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Heisse Angelegenheiten

Der heisseste Job der Schweiz: ein Traditionshandwerk steht vor neuen Herausforderungen.

Gläserne Meisterwerke werden unter den heissesten Bedingungen geformt – mit Feuer und Flamme.

1150 Grad heiss sind die leuchtenden Glaskugeln, wenn sie aus dem Ofen genommen werden.

Die Kinderaugen funkeln vor Begeisterung, als der Glasbläser, ein echter Meister seines Metiers, den hellroten Glasballen aus dem über 1150 Grad heissen Ofen holt, ihn biegt, bläst und allmählich zu einer schönen Vase formt. In der Schweiz gibt es wohl kaum jemanden, der dem Traditionsbetrieb am Rande des malerischen Vierwaldstättersees noch nie einen Besuch abgestattet hat. Seit über 200 Jahren werden in der Glasi Hergiswil Gläser, Vasen, Karaffen, Glaskugeln und andere Dekorationsartikel sowie auch Spezialanfertigungen auf Wunsch von Kunden oder Architekten hergestellt. Und das vor den Augen zahlreicher Schaulustiger. Seit einem halben Jahrhundert, genauer seit 58 Jahren, ist auch Eduar Arabiano Teil der Glasi-Familie. Arabiano war schon mit von der Partie, als Roberto Niederer die Glasi 1975 vor dem Untergang rettete, weil sie den Anschluss an die moderne Technik verpasst hatte. Das sollte nie wieder passieren. Im Gegenteil – Arabiano und sein Team achten darauf, neuste Technologien einzusetzen, stets am Puls der Zeit zu bleiben und das traditionelle Glasbläserhandwerk zukunftsfähig zu behalten. Dies auch in puncto Energie – so gut es physikalisch geht.

Physik bleibt Physik

«Mit verschiedenen Rohstoffen stellen wir die Mischung (Gemenge) für unser hochwertiges Glas selbst her», erklärt Arabiano. Diese besteht aus den Grundstoffen Quarzsand, Kalk und Soda. Die perfekte Mischung gelangt dann in das Herzstück jeder Glashütte, den Ofen, in dem sie zu einer honigartigen Masse geschmolzen und schliesslich von den Glasbläsern zurProduktion entnommen werden kann. Erst ein Jahr alt ist der neue Wannen-Ofen. Hier herrschen Temperaturen von etwa 1500 Grad. «Physik bleibt eben Physik», sagt Arabiano und erklärt, warum der Energiebedarf der Glasi so hoch ist. Das Material müsse nun mal genau bei diesen Temperaturen geschmolzen werden. Darunter passiere nichts und man könne niemals die Qualität der Produkte sicherstellen, für die die Glasi stehe. Die Energiezufuhr für den Ofen erfolgt über zwei Quellen: Er wird zum einen von oben mit Gas beheizt, zum anderen über Elektroden mit Strom. Das Einzelstück wurde extra für die Glasi konzipiert, Kostenpunkt rund drei Millionen Franken, und hält nur sechs bis acht Jahre. «Nicht gerade nachhaltig», gibt Arabiano zu. Grund für die kurze Lebensdauer des Ofens sind die speziellen Ofensteine, in denen das Glas geschmolzen wird. Sie nutzen sich beim Schmelzprozess ab, werden kleiner und isolieren dadurch weniger, sodass immer mehr Wärme verloren geht. Irgendwann ist die Dämmung so schlecht, dass der Ofen ersetzt werden muss. Bis das passiert, läuft er ununterbrochen. 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. «Je nach Schichtbetrieb kann die Temperatur zwar etwas gesenkt werden, sofern Prozess und Betrieb es zulassen», sagt Erich Kalbermatter, EnAW-Berater. Ihn zwischenzeitlich abzustellen wäre aus energetischer Sicht allerdings fatal, weiss Arabiano: «Es würde nur schon zehn Tage dauern, bis der Ofen abgekühlt wäre. Und anschliessend nochmals zwei Wochen, bis er die Schmelztemperaturen wieder erreicht hätte.» Energetisch also eine kleine Katastrophe. Einen Vorteil bringt der regelmässige Ersatz des Ofens allerdings: Er ist technisch immer auf dem neusten Stand und energieeffizienter als all seine Vorgänger. Eine Sorge weniger für Arabiano, denn es ist schwierig, alles unter einen Hut zu bringen. «Qualität, Energieeffizienz, politische Auflagen. Wir müssen ständig darauf achten, besser zu werden», erklärt er. Deshalb schätzt er die Zusammenarbeit mit der EnAW und Kalbermatter, seinem langjährigen Berater.

Immer besser werden

Die Glasi erreicht die in ihrer Zielvereinbarung gesteckten Ziele jedes Jahr», so Kalbermatter. Dies, weil Arabiano und sein Team ständig darum bemüht sind, das Tagesgeschäft energetisch zu optimieren. Angefangen beim simplen Ausschalten der Beleuchtung, bis hin zur konsequenten Abwärmenutzung. So entstieg beispielsweise die Wärme aus dem Ofen früher durch den Kamin und ging verloren. Heute wird sie in den Schmelzbereich zurückgeführt, womit rund 30 Prozent des Energieverbrauchs im Ofen eingespart werden können. Auch an der perfekten Mischung des Rohmaterials wurde aus energetischer Sicht geschraubt.

Mit Scherben sparen «Recycling» lautet hierfür das Zauberwort. Denn was schon einmal geschmolzen war, wird auch schneller wieder flüssig und braucht entsprechend weniger Energie. Zwar kann die Glasi Hergiswil aus Gründen der Qualität nur eigene Scherben wiederverwenden, dennoch machen diese unterdessen rund 40 Prozent des Gemenges vor dem Schmelzprozess aus. So kann der Schmelzpunkt etwas gesenkt werden. «Unsere Kollegen aus der Flaschenindustrie können sogar rund 80 Prozent Recyclingmaterial, also alte Flaschen, verwenden und profitieren dadurch von einem niedrigeren Energiebedarf», erklärt Arabiano. «Das können wir leider nicht – auch in dieser Hinsicht werden wir als kleiner Traditionsbetrieb mit höchsten, auch künstlerischen Qualitätsansprüchen mehr in die Pflicht genommen.»


Schlaflose Nächte in Hergiswil

Eduar Arabiano
Leitung Technik/Produktion
Glasi Hergiswil

Herr Arabiano, was denken Sie, wenn Sie Netto-Null hören?

Darüber mache ich mir natürlich sehr viele Gedanken. Sie bereiten mir teilweise sogar schlaflose Nächte. Das Ziel ist im Grossen und Ganzen sicherlich wichtig und richtig. Dennoch ist es für einige Branchen enorm schwierig, dieses zu erreichen. Mit unseren Temperaturanforderungen, unserer Infrastruktur und unseren Prozessen ist dieses Ziel für uns tendenziell noch in weiter Ferne, ausser wir würden die verbleibenden CO2-Emissionen kompensieren.

Was würden Sie sich in dieser Hinsicht wünschen?

Ökologie und Ökonomie müssen stets im Einklang miteinander stehen. Ich wünsche mir, dass die verschiedenen Branchen vom Bund etwas individueller betrachtet und anhand ihrer Möglichkeiten verpflichtet werden, sich zu verbessern. Ich setze mich tagtäglich dafür ein, dass unser Betrieb die beste Version von sich selbst ist, sensibilisiere die Belegschaft für Umweltthemen und drehe an jeder Schraube, um effizienter zu werden. Aber gewisse Dinge lassen sich nur schwer ändern und dem muss Rechnung getragen werden.

Sie haben in 58 Jahren viel erlebt. Was bringen die nächsten 58 Jahren für die Glasi?

Wir haben in dieser Zeit viel geschafft. Wir sind der Pleite von der Schippe gesprungen, haben dafür gekämpft, dass der Glasmacher-Beruf vom Bund anerkannt wird, haben uns neu erfunden und uns immer wieder weiterentwickelt. Wir sind nie stehen geblieben. Die herausfordernde Aufgabe der Dekarbonisierung wird wohl die nächsten Generationen noch beschäftigen. Ich wünsche der Glasi, dass sie auch diese Herausforderung meistert.

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