», fährt Bassi fort. «Das ist auch ein wirtschaftlicher Vorteil angesichts der gestiegenen Energiepreise.» Die aus der Abwärme der neuen Kühlung zurückgewonnene Energie ermöglicht auch die Beheizung des restlichen Gebäudes. «TIOR hat heute einen doppelten Vorteil mit diesem System», erklärt EnAW-Berater Lorenzo Medici. «Zum einen wird die Wärme wiederverwendet, zum anderen wird die Installation einer Ölheizung oder einer zusätzlichen Wärmepumpe für den Rest des Gebäudes vermieden.»  

Die Nutzung von CO2 im geschlossenen Kreislauf (in flüssiger und gasförmiger Form) hat noch einen weiteren Vorteil: Im Falle von Leckagen wird die Atmosphäre nicht mit ozonschichtschädlichen oder in der Luft stabilen Gasen belastet. Das ist gut, denn der Bund hat das Ziel gesetzt, dass alle Kühlsysteme auf natürliche Gase umzustellen sind, um den Einsatz synthetischer Gase zu vermeiden. TIOR SA hat bereits alle notwendigen Schritte unternommen, um diesem Standard gerecht zu werden. 

Viel Technologie in den Gewächshäusern der Zukunft

 Soweit das Auge reicht, erstrecken sich Gewächshäuser ausserhalb der Weiterverarbeitungshallen. Wir besichtigen eines das wenige Kilometer entfernt ist. Es wurde Ende 2023 errichtet und ist mit modernster Technologie ausgestattet. Das Gewächshaus ist ein Vorbild, dem andere folgen sollten. Die Struktur wurde mit einer doppelten Schirmanlage gebaut, um Wärmeverluste zu minimieren. Das Dach ist, soweit möglich, mit Solarpaneelen gedeckt, die für die nötige Energie sorgen. Zwar ist die Anlage noch nicht in Betrieb, doch wenn, dann hat sie das Potenzial, eine Jahresproduktion von 800 000 Kilowattstunden zu erreichen. Das entspricht dem Jahresverbrauch von rund 200 Haushalten. Im Inneren des Gewächshauses ist alles auf den Millimeter genau geplant und gebaut. Dank der Hors-sol-Produktion (erdlose Kultur) wachsen die Pflanzen über dem Boden und ein computergestütztes System versorgt sie täglich mit den notwendigen Nährstoffen. Hier werden wir Zeuge davon, dass die Zukunft der Landwirtschaft eine hochtechnologische ist und bis ins kleinste Detail auf die Energieeffizienz Acht gibt. 

Auf den Dächern der Gewächshäuser wurde eine hochmoderne Photovoltaikanlage installiert.

Neues CO2-System zur Kühlung der Kühlräume. Im Bild, von links: Walter Bisang, EnAW-Berater, Marco Bassi, Direktor TIOR SA, und Lorenzo Medici, EnAW-Berater.

Der Hors-sol-Produktion von Tomaten.

Marco Bassi.

Verpackungslinie für Gemüse.

Marco Bassi und Walter Bisang.

Der erfahrene Chemieingenieur kennt die Tessiner Industrie und weiss, wie die Wirtschaft die Low- und High-Hanging Fruit für eine bessere Energie- und Ressourcenbilanz erntet. Lorenzo Medici vertritt die EnAW im Tessin.  

Ob im Obstgarten oder bei seiner Zusammenarbeit mit den Unternehmen im Tessin, für Lorenzo Medici ist es das Grösste, wenn seine Arbeit Früchte trägt. «Ein super Resultat bei der Verarbeitung von Erdbeeren, Brombeeren oder Trauben aus meinem Garten zu erzielen, ist allerdings meistens leichter, als ein Unternehmen auf den besten CO2-Reduktionspfad zu bringen», sagt der promovierte ETH-Chemieingenieur und schmunzelt. Er weiss genau, wovon er spricht. Drei Jahrzehnte Praxis in der Tessiner Industrie haben ihn längstens
gelehrt, dass die «Low Hanging Fruit», wenn es um Energieeffizienz und CO2-Reduktion geht, grösstenteils abgeerntet sind. Das spornt an!

Prozesse verstehen, Energieflüsse umwandeln

Seit 2022 stellt Medici seine Expertise den Unternehmen im Tessin als Berater der Energie-Agentur der Wirtschaft zur Verfügung. «Das reizt mich, weil ich mich in unterschiedlichsten Betrieben, die ihre je eigenen Kontexte und Anforderungen haben, einbringen und für sie Wirkung erzeugen kann.» Medici faszinieren die Energieflüsse in der Wirtschaft und die Aufgabe, sie, ökonomisch und ökologisch motiviert, so effizient wie möglich zu gestalten.

Dafür ist die Kenntnis der Datenlage grundlegend. «Ohne Daten kannst du nichts machen», so Medici. Sie sind die Basis jeder soliden Analyse und Empfehlung. Wenn es jetzt darum geht, die Unternehmen Richtung Netto-Null zu dekarbonisieren oder die Ressourceneffizienz in Richtung Kreislaufwirtschaft zu treiben, geht es um noch mehr Daten. Aber nicht nur. Hier ist vor allem auch Know-how über die industriellen Produktionsprozesse gefragt. «Denn», so Medici, «um da wirklich vorwärtszukommen, müssen wir mit den Firmen tiefer graben und in die Produktionsprozesse eingreifen.» Um bei «High Hanging Fruit» das Optimum für die Unternehmen herauszuholen, greift er auf sein profundes Wissen aus seinen Jahren in der Chemie-, Pharma und Metallverarbeitenden Industrie zurück. Häufig geht es dabei um Vorschläge, wie die Nachhaltigkeitsstrategie und die Umweltziele aus den in- und ausländischen Mutterhäusern der Unternehmen am Produktionsstandort Tessin umgesetzt werden können.

Ziel: neue Zielvereinbarungen

Auf die nächste Zielvereinbarungsperiode ab 2025 freut sich Medici besonders. Nicht nur, weil er dann wieder mehr «im Feld» bei den Unternehmen vor Ort unterwegs ist. Vielmehr rechnet er damit, dass sich mehr Unternehmen dazu entscheiden, einen Zielpfad für die CO2-Reduktion und Energieeffizienz festzulegen. Denn anders als bisher können sich ab 2025 nicht nur bestimmte Unternehmen für den Abschluss einer Zielvereinbarung entscheiden, sondern alle, die konkrete Umweltmassnahmen umsetzen, um die bezahlte CO2-Abgabe rückerstattet zu bekommen.


Fabio Regazzi, Ständerat, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv und Unternehmer, ist mit der Wirtschaftsstruktur der KMU in der Schweiz bestens vertraut. Anlässlich der Konferenz 2024 «Energie für die Wirtschaft!» der EnAW, die am 23. April in Cadempino stattfand, nutzten wir die Gelegenheit, ihn zum Thema Energieversorgung und zu den Herausforderungen zu befragen, denen sich Schweizer Unternehmen stellen müssen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.

Stefano Modenini, Fabio Regazzi, Lorenzo Medici.

Alle reden von der Steigerung der Energieeffizienz. Wie wichtig ist dies für Unternehmen, insbesondere angesichts der in den letzten Jahren gestiegenen Energiepreise?

Die Energieeffizienz ist für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung, da sie sich direkt auf die Betriebskosten auswirkt und daher ein wichtiger Ausgabenposten ist. Angesichts steigender Energiepreise wird die Senkung des Energieverbrauchs zu einer wesentlichen Strategie, um die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt zu erhalten. Die Verbesserung der Energieeffizienz trägt auch zur Verringerung der Umweltauswirkungen bei und bietet somit einen Vorteil für die Unternehmensverantwortung.

In diesem Sinne stellt das Elektrizitätsgesetz, über das am 9. Juni abgestimmt wird, auch eine Chance für die Unternehmen dar, da es die Diversifizierung der Energiequellen auf nationaler Ebene fördert und damit die Abhängigkeit von Importen verringert, indem es einen zuverlässigen Zugang zu Elektrizität gewährleistet und die Eindämmung der Preisschwankungen – und damit der Kosten – für Elektrizität fördert.

Sie sind Unternehmer in verschiedenen Bereichen, unter anderem in der Metallindustrie. Welche Massnahmen ergreifen Sie oder möchten Sie ergreifen, um den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu senken?

Auf Unternehmensebene haben wir beschlossen, im Jahr 2022 einen wichtigen Schritt zu tun und in mehr als 1 600 hochmoderne Solarpaneele mit einer installierten Leistung von rund 600 Kilowatt-Peak und einer Jahresproduktion von mehr als 600 000 Kilowattstunden zu investieren, womit wir mehr als 50 % unseres Bedarfs decken und das Ziel der Energiestrategie 2050 bereits übertreffen. Zwei Jahre später können wir bereits eine positive Bilanz ziehen: Wir haben bereits fast die Hälfte der Investitionskosten amortisiert, da die Eigenverbrauchsquote höher ist als budgetiert.

Für energieintensive Unternehmen wie das unsere ist Strom eine sehr wichtige Ressource, und deshalb muss auch seine Verfügbarkeit stimmen. Die Unternehmen setzen Massnahmen um, um ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Dazu brauchen sie aber auch die notwendigen Rahmenbedingungen, die die Politik weiter fördern muss.

Welchen Rat würden Sie Unternehmen geben, die ihre Produktionsprozesse dekarbonisieren wollen?

Der Energiesektor ist sowohl komplex als auch voller Möglichkeiten für Unternehmen, die ihren Energieverbrauch reduzieren wollen. Neben der Bereitschaft des einzelnen Unternehmers ist es wichtig, dass man bei der Nutzung dieser Möglichkeiten von Branchenexperten begleitet wird, die am besten beraten können, wie man den Einsatz von Energie und Ressourcen kontinuierlich verbessern kann. Organisationen wie die EnAW spielen hier eine zentrale Rolle, denn sie bieten eine massgeschneiderte Beratung, um CO2-Emissionen und Kosten zu reduzieren und die Energieeffizienz zu steigern, ohne dabei Schäden oder Produktivitätseinbussen in Kauf nehmen zu müssen.

Als Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes waren und sind Sie mit vielen Unternehmen in Kontakt. Wie ist die Stimmung?

Bei den Unternehmen ist eine Vielzahl von Stimmungen festzustellen, die von der Sorge über die Herausforderungen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung bis hin zur Suche nach Wachstums- und Innovationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft reichen.

Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass die KMU in der Schweiz im Bereich der Energieeffizienz bereits aktiv sind und viel unternehmen, je nach ihren Ressourcen und Bedürfnissen in unterschiedlichem Masse.

So gibt es Unternehmen, die stark in erneuerbare Energien investieren, und andere, die eine umweltbewusstere Unternehmenspolitik einführen. Es besteht oft die Tendenz zu glauben, dass die Wirtschaft an der Klimafrage desinteressiert ist. Das stimmt nicht: Im Vergleich zu 1990 konnte die Industrie ihre Treibhausgasemissionen bis 2021 um 34 % senken, die größte Reduktion aller Sektoren. Als Unternehmen sind wir auf ein umwelt- und damit auch energiefreundliches Umfeld für unsere Aktivitäten angewiesen. Die Verpflichtung zur Umsetzung von Emissions- und Verbrauchsreduktionsstrategien ist jedoch eng mit den bestehenden Rahmenbedingungen verknüpft, von Fördergeldern für Investitionen über Technologieneutralität bis hin zu Freiräumen für unternehmerische Aktivitäten und Innovationen.

Nach dem neuen CO2-Gesetz können alle Unternehmen künftig entscheiden, ob sie anstelle der CO2-Abgabe eine Zielvereinbarung zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen und zur Steigerung der Energieeffizienz abschliessen. Wird diese Änderung Ihrer Meinung nach eine neue Dynamik für den Abschluss von Zielvereinbarungen in den Unternehmen auslösen?

Die Herausforderung für das Parlament bei der Beratung des neuen CO2-Gesetzes bestand darin, eine wirksame Kompromisslösung zu finden, mit der die Maßnahmen des im Juni 2023 verabschiedeten Klimaschutzgesetzes umgesetzt werden können, ohne die Einschränkungen und finanziellen Belastungen, an denen der Entwurf des CO2-Gesetzes im Jahr 2021 gescheitert war. Dabei wurde besonders auf Anreize und Innovationen gesetzt und auf Verbote und sanktionierende Massnahmen für Bürger und Unternehmen verzichtet. Das neue CO2-Gesetz wird zu mehr Emissionsreduktionen führen, da es allen Unternehmen – und nicht nur einigen – erlaubt, von Zielvereinbarungen Gebrauch zu machen.

Ich bin überzeugt, dass dieser Ansatz die Unternehmen ermutigen wird, wirksame Massnahmen zu ergreifen, die Kosten unter Kontrolle zu halten und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Welches sind die größten Herausforderungen für die Unternehmen im Zusammenhang mit den 2050-Zielen?

Die Unternehmen werden bei der Verfolgung der Ziele für 2050 mit mehreren Herausforderungen konfrontiert sein, darunter die Einführung sauberer und nachhaltigerer Technologien, die Bewältigung des ständig wachsenden regulatorischen Drucks und die Notwendigkeit, Produktionsprozesse zu überprüfen und anzupassen, um die CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren.

Darüber hinaus wird es für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung sein, die Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsstrategien zu integrieren und vor dem Hintergrund des wachsenden Umweltbewusstseins und der gestiegenen Verbraucheransprüche einen geringeren ökologischen Fussabdruck zu hinterlassen.

Wir haben viel über Energie gesprochen und nun eine etwas persönlichere Frage. Wie tanken Sie nach einer anstrengenden Arbeitswoche Ihre Energie auf?

Sobald es mein Zeitplan zulässt, verbringe ich meine Freizeit am liebsten in den Bergen, bei Spaziergängen und Wanderungen: In der Natur kann ich meine Batterien wieder aufladen und ausgeruht und voller neuer Energie in die neue Woche gehen.

Die Forbo-Giubiasco SA hat ihren CO2-Ausstoss seit 2012 halbiert. Mit Effizienzmassnahmen, Prozessanpassungen und dem Anschluss an ein Fernwärmenetz.

Bruno Guidotti (links), Geschäftsführer der Forbo Giubiasco SA, und EnAW-Berater Walter Bisang (rechts) erarbeiten gemeinsam besonders erfolgreiche Massnahmen.

Wie ein Teig: Die zunächst auf 180 Grad Celsius erhitzte Bodenbelag-Masse wird nach dem Walzen abgekühlt.

Schweissschnüren mit der gleichen Farbe und passend zum Bodenbelag werden verwendet, um die Zwischenräume zwischen den Bodenbelag-Platten zu schliessen. Perfekte Hygiene und pflegeleicht.

Die in Giubiasco hergestellten ableitfähigen und isolierenden Platten werden in der Elektro- und Elektronikindustrie auf der ganzen Welt eingesetzt.

Wie muss ein Bodenbelag sein, damit er in Laboren, radiologischen Bereichen oder in der Elektro- und Elektronikindustrie eingesetzt werden darf? Er muss gleichzeitlich ableitfähig und isolierend sein, sowie statische Entladungen verhindern, um die Personen zu schützen, die beim Kontakt mit spannungsführenden Teilen Gefahren ausgesetzt sind. Nebst der Personensicherheit als zentrales Verkaufsargument ist auch die Wahrung der Produktequalität von empfindlichen Elektrogeräten von essenzieller Bedeutung. Diese könnte bei einer statischen Entladung massgeblich beeinträchtigt werden. Die Expertise von Forbo-Giubiasco liegt genau in der Anfertigung solcher Spezialböden. Hier am Standort Giubiasco im Tessin werden Bodenbelag-Platten mit den passenden Schweissschnüren, Ecken, Rampen und Sockelleisten hergestellt. Und zwar für die ganze Welt.

Qualität = Swissmade

Colorex heisst der porenfreie, pflegeleichte High-Tech-Vinylboden. Er erfüllt höchste Hygieneansprüche bis hin zur Reinraumtauglichkeit. Er muss gegenüber elektrischen Spannungen, die von Geräten ausgehen, isolierend und gleichzeitig antistatisch sein. Besonders im Winter und bei trockener Luft kann es durch Reibung von Kleidern oder Schuhen zu Funkenentladungen kommen, wenn sich die Bodenbeläge statisch nicht entladen. Hier darf man keine Risiken eingehen – niemand auf der Welt. So beliefert das Tessiner Unternehmen Kunden in Amerika, Asien und Europa. Dabei gehe es in erster Linie um Vertrauen, erklärt Bruno Guidotti, Geschäftsführer und promovierter Chemiker der Forbo-Giubiasco SA. Aber wie wird ein solches Produkt hergestellt und wo liegen dabei die energieintensivsten Produktionsschritte?

Es ist ein ewiges Hin und Her zwischen heiss und kalt.

Bruno Guidotti, Geschäftsführer der Forbo-Giubiasco SA

Wie beim Backen

«Stellen Sie sich vor, Sie backen einen Zopf», beginnt Guidotti zu erklären. Zu Beginn des Prozesses erhält das Unternehmen die Rohmaterialien in Pulverform. Diese werden zunächst im vierstöckigen Mischturm dosiert und gemischt. Der ganze Prozess läuft vollautomatisch und wird vom Kontrollraum aus gesteuert und ständig überwacht. Am Ende des Mischvorganges entsteht durch das Erhitzen der Grundmasse auf 180 Grad Celsius eine heisse, homogene und verarbeitbare Masse. «Der Teig sozusagen», schmunzelt Guidotti. Anschliessend wird diese heisse Masse mithilfe von Kalanderwalzen zu einem endlosen Band ausgewalzt und kühlt an der Luft ab. In einem nächsten Schritt wird dieses Band zu kleinen, viereckigen Chips zerschnitten. Mit einer schwarzen Flüssigkeit auf Russbasis werden diese Chips anschliessend beschichtet. Die schwarze Flüssigkeit besteht aus leitfähigem Material und sorgt dafür, dass die Böden am Ende antistatisch werden. Mit hohem Druck – ganzen 45 Kilogramm pro Quadratzentimeter – werden die Chips in einem grossen Ofen erneut erhitzt, zu Fladen gepresst und anschliessend längs gespaltet. Was danach passiert, ist die Oberflächenbehandlung, die aus Schleifen, Bürsten und Glätten besteht, bevor die Platten in den Entspannungsofen gelangen, in dem sie zuerst erwärmt und anschliessend gekühlt werden. Am Ende des Prozesses werden die Platten auf Mass gestanzt, akribisch kontrolliert, palettiert und zum Versand vorbereitet.

Mit kleinen Massnahmen Grosses bewirken

«Es ist ein ewiges Hin und Her zwischen heiss und kalt», sagt Guidotti über den Produktionsprozess. Und das sei eigentlich immer energieintensiv. Für die gesamte Produktion benötigt die Forbo-Giubiasco SA eine grosse Menge an thermischer Energie. Seit über neun Jahren ist die Grossverbraucherin deshalb nun schon Teilnehmerin im Energie-Modell der EnAW und folgt damit unter anderem ihrem weltweiten Motto «Creating Better Environments». Seitdem haben Guidotti und EnAW-Berater Walter Bisang schon viel erreicht. Nämlich beispielsweise mit der Umsetzung von Effizienzmassnahmen. Nicht nur die Knet- und Schmelzmaschine, sondern auch die grosse Presse werden durch Thermoöl beheizt. Früher ging viel von dieser Prozesswärme aufgrund wenig Isolierung einfach verloren. Heute sind die Maschinen komplett mit Isoliermatten bestückt und die wärmeführenden Röhren optimal gedämmt. Die Wärme bleibt so vermehrt im Prozess und Forbo spart damit ganze 70 000 Liter Heizöl pro Jahr. «Natürlich müssen Massnahmen, die wir im Sinne der Umwelt umsetzen auch wirtschaftlich interessant sein», so Guidotti. Mit einer Payback-Zeit von knapp drei Jahren haben sich diese Effizienzmassnahmen aber bereits alle Male gelohnt

Wir schauen einer treibhausgasfreien Zukunft optimistisch entgegen.

Bruno Guidotti, Geschäftsführer der Forbo-Giubiasco SA

Genau hinschauen lohnt sich

Wer nach klassischen Effizienzmassnahmen einen Schritt weitergehen will, schaut sich die Prozesse an. Beispielsweise mit einer Pinch-Analyse. «Bei der Pinch-Analyse geht es darum, alle Prozesse grundsätzlich zu hinterfragen», erklärt Bisang. Und genau das hat die Forbo-Giubiasco SA 2012 und 2014 gemacht. So auch beim Entspannungsofen, der am Ende der Produktion steht und bei dem der Energieverbrauch hauptsächlich von der Temperatur im Innern des Ofens bestimmt wird. «Es stellte sich die Frage, ob die eingesetzte Erhitzungstemperatur notwendig war», erinnert sich Bisang.  Auch wurde die Menge der benötigten Zuluft und Abluft in den einzelnen Bereichen sowie die absoluten Höhen der Temperaturen hinterfragt. Nach Anpassungen bei den Luftmengen wurde die Temperatur in kleinen Schritten zurückgefahren und die resultierende Produktequalität genauestens verfolgt. Das Resultat: Wo früher Temperaturen von 110 Grad Celsius zum Aufheizen der Platten nötig waren, braucht es heute nur noch 60 Grad Celsius – und das bei gleichbleibender Produktequalität. Damit spart Forbo eine beträchtliche Menge an Heizöl ein. Aber nicht nur das. «Jetzt, wo wir nur noch 60 Grad Celsius brauchen, sind wir dabei zu prüfen, ob wir hier nicht ganz auf Thermoöl verzichten und die nun niedrigeren Temperaturen im bestehenden Ofen vielleicht sogar mit Heisswasser sicherstellen können», erklärt Guidotti. Und zwar über den Warmwasserkreis, der bei Forbo neben dem Thermoölkreis, der auf 200 Grad Celsius erhitzt wird, zusätzlich in der Fabrik zirkuliert. Dieser Warmwasserkreis wird aus dem Fernwärmenetz «Teris» gespiesen. 

Energie aus der Region

Einen Kilometer von der Betriebsstätte in Giubiasco entfernt, befindet sich die einzige Verbrennungsanlage für Siedlungsabfälle des Kantons Tessin. «Wir beteiligten uns als eines der ersten Unternehmen daran, um die lokale Fernwärmeenergie voranzutreiben und heizen heute das gesamte Gebäude mit Fernwärme und der Abwärme aus der Produktion», erzählt Guidotti. «Damit können wir jährlich ungefähr 120 000 Liter Heizöl einsparen.» Indem Projekte wie jenes mit dem Entspannungsofen geprüft werden, soll der Fernwärmeanteil in Zukunft grösser werden und Forbo in eine dekarbonisierte Zukunft führen. Was das Tessiner Unternehmen bisher erreicht hat, ist beeindruckend. Seit 2012 konnte der CO2-Ausstoss mit der Umsetzung von Effizienzmassnahmen, Prozessoptimierungen und dem Anschluss an das Fernwärmenetz halbiert werden. Angefangen bei 1425 Tonnen pro Jahr, stiess das Unternehmen 2020 jährlich noch 684 Tonnen CO2 aus – eine bemerkenswerte Leistung. Trotzdem: «Ganz ohne Öl geht es einfach noch nicht», erklärt EnAW-Berater Walter Bisang.

Positive Aussichten

«Wir sprechen hier über eine Industrie, die für die Produktion hohe Temperaturen braucht», so Bisang. Diese können nicht mit Heizenergie aus dem Fernwärmesystem sichergestellt werden, da besagtes Fernwärmesystem eine maximale Temperatur von 90 Grad Celsius generiert. Diese Temperaturen reichen für Gebäudeheizungen und andere Tieftemperaturanwendungen, nicht aber für Prozesse mit höheren Temperaturen. Deshalb benutzt man bei Forbo ein System mit Thermoöl. Thermoölanlagen bieten verschiedenste Vorteile wie beispielsweise einen hohen Grad an Präzision in der Regelung. Fakt bleibt aber: Es handelt sich dabei um keine nachhaltige Energiequelle. Deswegen sorge auch das ambitiöse Netto-Null-Ziel der Schweiz bereits für viel Gesprächsstoff. «Natürlich machen wir uns Gedanken darüber und prüfen unsere Möglichkeiten fortlaufend», so auch Guidotti. In Diskussion ist beispielsweise auch ein möglicher Einsatz von Pellets zum Abdecken des Hochtemperaturbedarfs – entschieden ist aber noch nichts. Unter schlaflosen Nächten leide der Chemiker dennoch nicht. «Was wichtig ist, ist die mentale Einstellung», ist er sich sicher. «Zwar kennen wir die schlussendliche Lösung heute noch nicht, aber wir sind uns sicher, dass wir die Herausforderung annehmen werden, und schauen einer treibhausgasfreien Zukunft optimistisch entgegen.» 

Der Entspannungsofen

Der Entspannungsofen ist in verschiedene Segmente unterteilt und ca. 25 Meter lang. In der ersten Hälfte wird geheizt, in der zweiten gekühlt. Beim Durchlaufen dieser Temperaturunterschiede stabilisiert (entspannt) sich das Produkt (Bodenplatten) während der Durchlaufzeit von einigen Minuten.

Weitere Informationen