Kontaktformular Sticky (DE)
Anrede

* Pflichfeld

Unverbindliches Erstgespräch vereinbaren
Newsletter (DE)
Anrede

close
Praxisbeispiele
Energie-Modell
Neue Energieträger
Prozess-/Technologieänderungen
Graubünden
Verwaltung/Politik

Hochalpine Energieeffizienz

10.05.2022

bild

Die Reinigung von Abwasser ist energieintensiv. Deshalb setzt die ARA Gadenstatt in Davos in Zusammenarbeit mit der EnAW auf ein effizientes Energie-Management. Neben einem neuen Heizsystem mit Abwasserwärmepumpe steht in Davos auch das erste hochalpine Solarfaltdach. Damit produziert die ARA Gadenstatt sogar in den schneereichen Wintermonaten Energie.

Musterschülerin in Sachen Energieeffizienz: Dank dem Solarfaltdach HORIZON produziert die ARA Gadenstatt in Davos auch über die Wintermonate Solarstrom.

Eingebettet ins Davoser Bergpanorama erscheint die ARA Gadenstatt in Davos fast unscheinbar. Sie ist die grösste von insgesamt vier Abwasserreinigungsanlagen in der Gemeinde und funktioniert nach dem mechanisch-biologischen Prinzip. In nur fünf bis neun Stunden durchläuft hier das Abwasser den kompletten Reinigungsprozess in zwei parallel verlaufenden Reinigungsstrassen, bevor es über einen Ablaufkanal ins Ausgleichsbecken in Glaris und von dort in einer Druckleitung hinunter nach Filisur fliesst, wo es turbiniert wird. Doch bis das Abwasser in vorgeschriebener Qualität gesäubert ist, braucht es vor allem eines: viel Energie.

Energieintensive Biologie

Nach den Bergbahnen ist die ARA Gadenstatt einer der grösseren Energieverbraucher in der Gemeinde Davos. Das weiss keiner besser als der Betriebsleiter Markus Wendler. Er leitet die Kläranlage seit 2016 und erklärt, wo die meiste Energie benötigt wird: «Damit die Biologie in den sogenannten Belebungsbecken richtig funktioniert, müssen die Becken konstant mit Sauerstoff versorgt werden.» Dafür werde durch 1200 Tellerbelüfter mal mehr und mal weniger Luft hindurchgepresst, und das während 24 Stunden und an 365 Tagen im Jahr, so der Betriebsleiter. Erzeugt wird diese Luft durch drei unterschiedlich grosse Gebläse. Ebenso energieintensiv sei der Prozess im Faulturm. Für die Faulgasproduktion müsse der Schlamm bei 38 Grad Celsius gelagert werden, wofür es eine Vorlauftemperatur von 60 Grad Celsius brauche. «Für die Beheizung des Faulturms und der Gebäude verheizten wir jährlich rund 60 000 bis 70 000 Liter Heizöl», sagt Wendler.

In der Natur der Sache

«Als ARA sind wir bestrebt, die Umwelt nicht zu belasten», so der Betriebsleiter. Deshalb liege der nachhaltige und schonende Umgang mit den Ressourcen in der Natur der Sache. Hinzu kommt, dass sich Davos als Energiestadt zu einer nachhaltigen Energiepolitik verpflichtete. Bis 2036 strebt die höchstgelegenste Stadt Europas die Energieautarkie an. So erstaunt es wenig, dass die ARA Gadenstatt gemeinsam mit der EnAW die Energieeffizienz in der Kläranlage auf Vordermann brachte.

Heizölfrei dank neuem Heizsystem

2016 musste aufgrund gesetzlicher Vorgaben ein Ablaufkanal realisiert werden. Im gleichen Schritt setzte die ARA Gadenstatt eine grosse energetische Massnahme um, indem sie im Ablauf des gereinigten Wassers einen Wärmetauscher integrierte. «Damit entziehen wir dem die ARA verlassenden und gereinigten Abwasser Wärme», erklärt der Betriebsleiter. 2017 folgte die Installation der speziell hergestellten Abwasserwärmepumpe und des Wärmespeichers. Auch wenn die Investition kosten- und zeitintensiv war, habe sie sich aus energetischer Sicht mehr als gelohnt: Heute verbraucht die Kläranlage praktisch kein Heizöl mehr. «Wir sparen also rund 60 000 bis 70 000 Liter Heizöl ein pro Jahr.»

Bündner Innovation

Auch in Sachen Strom ist die ARA Gadenstatt eine Musterschülerin. So schwebte die Idee einer betriebsinternen Stromproduktion schon länger im Kopf des Betriebsleiters herum. Denn der Standort sei rein theoretisch optimal gelegen für die Energieproduktion mittels PV-Anlage, wie Wendler erzählt. Wären da doch bloss nicht die schneereichen und langen Wintermonate. «Denn mit einer herkömmlichen PV-Anlage produzieren wir in Davos zwischen November und Mai wegen des Schnees keinen Strom», so Wendler. Die Lösung für dieses Problem wurde nur wenige Luftkilometer von Davos entfernt in Zizers entwickelt: Das Solarfaltdach HORIZON verwandelt nämlich industrielle Nutzflächen in Solarkraftwerke und eignet sich besonders gut für Parkplätze, Logistikareale oder Kläranlagen. Die neuartige Technologie, die an einer Klärwerktagung in Chur präsentiert wurde, begeisterte den Betriebsleiter sofort. Doch funktioniert sie auch in der alpineren Höhenlage von Davos?

Stromproduktion selbst im Winter

Nach einem umfangreichen Variantenstudium und genauen Berechnungen war klar: Das Solarfaltdach ist die perfekte Lösung für die ARA Gadenstatt – auch wenn die Investitionskosten hoch sind. «Da wir aber aufzeigen konnten, dass wir mehr als 90 Prozent des produzierten Stroms selbst verbrauchen, kam der Antrag auch im Landrat durch», erinnert sich Wendler. Seit Herbst 2020 steht in Davos auf rund 1500 Meter über Meer nun also das erste hochalpine Solarfaltdach. «Sobald die Messstation Schnee oder Wind registriert, werden die Panels automatisch eingefahren», erklärt Wendler. Und das sei auch schon die ganze Hexerei. Denn durch den automatischen Einfahrmechanismus bleiben die Panels immer schneefrei und dadurch funktionstüchtig: «Mit den ersten Sonnenstrahlen wird das Solarfaltdach wieder ausgefahren. So können wir auch im Winter Solarenergie produzieren», sagt er. Die Idee hinter dem Solarfaltdach sei damit simpel, aber genial.

Viele Pluspunkte, keine Nachteile

Wie genial die Idee ist, zeigen die Ergebnisse an einem schneereichen oder bewölkten Wintertag. Denn auch wenn die Anlage nur wenige Stunden ausgefahren ist, produziert sie ein paar Kilowattstunden Strom. Erklären lässt sich dies mit dem Albedo-Effekt, der eine erhöhte Strahlungsenergie bewirkt. «Selbst im Sommer mit mehr Sonnenstunden haben wir nie dieselbe Strahlungsenergie wie im Winter mit den schneebedeckten Hängen», zeigt sich der Betriebsleiter begeistert. Das Produkt überzeugt ihn aber auch in weiteren Belangen: Es ist «seriös, zuverlässig und einwandfrei». Die Instandhaltung sei marginal, zudem spende das Dach im Sommer Schatten. Das macht nicht nur die Arbeit für seine Mitarbeitenden an wärmeren Tagen sehr angenehm, sondern reduziert auch die Algenbildung im Becken. Auch der EnAW-Berater der ARA Gadenstatt, Claudio Bock, zeigt sich begeistert vom Solarfaltdach. «Für eine ARA ist das Solarfaltdach der optimale Energieproduzent», sagt Bock, der neben der ARA Davos noch weitere ARAs betreut. Ob es denn neben den hohen Investitionskosten gar keinen Nachteil gebe? Der Betriebsleiter denkt lange nach und stellt fest, dass er im Winter etwas mehr Schneeschaufeln müsse rund um die Becken als zuvor. «Das ist aber kaum nennenswert.»

Gemeinsam mit der EnAW über die Ziele hinaus

Gemäss Bock seien nun die grössten Energieeffizienzziele erreicht. «Wir machen aber trotzdem weiter», sagt Wendler und erzählt, dass sie gerade daran seien, den Faulturm zu inspizieren. «Der ist aktuell noch der grösste Energieverbraucher», so Bock. Im Winter sieht man es mit blossem Auge: Denn der Faulturm gibt so viel Wärme ab, dass das Dach immer schneefrei bleibt. Welche Massnahme da ans Ziel führt, ist allerdings noch offen. Klar ist aber, dass die ARA Gadenstatt den Lösungsweg zusammen mit der EnAW angeht. «Die Zusammenarbeit mit Claudio Bock möchte ich nicht missen», betont der Betriebsleiter. «Ich komme mit einer Idee und er macht die Berechnungen und präsentiert Lösungen.»

Weitere Informationen