Das Netzwerk des Lebens floriert und gedeiht seit rund vier Milliarden Jahren und setzt dabei auf einige einfache Grundsätze. Dazu gehört der ständige Materialkreislauf: Was für einen Organismus Abfall ist, dient als Ressource für andere Lebewesen. Wenn sich unsere Industriestruktur daran orientiert, kann sie eigentlich nur noch florieren und gedeihen – oder?
Fünf Schritte sind bei der Umsetzung einer CO2-freien Produktion Erfolg versprechend:
Durch die Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung über einzelne Produktionsstandorte hinaus kann weiteres Potenzial zur Emissionsreduktion erschlossen werden. Durch Nah- und Fernwärmenetze können Wärme und Kälte zwischen verschiedenen Prozessen und Industrien genutzt werden. Die Herausforderungen bei der Umsetzung stellen sich bei der räumlichen Planung der übergreifenden Nutzungen und Netze bzw. der geografischen Distanz der potenziell angeschlossenen Unternehmen. Wärmenetze setzen ausserdem eine langfristige Planung voraus und bedingen hohe Investitionen, welche die Unternehmen der angeschlossenen Standorte teilweise finanziell nicht tragen können. Zudem schaffen übergreifende Nutzungen und Netze Abhängigkeiten zwischen den Betrieben, die bei der Planung berücksichtigt werden müssen. So kann zum Beispiel ein Pfannenhersteller eine Gemeindeverwaltung, ein Altersheim, Teile der Schulanlagen und private Liegenschaften mit Wärme versorgen. Da nicht nur Partnerunternehmen vorhanden sein müssen, sondern häufig auch eine öffentliche Infrastruktur Voraussetzung ist, sind zudem Rechts- und Planungssicherheit sowie ein gutes Einvernehmen mit den Behörden unabdinglich.
Die ersten Zivilisationen erlebten dank der Erfindung der Landwirtschaft einen Aufschwung. Nun, da unsere Gesellschaft ihre Energiemodelle neu erfinden muss, wird die energetische Gegenseitigkeit, die sich zwischen zwei landwirtschaftlichen Gewerben auf dem Land bei Vernier (GE) eingestellt hat, zum Symbol. Dort produziert die Millo & Cie in grossen Gewächshäusern Schnittblumen für den regionalen Markt. «Früher haben wir unsere 12 000 Quadratmeter grossen Gewächshäuser mit Propan beheizt», erinnert sich Charles Millo, dem schon seit jeher eine andere, erneuerbare, lokale Energiequelle vorschwebte. Zusammen mit dem Landwirtschaftsbetrieb seines Nachbarn Marc Zeller hat er daher beschlossen, das fossile Gas durch Biogas zu ersetzen: In einer grossen Kompostieranlage werden dem Mist und anderen organischen Abfällen Bakterien zugegeben, die beim Abbauprozess Methan freisetzen, mit dem in einer Wärme-Kraft-Kopplungsanlage Wärme und Strom generiert werden. «Seit 2012 produzieren wir Biogas aus den vergärbaren Abfällen von Marcs Hof sowie von zwei weiteren Landwirtschaftsbetrieben und aus Nahrungsmittelresten aus der Gastronomie.» Die jährlich erzeugten 3,5 Gigawattstunden Strom werden zu einem grossen Teil in das Netz eingespeist, und zwar bei Bedarf, denn die Lagerung von Methan ermöglicht eine flexible Einspeisung. Mit Biogas werden 70 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs der Gewächshäuser mit einer Warmwasserheizung abgedeckt. Im Winter, wenn die Produktion der Schnittblumen auf Hochtouren läuft, wird als Zusatzheizung noch Propan eingesetzt.
«Dank Biogas können wir die Gewächshäuser beheizen, hausgemachten Strom nutzen und unser Einkommen diversifizieren, indem wir unseren Stromüberschuss verkaufen», freut sich Charles Millo. Der Verkauf der Gärreste als Dünger trägt in mehrerlei Hinsicht zum Klimaschutz bei: Er erfolgt lokal, die Produktion ist einfach, die Transportwege sind kurz bis inexistent.
Ganz am anderen Ende der Schweiz, in Tägerwilen (TG), arbeiten der Frucht- und Gemüsesafthersteller Biotta AG und der benachbarte Gemüsebetrieb Rathgeb Bio ebenfalls Hand in Hand. Auch sie wollen sich von den fossilen Energieträgern lösen. «Die Sonne gewährleistet den grössten Energieanteil in unseren Gewächshäusern, aber es braucht noch mehr Energie, damit die Kulturen in einer warmen und trockenen Umgebung optimal gedeihen können», erklärt Thomas Meier, Leiter Finanzen bei Rathgeb. Als die Biotta AG ihr Heizsystem erneuern wollte, ist eine Diskussion über die Bedürfnisse der beiden Unternehmen entstanden – Dampf für Biotta und Warmwasser für Rathgeb. Nun nutzen beide Unternehmen gemeinsam eine Heizung, die mit Thurgauer Holzschnitzeln befeuert wird, mit einem Volumen von 5300 Kubikmetern pro Jahr. Das Warmwasser wird über die Fernwärmeleitung in die Speicheranlage von Rathgeb geleitet und der Dampf wird in die Produktionskette von Biotta eingespeist. Alle Produktionsprozesse und die Heizung der Biotta-Gebäude sind nun vollständig CO2-neutral. In den Gewächshäusern von Rathgeb beträgt dieser Grad momentan 75 Prozent, wobei der Gemüsebetrieb ebenfalls eine volle CO2-Neutralität anstrebt. Fortsetzung folgt also…
Eine weitere Holzschnitzelfeuerung in Courtelary (BE) im Berner Jura hat überraschend gar drei Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Sektoren vernetzt: eine Schreinerei, einen Schokoladenhersteller und ein Zementwerk.
Die Chocolats Camille Bloch SA lässt hinsichtlich erneuerbarer Energien nichts anbrennen. Die Photovoltaikanlagen auf den Dächern decken 10 Prozent des Strombedarfs – der restliche Strom stammt aus zertifizierter Wasserkraft. Auch die Kälte wird hauptsächlich mit Wasserkraft erzeugt, und zwar über die Entnahme von Wasser aus dem nahegelegenen Fluss. Zudem nutzt die auf dem Dach installierte Free Cooling-Anlage die Umgebungstemperatur für die Kälteerzeugung. Die Wärme, die in den Räumlichkeiten und entlang der gesamten Produktionskette verwendet wird, kommt hauptsächlich aus dem Fernwärmenetz der Gemeinde, für das regionales Holz verfeuert wird. Die aus der Durchsetzungskraft eines Unternehmers aus Courtelary entstandene La Praye énergie SA hat nun einen Kunden gewonnen, der zu jeder Jahreszeit ein Grossverbraucher ist. «Unser Heizölverbrauch ist von 230 000 auf 57 000 Liter pro Jahr gesunken – der Ölheizkessel bleibt lediglich zur Sicherheit und zur Unterstützung erhalten», erklärt Jean-Philippe Simon, Leiter Infrastruktur bei Camille Bloch.
Aber das war noch nicht alles. Das Netz von Camille Bloch und La Praye énergie hat sich über die Asche auf die Vigier Ciments SA in Péry Reuchenette (BE) ausgedehnt. Olivier Barbery, Direktor des Zementwerks, erläutert: «Für die Zementherstellung wird Kalkstein zu Rohmehl vermahlen, das anschliessend mit 20 Prozent Mergel versetzt wird, bevor alles bei 1450 Grad Celsius im Ofen gebrannt wird. So entsteht der Zementklinker, der dann zu Zement vermahlen wird. Beim Brennen sowohl des Kalkgemischs als auch des Brennstoffs wird CO2 freigesetzt. Da bei der Produktion einer Tonne Klinker 0.72 Tonnen CO2 freigesetzt werden, reduziert sich der CO2-Fussabdruck, je weniger Klinker sich im Zement befindet.»
1995 hat Vigier eine erste Generation von Zementen auf den Markt gebracht, bei denen Klinker und hochwertiger Rohkalkstein vermischt werden: «In einer zufälligen Unterhaltung mit dem Betreiber der Heizungsanlage in Courtelary erklärte dieser, wie die Asche in einer Deponie entsorgt und befeuchtet werden musste, mit einer Tarifierung nach Gewicht. Doch es gibt eine bessere Option: Die Asche kann in das Gemisch für den Klinker integriert werden. Seither verwenden wir die Asche», so Olivier Barbery. Allerdings ärgert sich Barbery darüber, dass die «Normen immer noch zu viel reinen Klinker für Anwendungen vorschreiben, in denen Gemische voll und ganz genügen würden». Die Normen müssen sich also noch weiterentwickeln. Das zeigt, dass Klimaschutz eine kollektive Herausforderung ist.
Seit 1976 optimiert Vigier Ciments so ihre CO2 -Bilanz: Fossile Energieträger werden laufend durch Altholz, Schlamm, Tabakstaub, tierische Fette und Tiermehl oder auch alte Lösungsmittel und Altöl usw. ersetzt. Also durch alles, was andernorts als Abfall anfällt… «Unsere Wärme wird heutzutage zu fast 97 Prozent aus alternativen Brennstoffen gewonnen.» Zusammen mit weiteren umfassenden Massnahmen führen die genannten Massnahmen zu einer Senkung der CO2-Emissionen um 35 Prozent seit 1990 am Standort, mit einem Ziel von 40 Prozent bis 2021.
Ebenfalls mit Mineralien arbeiten die Schweizer Salinen, die jährlich bis zu 600 000 Tonnen Salz an drei Standorten fördern: Riburg (AG), Schweizerhalle (BL) und Bex (VD). An den Standorten im Aargau und in Baselland befindet sich das Salz in Tiefen von 200 bis 500 Meter. Durch das Zuführen von Frischwasser bildet sich im angebohrten Salzlager die Sole. Nach der Verdampfung des Wassers bleibt das Salz zurück. Die Hälfte dieser Salzproduktion wird als Auftausalz auf den Strassen verwendet, der Rest für die Industrie, für das Vieh sowie – natürlich – als Speisesalz.
Die Verdampfungsprozesse benötigen viel Wärme, die über den freigesetzten Dampf laufend zurückgewonnen wird. Dank einer Vorrichtung, die 1877 von Antoine-Paul Piccard, dem Urgrossonkel von Bertrand Piccard, in Bex eingeführt wurde und die sich seither bewährt hat, wird der Dampf zuerst komprimiert und anschliessend in den Heizkreislauf eines grossen Verdampfers eingespeist. Der Verdampfer in der Riburger Saline ist 30 Meter hoch. Trotz der ständigen Optimierung der Energieeffizienz erzeugt die Anlage immer noch grosse Wärmeüberschüsse, «wie ein Fluch», lächelt François Sandoz, der technische Leiter. Dieser Überschuss ist hingegen ein Segen für den «wärmehungrigen» Nachbarn SwissShrimp, den Schweizer Shrimpszüchter, der 2018 seinen Betrieb aufgenommen hat. Die Abwärme der Saline wird über das Fernwärmenetz zur Shrimpsfarm und zu den Becken geleitet, «für eine ökologische und nachhaltige Shrimpsproduktion», verkündet François Sandoz stolz.
Was, wenn man Abwärme hat, aber keinen Nachbarn, der sie nutzen könnte? Ein Unternehmen mit mehreren Gebäuden kann natürlich auch sein eigener Nachbar sein. Genau das hat die B. Braun Medical SA in Crissier (VD) gemacht.
Das deutsche Unternehmen, das vor 180 Jahren gegründet wurde und noch immer im Familienbesitz ist, beschäftigt momentan 63 000 Menschen weltweit, davon 365 in Crissier. Der Waadtländer Standort stellt Volumenersatzlösungen und flexible Weichbeutelsysteme für die parenterale Ernährung und die Infusionstherapie, aber auch Beutel für Lösungen zur urologischen Anwendung her.
Da B. Braun einen ziemlich hohen Wasser- und Energiebedarf aufweist, hat das Unternehmen 2018 beschlossen, die Abwärme etwa vom Spülwasser sowie die Kälte aus seinen Prozessen zurückzugewinnen. «Es musste ein komplexer Luftkreislauf geschaffen werden, um den Untergrund, der bereits mit Leitungen und Verkabelungen zwischen den Gebäuden durchlöchert war, zu umgehen. Aber das hat sich gelohnt!», erklärt Michel Monti Cavalli, Leiter Engineering und Technik. «Das Herzstück der Anlage bildet eine riesige Wärmepumpe der neusten Generation. Sie gewährleistet eine Temperatur von 75 Grad Celsius in unserem Heizkreislauf, indem sie die zurückgewonnene Abwärme mit einer Temperatur von 20 bis 35 Grad Celsius entsprechend umwandelt.» Diese Lösung deckt jetzt bis zu 97 Prozent des Heizbedarfs der Räumlichkeiten ab, ist fast klimaneutral und birgt dank der innovativen Kühlflüssigkeit der Wärmepumpe kein Risiko für die Ozonschicht.
Die B. Braun Medical SA in Crissier hat so ihre Nutzung von fossilen Energieträgern sehr stark gesenkt und damit auch ihre CO2-Emissionen. Die daraus resultierende Rückerstattung der Lenkungsabgabe trägt zur Rentabilität der Anlage bei.
Seit über vier Milliarden Jahren floriert und gedeiht das Netzwerk des Lebens kontinuierlich und basiert auf dem Grundsatz, dass die Abfälle eines Organismus als Ressource für andere Lebewesen dienen. Wenn sich unsere Industriestruktur daran orientiert, kann sie eigentlich nur noch florieren und gedeihen!
Im Interview mit Olivier Andres, CEO Steen Sustainable Energy AG, Lausanne, früherer Vorsteher des kantonalen Amts für Energie des Kantons Genf
Eigentlich ist es ganz natürlich, in einem Umfeld, in dem die Energie im Vordergrund steht, von «Netzen» zu sprechen. Und doch ist es höchste Zeit, die Netze im weiteren Sinne zu betrachten – gleichzeitig aber, und das ist kein Widerspruch, viel lokaler. Also nicht nur unter dem Blickwinkel der grossen herkömmlichen Verteilinfrastrukturen.
Es ist mittlerweile alltäglich, eine Kehrichtverbrennungsanlage für die Beheizung von Wohnungen mit diesen zu vernetzen. Doch jedes Unternehmen mit thermischen Überschüssen oder verwertbaren Abfällen sollte diese auch an andere Einheiten – Unternehmen, öffentliche Einrichtungen, Wohngebäude – übertragen können, die sie nutzen können. Das Potenzial in der Schweiz für solche Vernetzungen wird seit 2010¹ analysiert und vom Bund 2018 in einem Bericht² bestätigt. Die Investitionen lassen jedoch auf sich warten, und das Potenzial ist nicht ausgeschöpft. Zu viele Unternehmen sind nur auf sich fokussiert und beharren auf fossilen Energieträgern.
Allerdings sind die Klimakrise und die CO2-Gesetzgebung weniger abstrakt als die Energiefrage. Sie bewirken eine Bewusstwerdung, was wir als Planungsunternehmen spüren. Körperschaften bekräftigen ihr Interesse an einem Raumkonzept, das ihre lokalen Ressourcen in den Bereichen Energie, Materialien und Abfälle abbildet sowie die Möglichkeiten, diese Ressourcen weiterzuentwickeln und gemeinsam zu nutzen. In diesem Konzept haben auch die Unternehmen ihren Platz, und dieser Ressourcenkreislauf kann ihnen zusätzliche Erträge bescheren.
Es handelt sich nicht um technische Hindernisse. Im digitalen Zeitalter erlauben leistungsstarke Technologien den kollektiven und rationalisierten Einsatz und Austausch von – elektrischen oder thermischen – Energie- und Materialflüssen.
Diese Wende nützt der Umwelt, aber auch der Wirtschaft, wird jedoch von einem wichtigen Akteur nicht ausreichend unterstützt: von der Finanzwelt. Die Finanzierung eines Wohnquartiers ist weniger risikobehaftet als diejenige von Infrastrukturen zur gemeinsamen Nutzung von Abwärme und Abfällen eines Industriegebiets. Denn wenn ein Unternehmen, das ein Glied dieser Kette ist, unerwartet schliesst, kann dieses Netz geschwächt oder gar unterbrochen werden. Der Staat könnte dort eine Rolle spielen: Er könnte Sicherheit schaffen, indem er für die Investitionen der Unternehmen oder externer Investoren bürgt. Und dabei darf man auch ruhig «gross» denken: Je mehr Unternehmen sich in einem Gebiet zusammentun, desto geringer sind die Risiken, weil auch diese gemeinsam getragen werden.
Auf politischer Ebene wurde mir schon häufig erklärt, dass ein Staat nicht wie ein Unternehmen geführt werde und dass Entscheidungen und Umsetzungen wegen politischer Machtwechsel mehr Zeit benötigten. Doch bei der Gesundheitskrise 2020 wurde rasch gehandelt, mit Mitteln, die auch in der Klimakrise ein Eingreifen ermöglichen würden. Der Klimawandel wird sich allerdings wesentlich stärker, dafür aber langfristiger, auswirken – und wird doch auf die leichte Schulter genommen.
Die administrative Prüfung von Projekten besteht aus einer Reihe von kleinen Entscheidungen, die den Umfang und das öffentliche Interesse dieser Projekte verschleiern. Klar ist, dass eine erneuerbare Energie, die aus lokalen Abfällen erzeugt und somit klimaschonend ist, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Für diesen Schritt braucht es aber ein langes und fragmentiertes Verfahren – mit vielen Beschwerden und Überarbeitungen. Wenn man sich einen umfassenden, flexiblen Übergang wünscht, gilt es, ein Entscheidungsnetz auf die Beine zu stellen, das selbst auch umfassend und flexibel ist.
Erwähnte Quellen:
¹«Fernwärme Schweiz – VFS-Strategie», Weissbuch des Verbands Fernwärme Schweiz (VFS), Planungsbüro Eicher + Pauli, 2014.
²«Leitfaden Fernwärme/Fernkälte, Schlussbericht», energieschweiz, 2018. Beide Unterlagen stehen auf www.fernwaerme-schweiz.ch zur Verfügung.
07.11.2024
Gesundheit, Schönheit und Energieeffizienz gehen bei der Weleda AG seit der Gründung Hand in Hand – oder besser gesagt Tube in Tube. Wenig erstaunlich also, dass die weltweit führende Herstellerin von Naturkosmetika und anthroposophischer Arzneimittel ihre Energie-Hausaufgaben mehr als nur erledigt. Seit 2012 zählt sie dabei auf die Unterstützung der EnAW.
Tu Gutes und sprich darüber: Die Weleda AG gewährt weiteren EnAW-Teilnehmern am KMU-Frühstück einen Eindruck in die nachhaltige Firmenphilosophie.
Wer kennt sie nicht, die feinriechenden Körperpflegeprodukte der Weleda AG, die hierzulande in fast jeder Apotheke und Drogerie erhältlich sind. Die Auswahl: riesig. Mehr als 1000 Arzneimittel und 120 Naturkosmetika aus über 1000 natürlichen Substanzen schmücken die Produktepalette der weltweit führenden Herstellerin von anthroposophischen Heilmitteln und Naturkosmetik. Und das seit bald 100 Jahren. Als Unternehmen im Dienst der Gesellschaft will Weleda sowohl der Schönheit als auch der Gesundheit von Mensch und Natur etwas Gutes tun. «We dare to care», so das firmeninterne Credo, das den Gründungsimpuls aus dem Jahr 1921 in die Gegenwart übersetzt und zu nachhaltigem Handeln inspiriert.
«Das Wertvollste, das wir hier haben, sind unsere Produkte», weiss der Nachhaltigkeitsmanager der Weleda, Marcel Locher. «Wir arbeiten mit sehr vielen natürlichen Rohstoffen.» Das sei Alleinstellungsmerkmal und Herausforderung zugleich. So liegt der Bioanteil pflanzlicher Rohstoffe, der für die Produktion benötigt wird, bei über 80 Prozent – Tendenz steigend. Gleichzeitig soll auch die Biodiversität erhalten, wenn nicht sogar verbessert werden. Wie das geht? Mit ethischem und wertschöpfendem Wirtschaften sowie hohen Massstäben in Ökologie und Qualität. Die Arzneimittel- und Naturkosmetikherstellung sei zwar per se keine energieintensive Angelegenheit. Dennoch: Ein ganzheitlich vorbildliches Energie-Management bedarf, ähnlich wie die Gesundheit und Schönheit, einer stetigen Pflege.
Was aus ebendieser energetischen Pflege resultiert, veranschaulicht das neue Bürogebäude in Arlesheim besonders eindrücklich. Denn der Neubau entspricht höchsten Effizienz- und Nachhaltigkeitsstandards: Holzelemente aus einheimischem Buchenholz, recycelter Beton, Minergie-Eco, Minergie-P (mit Zertifizierung), eine Fotovoltaikanlage und eine über Erdsonden betriebene Heizung und Kühlung. Und damit nicht genug: Das ältere Gebäude wird mit einer Hackschnitzelheizung beheizt, Erdgas wird direkt kompensiert und Abwärme aus den Kältekompressoren für die Warmwasseraufbereitung genutzt. Ausserdem stammt der Strom für die Produktion an den Standorten Schweiz, Deutschland und Frankreich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen.
Als aufmerksamer Oberbefehlshaber über das Thema Abfall liegt es Locher überdies besonders am Herzen, die Abfallwege zu optimieren. Oder auch: Kreislaufschliessen für Fortgeschrittene. So werden Produktionsabfälle, wie beispielsweise Duschgel, abgesaugt, gesammelt und in einer Abwasserreinigungsanlage zu Biogas umgewandelt. Dieses kann dann wiederum für die Strom- und Wärmeproduktion gebraucht werden. Auch Produkte mit kleinen Makeln werden nicht einfach entsorgt, sondern gespendet. «So stellen wir sicher, dass unsere Produkte bei Menschen und nicht im Abfall landen, gleichzeitig vermeiden wir mehrere Tonnen Abfall pro Jahr», konkretisiert Locher. Woher er diese Motivation nehme? Ein effizientes und nachhaltiges Energie- Management sei Teil der Grundwerte, der Verantwortung und des Selbstverständnisses, so der studierte Biologe. Deshalb schloss die Herstellerin von Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln im Jahr 2012 in Zusammenarbeit mit der EnAW eine Zielvereinbarung mit dem Bund ab. Ein Asset, das die Firma nicht missen möchte. Dank dem Abschluss der Zielvereinbarung spart die Weleda nämlich nicht nur Energie, sondern auch Schweizer Franken. Und gewinnt gleichzeitig an Expertise: «Die kompetente Beratung und Unterstützung von unserem EnAW-Berater Thomas Pesenti ist für uns eine enorme Bereicherung», lobt Locher die Zusammenarbeit.
Andere zu bereichern, das liegt auch in der Natur von Weleda. «Tu Gutes und sprich darüber», so besagt es die Betriebsphilosophie. «Als Teil eines so werteorientierten Unternehmens sehe ich mich als Botschafter für die Nachhaltigkeit», erzählt Locher. Viele Unternehmen bräuchten nur noch einen kleinen Anstoss, wenn es um die Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens gehe. Denn auch kleine Massnahmen, wie das Integrieren eines Wärmetauschers bei Duschen oder Solarladestrom für die Velos, erzielen eine Wirkung. Um ebendiese Botschaft mit anderen KMU zu teilen, lud die Weleda im Frühjahr 2019 zum ersten KMU-Frühstück in der Region ein. Das Highlight? Die Führung durch den imposanten Schaugarten, der für Einzelpersonen nicht begehbar ist, und der angeregte Austausch zwischen den gut 30 Gästen.
Genau in diesem Erfahrungsaustausch liege auch die Idee des KMU-Frühstücks, weiss Manuel Ziegler. Der EnAW-Projektleiter organisierte das KMU-Frühstück in Arlesheim gemeinsam mit Kollegin Dominique Schaad. «Mit den Frühstücken bringen wir die Teilnehmer aus dem KMU- Modell der EnAW zusammen, sodass sich diese rund um das Thema Energieeffizienz austauschen und von Erfahrungsberichten profitieren können», so Ziegler. Das gefällt auch Locher. Der Austausch für Industrien im kleinen Rahmen sei schlicht genial: «Gerade bei grossen Anlässen ist es immer etwas schwieriger, aufeinander zuzugehen», so Locher. «Das KMU-Frühstück und die EnAW erweitern den Horizont.»
07.11.2024
Das Wichtigste in Kürze
Geothermie, Fotovoltaik, geschlossene Kreisläufe. Nachhaltiges Handeln ist bei der Weleda AG seit der Unternehmensgründung in der Firmenphilosophie tief verankert.
Die führende Herstellerin von Naturkosmetika und anthroposophischen Arzneimitteln hat in Zusammenarbeit mit der EnAW eine Zielvereinbarung mit dem Bund abgeschlossen und profitiert so von der Rückerstattung der CO2-Abgabe und wertvoller Expertise.
«Tu Gutes und sprich darüber.» Als Gastgeberin des KMU-Frühstücks verwirklicht die Weleda das firmeninterne Credo und inspiriert weitere EnAW-Teilnehmer zu nachhaltigem Handeln.
Die Florin AG stellt seit bald 90 Jahren Speiseöle, Fette und Margarinen her. Das Familienunternehmen aus Muttenz bei Basel beherrscht dabei den gesamten Produktionsprozess: von der Auswahl und Pressung der Saaten über die Raffination der Rohöle, deren Abfüllung und Weiterverarbeitung. Wer schon so lange wirtschaftet, weiss um den Wert der Nachhaltigkeit. Seit 2001 ist die Florin AG deshalb auch Teilnehmerin bei der EnAW.
Das Schweizer Unternehmen Florin AG aus Muttenz bei Basel gehört zu den bedeutendsten Verarbeitungsbetrieben inländischer Ölsaaten.
Was haben Sonnenblumen, Raps und Erdnüsse gemeinsam? Sie geben Öl. Speiseöl für Salate, Suppen und Pasten, für Mayonnaise oder für das Frittieren von knusprigen Pommesfrites zum Beispiel. In der Schweiz landen die notwendigen Rohstoffe für die Herstellung und Verarbeitung von Speiseölen und Fetten nicht selten bei der Florin AG in Muttenz bei Basel. Als zentrales Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Verbraucher zählt das Unternehmen mit 135 Mitarbeitenden zu den grössten Abnehmern inländischer Ölsaaten. Darüber hinaus ist die Florin AG auch Partnerin für internationale Produktmarken und verarbeitet Kokos- und Palmöl aus dem Ausland. Nach der Ernte und Auslese werden die Rohstoffe in grossen Lastwagen und Güterzügen bei der Florin AG angeliefert, bevor sie in Speiseöle und Fette verwandelt werden. Das Familienunternehmen produziert jährlich 75 000 Tonnen Speiseöl, Speisefett und Margarinen. Mit ihren Produkten beliefert die Florin AG seit neun Jahrzehnten die Gastronomie- und Bäckereibranche, den Detailhandel sowie die Pharma- und Nahrungsmittelindustrie.
Öl ist nicht gleich Öl. Knusprig, cremig, sahnig kann es schmecken, die Geschmacksempfindung von Lebensmitteln also entscheidend beeinflussen. «Damit sich die gewünschten Eigenschaften entfalten können, kommt es auf die richtige Rezeptur an», erklärt der Betriebsleiter Alain Sierro bei einer Rundumbesichtigung der Produktionsgebäude. In der Ölmühle, als erste Verarbeitungsstufe, wird das Öl unter Druck und Hitze aus Ölsaaten wie zum Beispiel Rapssamen oder Sonnenblumenkernen ausgepresst. Das Rohöl wird in grossen Silos zwischengelagert, um anschliessend in der Raffinerie veredelt zu werden. Raffinationsschritte sind zum Beispiel das Entsäuern, Entwachsen, Fraktionieren, Härten und Desodorisieren der Öle und Fette, um die gewünschten sensorischen und physikalischen Eigenschaften des Fertigprodukts zu erreichen. Die Herstellungsprozesse der Florin AG sind hierbei hoch automatisiert, die Öle und Fette durchlaufen kilometerlange Rohrleitungen und diverse Tanklager, bevor sie entweder in LKW’s zu den Industriekunden gelangen oder in den Abfüllbetrieben bzw. in der Margarinefabrik abgefüllt und abgepackt werden. Hier werden die Fette und Öle gemischt, kristallisiert und in diverse Gebinde wie zum Beispiel als ein Kilogramm Margarinestangen oder in 20 Kilogramm Kartons als Frittierfett abgefüllt. Das maschinelle Orchester läuft auf Hochtouren: Sämtliche Prozessschritte erfordern Energie in Form von Strom und Wärme von jährlich 50 Gigawattstunden.
Nachhaltigkeit ist eines der strategischen Ziele der Florin AG. Dazu gehören etwa die Reduktion von Wasserverbrauch und Abfall, das Recycling und als internationaler Akteur insbesondere die Beschaffung von rückverfolgbaren Rohwaren aus dem Ausland, wie aus dem Umweltbild der Florin AG hervorgeht. Das Management gibt Ziele vor, die auf jeder Stufe des Unternehmens bis zu den Mitarbeitenden kommuniziert und quantifiziert werden – vom Wasserverbrauch bis zur Abfalltrennung. Dank einer konsequenten Zielüberwachung werden Massnahmen definiert, die schliesslich zu Kosteneinsparungen führen. Ein Prinzip, für das auch die EnAW steht. Seit 2001 widmet sich die Florin AG der stufenweisen Reduktion von CO2-Emissionen und Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz. Dafür wurde in Zusammenarbeit mit der EnAW eine verbindliche Zielvereinbarung mit dem Bund abgeschlossen. Mit der Umsetzung der darin definierten Effizienzmassnahmen spart die Florin AG nicht nur fleissig Energie, sondern auch Schweizer Franken. Und nicht nur das: Die Zielvereinbarung berechtigt das Unternehmen ausserdem, von der Rückerstattung der CO2-Abgabe zu profitieren. Rund 100 000 Franken spart die Florin AG insgesamt jährlich an Energiekosten ein.
Wir stehen im Rohfettlager, einer grossen, warmen Lagerhalle vor einem Dutzend Tanks. Hier werden die Öle und Fette erhitzt und wieder abgekühlt. Die Lagerung der Fette muss temperiert erfolgen, sonst werden die Fette dick und wären nicht mehr pumpfähig. «Vor ein paar Jahren standen diese Tanks draussen und mussten witterungsbedingt beheizt werden, damit das darin gelagerte Fett nicht zu einer festen Masse wird», erklärt Sierro. Auf Raten von EnAW-Berater Pascal Fotsch entschloss sich die Florin AG, die Rohöltanks nach innen zu verlagern, um Heizkosten zu sparen. Ein Vorteil: Dank dem Bau des neuen Innentanklagers sowie Isolationsmassnahmen zur Wärmedämmung diverser Rohrleitungen und Armaturen spart die Florin AG jährlich 33 000 Franken. Eine weitere, grosse Massnahme zur Steigerung der Energieeffizienz ist der Umstellung von Heizöl auf Erdgas als Brennstoff für die Dampfproduktion geschuldet. Dafür musste die Florin AG im Jahr 2014 eine zwei Kilometer lange Gasleitung ziehen lassen. Ein Unterfangen, das sich in der Energiebilanz ebenfalls sehen lässt: Seit dem Umsatteln von Heizöl auf Erdgas sinkt der CO2-Ausstoss der Produktionsstätte kontinuierlich. Rund 3270 Tonnen CO2 kann die Florin AG dadurch jährlich einsparen.
EnAW-Berater Fotsch unterstützt den Betrieb aber nicht nur beim Aufspüren von Massnahmen zur Energieeffizienzsteigerung. Darüber hinaus bietet die Teilnahme am Energie-Modell der EnAW auch Möglichkeiten zum wertvollen Erfahrungsaustausch. So ist die Florin AG Mitglied der Energie-Modell-Gruppe FIAL (Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittelindustrien), die von Fotsch moderiert wird. Zweimal im Jahr treffen sich die Mitglieder-Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie, um über Schwierigkeiten, konkrete Lösungen, Massnahmen und Erfahrungen in Sachen Energieeffizienz zu sprechen.
07.11.2024
Das Wichtigste in Kürze
Die Florin AG aus Muttenz bei Basel ist das bedeutendste Unternehmen, das inländische Ölsaaten verarbeitet.
Das Unternehmen stellt seit bald 90 Jahren Speiseöle, Fette und Margarinen her.
Die lebensmittelverarbeitende Industrie ist durch energieintensive Produktionsverfahren bekannt. In Zusammenarbeit mit der EnAW setzt die Florin AG seit 2001 Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Senkung des CO2-Ausstosses um. Sie spart damit nicht nur Energie, sondern auch Schweizer Franken.