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Bloss nicht stehen bleiben!

05.01.2022

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Ob Transport oder Treibstoff – die grösste Agrargenossenschaft der Schweiz, fenaco, sucht gemeinsam mit der EnAW nach zukunftsweisenden Lösungen für ein klimafreundliches Geschäftsmodell. Wohin geht die Fahrt?

Herausforderung ist beim Wasserstoff heute noch die Verfügbarkeit – als Teil eines schweizweiten Pilotprojektes forcieren Daniel Bischof (rechts), Vorsitzender der Geschäftsleitung der AGROLA AG, und Otti Häfliger (links), Vorsitzender der Geschäftsleitung der TRAVECO Transporte AG, das Thema Wasserstoff.

H2, der Kraftstoff der Zukunft? Das Pionierprojekt H2-Tankstelle und -Lastwagen ist ein wesentlicher Bestandteil für den Aufbau eines kommerziellen Kreislaufs für grünen Wasserstoff in der Schweiz.

Innovationen sind ein Bündnis mit der Zukunft. Weil die industrielle Revolution die Schweizer Bauernfamilien vor über 150 Jahren zum Umdenken, zur Reorganisation zwang, schlossen sie sich in Agrargenossenschaften zusammen. Ihr Credo: wirtschaftliche Selbsthilfe. Nach diesem bewährten Prinzip agiert die grösste Schweizer Agrargenossenschaft, fenaco, auch heute noch. Ihr Genossenschaftszweck besteht darin, die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen zu unterstützen. Über 80 Tochterfirmen gehören der 1993 gegründeten Agrargenossenschaft mittlerweile an. Darunter verschiedene Futtermittelhersteller, der Mostproduzent Ramseier, der Detailhändler Volg, das Transportunternehmen TRAVECO, die Energiedienstleisterin AGROLA – und natürlich die LANDI-Läden.

Wer über 80 Unternehmen und knapp 11 000 Mitarbeitende an 230 Standorten unter einem Dach vereint, muss nicht nur die Zeichen der Zeit zu deuten wissen, sondern auch selbst Innovationen anstossen. Heute heisst die Herausforderung Klimawandel, die langfristige Lösung Dekarbonisierung. Dafür sind kreative Massnahmen gefragt. Massnahmen, die die fenaco und ihre Tochterunternehmen gemeinsam mit Bund und Kantonen mithilfe der EnAW in vier Zielvereinbarungen mit 225 aktiven Erfassungseinheiten festlegen. Diese umfassen neben einer grossen Zahl an Energieoptimierungsmassnahmen auch Investitionen in erneuerbare Energietechnologien und ökologischen Treibstoff.

Dabei sei wichtig, gerade für ein ambitioniertes Ziel wie Netto-Null bis 2050, dass bei der Planung der Massnahmen der Zeithorizont erweitert wird, so EnAW-Berater und Geschäftsleitungsmitglied Erich Kalbermatter. Das weiss auch Anita Schwegler. Sie leitet den Bereich «Nachhaltigkeit und Umwelt» bei fenaco und erarbeitet und koordiniert gemeinsam mit ihrem Team nicht nur den Nachhaltigkeitsbericht und das gesamte CO2-Management, sondern berät auch die ganze Gruppe in Sachen Energieeffizienz und CO2-Neutralität. Ihr Ziel dabei: Wissen multiplizieren und Impulse geben, zentral in der Gruppe. Dafür hat sie mit ihrem siebenköpfigen Team auch ein innovatives Schulungskonzept für alle Hierarchiestufen und verschiedene Branchen auf den Weg gebracht. Bis heute haben gut 500 Mitarbeitende diese Energieeffizienz-Kurse besucht.

Aufspüren, anstossen und begleiten

«Was kann man besser machen? Was kann man anders machen?», das versuchen Schwegler und ihr Team zu beantworten. «Dazu gehört auch ein Zukunftsradar, um Trends und Innovationen zu erfassen», so Schwegler, und «um den Puls der Zeit zu fühlen». Angesagt sind Themen wie Energieeffizienz, nachhaltige Agrarproduktion sowie Innovation und Forschung in der Landwirtschaftsgruppe, was auch der jüngste Nachhaltigkeitsbericht deutlich macht. In der Fachgruppe «Klimaschutz Landwirtschaft» zum Beispiel hat fenaco ein methanhemmendes Futtermittel entwickelt, anderorts ist ein Pflicht-Tool für alle fenaco-Betriebe im Einsatz, das Lebensenergiekosten für Neuanschaffungen oder Ersatzinvestitionen berechnet.

Diese Massnahmen sind direkte Ergebnisse der Nachhaltigkeitsstrategie, in deren Rahmen die fenaco 14 Nachhaltigkeitsziele in den drei Bereichen «Ökonomie», «Soziales» und «Ökologie» definiert hat. An diesen orientieren sich auch die geschäftlichen Entscheidungen. Dazu gehört die Erhöhung des Frauenanteils auf Kaderstufe genauso wie weniger Foodwaste in den einzelnen Tochterunternehmen oder eben die Reduktion von CO2-Emissionen. Auch werden Mitarbeitende mit dem Programm «Fit für die Zukunft» in Sachen Nachhaltigkeit geschult. Messbarkeit und Dialog, betont Schwegler, seien hier besonders wichtig. Das heisst, Ziele müssen terminlich festgelegt und überprüfbar sein. Ein beidseitiger Dialog über alle Hierarchiestufen hinweg ermöglicht zudem, allerorts und ohne Scheuklappen Optimierungspotenzial zu eruieren.

Arbeit gibt es genug: «Landwirtschaft im Allgemeinen und produzierende Betriebe im Besonderen sind energieintensiv», sagt Erich Kalbermatter. Der EnAW-Berater findet im Gespräch viel Lob für die Bemühungen von fenaco, die bestrebt ist, vor allem in den Bereichen Mobilität und Energie mutig voranzugehen.

Es ist unser Anspruch, dass wir frühzeitig auf die aktuellen Mobilitätstrends reagieren können.

Daniel Bischof, Vorsitzender der Geschäftsleitung der AGROLA und Leiter Departement Energie der fenaco

AGROLA: Neue Pferdestärke

«Früher war es das Pferd, das Hafer fras. Dann kam das mit Diesel betriebene Automobil», sagt Daniel Bischof, Vorsitzender der Geschäftsleitung der fenaco-Tochter AGROLA. Und heute? Längst wurden Pferde durch den Diesel-LKW ersetzt. Doch im Transportwesen darf naturgemäss nichts stillstehen, wie ein Blick hinter die Kulissen von TRAVECO, dem Logistikunternehmen der fenaco, zeigt.

Heute bewegt TRAVECO als eines der grösseren Logistikunternehmen der Schweiz jährlich an die drei Millionen Tonnen verschiedenster Waren durchs Land – ob Lebensmittel, Getränke, Brenn- und Treibstoffe oder Schüttgüter. Als Tochter der fenaco-Genossenschaft ist der Dienstleister auf Transporte entlang der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette spezialisiert. Rund 500 Fahrerinnen und Fahrer sind täglich Tag und Nacht im Schichtbetrieb mit den 350 auffällig grünen Camions unterwegs und legen über 20 Millionen Kilometer zurück, sowohl für Kunden aus der fenaco-LANDI-Gruppe als auch für Drittfirmen. Und auch Logistik als klassische Dienstleistung wird angeboten.

Für Otti Häfliger, Vorsitzender der Geschäftsleitung von TRAVECO, war Nachhaltigkeit seit jeher ein wichtiges Thema. «Es ist uns stets sehr wichtig, dass wir für die Güter, die wir transportieren, möglichst wenig Energie benötigen.» Dafür setze das Unternehmen auf die neusten EURO6-Fahrzeuge, die wirtschaftlich und effizient sind. Auch der digitale Fuhrauftrag, welcher dem Fahrpersonal direkt per App aufs Smartphone übermittelt wird, unterstützt die Nachhaltigkeit von TRAVECO. Eine spezielle Software bewertet zudem, wie sparsam die Fahrer unterwegs sind. Häfliger hält fest: «Wir haben festgelegt, dass wir bis im Jahr 2050 CO2-neutral unterwegs sein werden. Mit der ganzen Flotte. Das geht natürlich nur mit alternativen Energien wie zum Beispiel Wasserstoff.»

Besonders stolz ist der Geschäftsführer deshalb auf sein neustes Pferd im Stall. Einen der weltweit ersten serienmässig produzierten Wasserstoff-Lastwagen. Der Zweiachser-Camion von Hyundai ist seit 2020 fest in Betrieb. TRAVECO beliefert damit die Volg-Läden und TopShop-Verkaufsstellen in der Nordwest- und Zentralschweiz mit Frischprodukten.

Wasserstoff: Hafer 2.0

Wenn das Pferd das Transportmittel ist, dann ist AGROLA die Lieferantin, die den Hafer, den Kraftstoff, zum Pferd bringt. Und dabei bedeutet Kraftstoff im wahrsten Sinne des Wortes Treibstoff, denn AGROLA ist die zweitgrösste Tankstellenanbieterin der Schweiz und verfügt über ein flächendeckendes Netz mit über 400 Standorten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Personen, wenn sie «AGROLA» hören, zuerst das Bild einer Tankstelle im Kopf haben.

Tatsächlich macht der Handel mit Brennund Treibstoffen einen grossen Anteil des Unternehmens aus – Benzine, (Bio-)Diesel, Heizöle und Holz-Pellets werden in der ganzen Schweiz vertrieben. Auch bei der Erschliessung alternativer Energiequellen spielt AGROLA eine massgebende Rolle. So liefert die fenaco-Tochter mit Hauptsitz in Winterthur auch Strom, baut Fotovoltaikanlagen und bietet mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Wasserstofftankstellen Lösungen für eine nachhaltige Mobilität an. Seit 2017 beliefert AGROLA die gesamte fenaco LANDI-Gruppe mit Strom, seit 2019 auch Drittkunden. Allein im letzten Jahr wurden mit den eigenen Fotovoltaikanlagen 10.5 Millionen Kilowattstunden erneuerbare Energie produziert. Mittlerweile deckt der Anteil Fotovoltaik acht Prozent vom Gesamtstromverbrauch der fenaco. «Wir sind ein innovatives und ambitioniertes Unternehmen», sagt Bischof. Das zieht sich durch alle Bereiche – eben auch durch den Bereich Mobilität.

In Zofingen im Aargau kann der Hafer 2.0 schon getankt werden. Hier befindet sich seit Herbst 2020 die schweizweit erste Tankstelle, die sowohl fossile Treibstoffe als auch Lade- bzw. Tankmöglichkeiten für die Elektro- und Wasserstoffmobilität anbietet – alles ganz nachhaltig: Solarmodule auf der Dachfläche der Tankstelle produzieren den Strom für die Schnellladestation für E-Fahrzeuge und die Zapfsäule neben den fossilen Brennern spuckt «grünen», das heisst mittels Wasserkraft produzierten Wasserstoff aus. Ein entscheidender Aspekt, wie Bischof betont, denn nur «grüner» Wasserstoff werde zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie gewonnen und sei dadurch CO2-neutral. Ein Meilenstein auf dem Weg hin zu einer emissionsfreien Mobilität.

Lohnt sich das?

Die ganze Welt redet von E-Mobilität und TRAVECO und AGROLA setzen auf Wasserstoff – das wirft Fragen auf. Für Bischof gibt es kein Entweder-oder, denn AGROLA und die LANDI, mit denen eine verbindliche Partnerschaft besteht, spielen die beiden Technologien nicht gegeneinander aus: «Für uns stand immer ausser Frage, dass wir – gemeinsam mit der LANDI – neben Ladestationen für die E-Mobilität auch Wasserstoff als alternativen Treibstoff anbieten. Wasserstoff bietet alle Voraussetzungen, um die CO2-Emissionen im Strassenverkehr nachhaltig zu reduzieren und so die Energiewende zu fördern.» Denn mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge setzen als «Abgas» lediglich etwas Wasserdampf frei. Das macht sie zur umweltfreundlichen Alternative im Strassenverkehr, sofern der bezogene Wasserstoff ausschliesslich mit erneuerbaren Energien produziert wird – wie bei AGROLA. Auch Häfliger bestätigt: «Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Wasserstoff ein wichtiger Energieträger der Zukunft sein wird.»

Der limitierende Faktor beim Wasserstoff sei die Wirtschaftlichkeit. Allein die Treibstoff- und Energiekosten seien mit fast 90 Franken auf 100 Kilometer ungefähr doppelt so hoch wie bei den fossilen Alternativen. Zudem gebe es noch zu wenige H2-Fahrzeuge und H2-Tankstellen – das Angebot bestimme die Nachfrage, darin sind sich Kalbermatter und Bischof einig. Auf der einen Seite brauche es Transporteure wie TRAVECO, die den Mut hätten, die neuen Technologien einzusetzen. Und auf der anderen Seite natürlich auch Investoren für solche Tankstellen. Als Gründungsmitglieder des Fördervereins «H2 Mobilität Schweiz» beteiligen sich fenaco und AGROLA aktiv am Aufbau einer flächendeckenden H2-Infrastruktur. Und zwar bisher ohne öffentliche Gelder.

Mit voller Kraft voraus

Natürlich geben auch Schlagworte wie Klimakrise oder Energiewende dem Thema neuen Aufschwung, aber für Kalbermatter zeugt der Schritt von Innovationsgeist: «Es zeigt, dass die fenaco-Genossenschaft bereit ist, etwas Neues zu wagen, etwas auszuprobieren, von dem man den Ausgang noch nicht kennt.» Mut, der belohnt wird: Das Bundesamt für Energie hat das Projekt «Ein Kreislauf für erneuerbaren Wasserstoff im Schwerverkehr» mit dem Watt d’Or 2021 ausgezeichnet. «Das ist eine Auszeichnung für die ganze Gruppe», sagt Bischof: «Darauf sind wir stolz. Auch als AGROLA und natürlich auch als TRAVECO, die mit diesen Lastwagen Volg-Läden CO2-neutral beliefert. So ist der Kreislauf geschlossen.»

Die Blicke hinter die Kulissen der beiden fenaco-Tochterunternehmen TRAVECO und AGROLA zeigen: Nachhaltigkeit liegt im ureigenen Interesse der Agrargenossenschaft. «Ohne Nachhaltigkeit haben wir irgendwann keine Grundlage mehr für gesunde und natürliche Ressourcen, wie zum Beispiel Luft, Boden, Wasser», erklärt die Leiterin für Nachhaltigkeit und Umwelt, Anita Schwegler. «Und ohne gesunde Lebensgrundlage ist auch kein nachhaltiges Wirtschaften möglich.» Fest steht: Die fenaco hat sich zum Ziel gesetzt, beides – Ökologie und Wirtschaft – zu verknüpfen. Ein Bündnis mit der Zukunft. Mindestens für die nächsten 150 Jahre.

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