Rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind am Mittwoch an die 21. EnAW-Fachtagung nach Bern gekommen. Die drohende Energiemangellage war zwar das aktuelle Thema. Doch sie konnte die grossen klimapolitischen Ziele nicht in den Hintergrund rücken.
Bern, Mittwoch, 19. Oktober. Am Aufhänger fehlte es der 21. EnAW-Fachtagung definitiv nicht. Das machte der Moderator Urs Gredig schon bei der Begrüssung deutlich: «Das Thema Energie ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.» EnAW-Präsident Rudolf Minsch pflichtete ihm bei: «Energie ist heute das Top-Thema.» Nur logisch also, wurde im Verlaufe des Tages neben der Herausforderung des Netto-Null-Emissionsziels bis 2050 auch die aktuell drohende Strom- und Energiemangellage thematisiert.
Nicht an den längerfristigen Zielen rütteln
Der Morgen stand im Zeichen einer Auslegeordnung. Reto Burkard, Abteilungschef Klima des Bundesamts für Umwelt, zeigte in seinem Referat den politischen Fahrplan zu Netto-Null auf. Brigitte Buchmann, Direktionsmitglied der EMPA, betrachtete die Frage aus forschungstechnischer Sicht, während Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, die aktuelle Lage aus der Sicht der Wirtschaft unter die Lupe nahm. Sie waren sich einig: In der gegenwärtigen Situation können ausserordentliche Massnahmen notwendig werden. Allerdings darf an den längerfristigen Zielen nicht gerüttelt werden.
Roadmap, Ressourceneffizienz und Mangellage
Im zweiten Teil rückte die Praxis ins Zentrum. Mit Fritz Scheidegger, Director Facility Management und Maintenance bei der Comet AG, die Hochfrequenz- und Röntgentechnologie herstellt, zeigte ein Vertreter aus der Wirtschaft konkret auf, wie die Firma den CO2-Ausstoss auf praktisch Null reduzieren konnte. Stefan Eggimann, Leiter KMU-Modell bei der EnAW, stellte derweil die Roadmap zur Dekarbonisierung vor, die vor einem Jahr von der EnAW lanciert worden war. Und Almut Sanchen skizzierte das neue EnAW-Angebot zur Steigerung der Ressourceneffizienz, für das die Ingenieurin bei der EnAW zuständig ist.
Das Schlussreferat gehörte noch einmal der Aktualität. Urs Näf, Leiter Fachbereich Industrie, Wirtschaftliche Landesversorgung, erklärte ausführlich die Konsequenzen einer Strommangellage, illustrierte Tipps und rief die Unternehmen auf, Vorbereitungen jetzt zu treffen. Seine Prognose: «Die schwierige Zeit wird erst noch kommen.»
Ein wortgewandter Walliser verzaubert
Dafür, dass die Veranstaltung mit einer weniger ernsten Note endete, sorgte der Zauberer Lionel Dellberg. Im Schlussbouquet verblüffte der wortgewandte Walliser die Anwesenden unter anderem mit einem Zauberwürfel und einer Milchpackung, aus der er wahlweise Coca-Cola, Wasser und Fendant ausschenkte. Er hätte den abschliessenden Apéro kaum besser einläuten könnten.
Aussagen, die es auf den Punkt brachten
- «Es gehört zur Schweizer DNA, dass unsere Unternehmen proaktiv agieren und Probleme lösen. Das macht uns stark.»
- «Die aktuelle Situation ist ein Game-Changer.»
Prof. Dr. Rudolf Minsch, EnAW-Präsident
- «Netto-Null ist keine Vision, sondern eine Notwendigkeit.»
- «Warten Sie nicht auf den Bund. Gehen Sie vorwärts – auch mithilfe der EnAW.»
Dr. Reto Burkard, Abteilungschef Klima des Bundesamts für Umwelt
- «Die Schweiz braucht dringend neue Energiequellen, die speicherbar sind.»
- «Die Herausforderung liegt darin, die Forschung in die Realität zu bringen. Dazu braucht es Kooperationen mit der Industrie.»
Dr. Brigitte Buchmann, Direktionsmitglied der EMPA
- «Die Schweiz ist klimapolitisch hervorragend positioniert.»
- «Wir müssen gute Rahmenbedingungen für Technologien schaffen und die Regulierungskosten senken.»
Nationalrat Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv
- «Ohne Roadmap zur Dekarbonisierung besteht das Risiko, Last-Minute-Entscheidungen treffen zu müssen, die das Netto-Null-Ziel des Unternehmens gefährden.»
- «Die Dekarbonisierung kann dem Unternehmen auch in der Form von Multiple Benefits Chancen eröffnen. Etwa in der Form von Produktionssteigerungen oder der Kundenakzeptanz.»
Stefan Eggimann, Leiter KMU-Modell EnAW
- «Durch die optimale Vernetzung der Energieströme haben wir den Grundstein für die Dekarbonisierung unseres Unternehmens gelegt.»
- «Die Motivation unserer ausländischen Partner, uns nachzueifern, ist riesig.»
Fritz Scheidegger, Director Facility Management Comet AG
- «Wir brauchen immer mehr Ressourcen. Das kann nicht nachhaltig sein.»
- «Die Beratung zur Ressourceneffizienz geht tiefer und breiter als die Beratungen im Energiebereich. Wir schauen die ganzen Lieferketten an.»
Dr.-Ing Almut Sanchen, Projektleitung Energie und Nachhaltigkeit Lenum AG
- «Jetzt muss alles unternommen werden, dass wir nicht in eine Mangellage geraten.»
- «Eine kontinuierliche Kommunikation ist unablässig, die gefährliche Phase hört nicht vor Ende dieses Winters auf.»
Urs Näf, Leiter Fachbereich Industrie, Wirtschaftliche Landesversorgung
Wussten Sie, dass…
… die EnAW pro Woche rund 30 Beratungen im Zusammenhang mit der Energiemangellage durchführt?
… die durchschnittliche Temperatur in der Schweiz seit Messbeginn 1871 um 2 Grad gestiegen ist?
… mit einer Photovoltaikanlage von 800 auf 800 Kilometer in einer Wüste der Energiebedarf der ganzen Welt gedeckt werden könnte?
… diese Fachtagung klima- und energieneutral war?
… der schweizerische CO2-Emissionsausstoss pro Kopf in den letzten 30 Jahren um 40 Prozent gesunken ist?
… die EnAW schon 24 Roadmaps zur Dekarbonisierung erstellt hat?
… die Comet AG im Bereich der Hochfrequenztechnologie zur Herstellung von Microchips Weltmarktführer ist?
… in einem 1.2-Tonnen schweren Auto 36 Tonnen Ressourcen stecken?
… in der Schweiz in fünf Kantonen (Zürich, Waadt, Bern, Basel-Stadt, Basel-Land und Solothurn) mehr als 50 Prozent des nationalen Gasbedarfs verbraucht werden?
… 99 Prozent des Gases importiert werden und keine inländische saisonale Speicherkapazität besteht?
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07.11.2024