Fabio Regazzi, Ständerat, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv und Unternehmer, ist mit der Wirtschaftsstruktur der KMU in der Schweiz bestens vertraut. Anlässlich der Konferenz 2024 «Energie für die Wirtschaft!» der EnAW, die am 23. April in Cadempino stattfand, nutzten wir die Gelegenheit, ihn zum Thema Energieversorgung und zu den Herausforderungen zu befragen, denen sich Schweizer Unternehmen stellen müssen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.
Stefano Modenini, Fabio Regazzi, Lorenzo Medici.
Alle reden von der Steigerung der Energieeffizienz. Wie wichtig ist dies für Unternehmen, insbesondere angesichts der in den letzten Jahren gestiegenen Energiepreise?
Die Energieeffizienz ist für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung, da sie sich direkt auf die Betriebskosten auswirkt und daher ein wichtiger Ausgabenposten ist. Angesichts steigender Energiepreise wird die Senkung des Energieverbrauchs zu einer wesentlichen Strategie, um die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt zu erhalten. Die Verbesserung der Energieeffizienz trägt auch zur Verringerung der Umweltauswirkungen bei und bietet somit einen Vorteil für die Unternehmensverantwortung.
In diesem Sinne stellt das Elektrizitätsgesetz, über das am 9. Juni abgestimmt wird, auch eine Chance für die Unternehmen dar, da es die Diversifizierung der Energiequellen auf nationaler Ebene fördert und damit die Abhängigkeit von Importen verringert, indem es einen zuverlässigen Zugang zu Elektrizität gewährleistet und die Eindämmung der Preisschwankungen – und damit der Kosten – für Elektrizität fördert.
Sie sind Unternehmer in verschiedenen Bereichen, unter anderem in der Metallindustrie. Welche Massnahmen ergreifen Sie oder möchten Sie ergreifen, um den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen zu senken?
Auf Unternehmensebene haben wir beschlossen, im Jahr 2022 einen wichtigen Schritt zu tun und in mehr als 1 600 hochmoderne Solarpaneele mit einer installierten Leistung von rund 600 Kilowatt-Peak und einer Jahresproduktion von mehr als 600 000 Kilowattstunden zu investieren, womit wir mehr als 50 % unseres Bedarfs decken und das Ziel der Energiestrategie 2050 bereits übertreffen. Zwei Jahre später können wir bereits eine positive Bilanz ziehen: Wir haben bereits fast die Hälfte der Investitionskosten amortisiert, da die Eigenverbrauchsquote höher ist als budgetiert.
Für energieintensive Unternehmen wie das unsere ist Strom eine sehr wichtige Ressource, und deshalb muss auch seine Verfügbarkeit stimmen. Die Unternehmen setzen Massnahmen um, um ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Dazu brauchen sie aber auch die notwendigen Rahmenbedingungen, die die Politik weiter fördern muss.
Welchen Rat würden Sie Unternehmen geben, die ihre Produktionsprozesse dekarbonisieren wollen?
Der Energiesektor ist sowohl komplex als auch voller Möglichkeiten für Unternehmen, die ihren Energieverbrauch reduzieren wollen. Neben der Bereitschaft des einzelnen Unternehmers ist es wichtig, dass man bei der Nutzung dieser Möglichkeiten von Branchenexperten begleitet wird, die am besten beraten können, wie man den Einsatz von Energie und Ressourcen kontinuierlich verbessern kann. Organisationen wie die EnAW spielen hier eine zentrale Rolle, denn sie bieten eine massgeschneiderte Beratung, um CO2-Emissionen und Kosten zu reduzieren und die Energieeffizienz zu steigern, ohne dabei Schäden oder Produktivitätseinbussen in Kauf nehmen zu müssen.
Als Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes waren und sind Sie mit vielen Unternehmen in Kontakt. Wie ist die Stimmung?
Bei den Unternehmen ist eine Vielzahl von Stimmungen festzustellen, die von der Sorge über die Herausforderungen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung bis hin zur Suche nach Wachstums- und Innovationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft reichen.
Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass die KMU in der Schweiz im Bereich der Energieeffizienz bereits aktiv sind und viel unternehmen, je nach ihren Ressourcen und Bedürfnissen in unterschiedlichem Masse.
So gibt es Unternehmen, die stark in erneuerbare Energien investieren, und andere, die eine umweltbewusstere Unternehmenspolitik einführen. Es besteht oft die Tendenz zu glauben, dass die Wirtschaft an der Klimafrage desinteressiert ist. Das stimmt nicht: Im Vergleich zu 1990 konnte die Industrie ihre Treibhausgasemissionen bis 2021 um 34 % senken, die größte Reduktion aller Sektoren. Als Unternehmen sind wir auf ein umwelt- und damit auch energiefreundliches Umfeld für unsere Aktivitäten angewiesen. Die Verpflichtung zur Umsetzung von Emissions- und Verbrauchsreduktionsstrategien ist jedoch eng mit den bestehenden Rahmenbedingungen verknüpft, von Fördergeldern für Investitionen über Technologieneutralität bis hin zu Freiräumen für unternehmerische Aktivitäten und Innovationen.
Nach dem neuen CO2-Gesetz können alle Unternehmen künftig entscheiden, ob sie anstelle der CO2-Abgabe eine Zielvereinbarung zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen und zur Steigerung der Energieeffizienz abschliessen. Wird diese Änderung Ihrer Meinung nach eine neue Dynamik für den Abschluss von Zielvereinbarungen in den Unternehmen auslösen?
Die Herausforderung für das Parlament bei der Beratung des neuen CO2-Gesetzes bestand darin, eine wirksame Kompromisslösung zu finden, mit der die Maßnahmen des im Juni 2023 verabschiedeten Klimaschutzgesetzes umgesetzt werden können, ohne die Einschränkungen und finanziellen Belastungen, an denen der Entwurf des CO2-Gesetzes im Jahr 2021 gescheitert war. Dabei wurde besonders auf Anreize und Innovationen gesetzt und auf Verbote und sanktionierende Massnahmen für Bürger und Unternehmen verzichtet. Das neue CO2-Gesetz wird zu mehr Emissionsreduktionen führen, da es allen Unternehmen – und nicht nur einigen – erlaubt, von Zielvereinbarungen Gebrauch zu machen.
Ich bin überzeugt, dass dieser Ansatz die Unternehmen ermutigen wird, wirksame Massnahmen zu ergreifen, die Kosten unter Kontrolle zu halten und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Welches sind die größten Herausforderungen für die Unternehmen im Zusammenhang mit den 2050-Zielen?
Die Unternehmen werden bei der Verfolgung der Ziele für 2050 mit mehreren Herausforderungen konfrontiert sein, darunter die Einführung sauberer und nachhaltigerer Technologien, die Bewältigung des ständig wachsenden regulatorischen Drucks und die Notwendigkeit, Produktionsprozesse zu überprüfen und anzupassen, um die CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu reduzieren.
Darüber hinaus wird es für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung sein, die Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsstrategien zu integrieren und vor dem Hintergrund des wachsenden Umweltbewusstseins und der gestiegenen Verbraucheransprüche einen geringeren ökologischen Fussabdruck zu hinterlassen.
Wir haben viel über Energie gesprochen und nun eine etwas persönlichere Frage. Wie tanken Sie nach einer anstrengenden Arbeitswoche Ihre Energie auf?
Sobald es mein Zeitplan zulässt, verbringe ich meine Freizeit am liebsten in den Bergen, bei Spaziergängen und Wanderungen: In der Natur kann ich meine Batterien wieder aufladen und ausgeruht und voller neuer Energie in die neue Woche gehen.
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03.07.2024