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Dampf machen

Die Brauerei Schützengarten in St. Gallen ist die älteste Bierbrauerei des Landes. Ihre Ausdauer verdankt sie nicht zuletzt ihrer Um- und Voraussicht. Auch in energetischen Fragen, bei denen sie sich seit Jahren von der EnAW beraten lässt.

EnAW-Berater Othmar Arnold (links) begleitet die Brauerei Schützengarten und Richard Reinart bei Energiefragen seit vielen Jahren.

Es mag pathetisch klingen, doch nach einem Nachmittag an seiner Seite muss festgehalten werden: Bier ist für Richard Reinart eine Herzensangelegenheit. «Es ist einfach ein schönes Produkt, weil es Emotionen weckt», sagt der Technische Direktor der Brauerei Schützengarten mit sonorer Stimme. Wenn ich mich an einen Stammtisch setze, kommen sofort Fragen.» Bei der Brauerei Schützengarten ist der Diplom-Braumeister denn auch bestens aufgehoben. Die St. Galler Traditionsbrauerei ist in der Schweiz die älteste ihrer Art. 1776 gegründet ist die «Schüga», wie sie vom Volksmund liebevoll genannt wird, bis heute eigenständig geblieben. Der Produktionsstandort befindet sich nach wie vor mitten in der Stadt. Dennoch ist sie stets mit der Zeit gegangen.

Die Braukunst: ein äusserst energieintensiver Prozess

Dazu gehört, dass die Brauerei, die heute 220 Mitarbeitende zählt, auch in energetischen Fragen umsichtig und vorwärtsgewandt handelt. Aktuellstes Beispiel dafür sind die Bestrebungen, den bislang mit Gas betrieben Dampfkessel durch ein Exemplar zu ersetzen, das mit Holzschnitzel geheizt wird. Der damit erzeugte Dampf wird einerseits für den Produktionsprozess im Sudhaus, andererseits aber auch für die Flaschenreinigungs- und Abfüllanlage gebraucht. Wobei es hier anzumerken gilt, dass der Prozess des Bierbrauens insbesondere durch das Aufkochen der Würze äusserst energieintensiv ist.

«Stillstand ist Rückschritt», bekräftigt Reinart, der den Schritt zur Anschaffung des neuen Kessels zwar durchaus als gross, nicht aber als final verstanden haben will. Etwas weiter geht Othmar Arnold. Der EnAW-Berater steht der Brauerei schon seit 2007 zur Seite. Er sagt: «Eine Brauerei kann mit verschiedenen Massnahmen die Effizienz steigern, sie hat aber immer einen Restwärmebedarf. Wenn man diesen gänzlich dekarbonisieren möchte, ist der neue Biomasse-Dampfkessel absolut zentral.»

Seit 1985 mit eigenem Wasserkraftwerk

Dank dieser Grossinvestition im Millionenbereich können jährlich 900 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden – eine markante Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks. Welchen Stellenwert die EnAW dabei hat, impliziert Reinarts Bemerkung, dass man in der Schützengarten AG auf Bier – nicht aber auf Dampfkessel spezialisiert sei. «Da sind wir natürlich froh, mit der EnAW einen so starken Partner an unserer Seite zu haben.»

Tatsächlich pflegte die Brauerei, die sich heute auf dem Musterweg der Dekarbonisierung befindet, bereits in ihren jungen Jahren energietechnische Fragen mit Vehemenz anzupacken. So baute sie 1895 ihr eigenes Wasserkraftwerk an der Sitter im nahegelegenen Wittenbach, mit dessen Strom einst auch die ersten Strassenlampen der Stadt St. Gallen betrieben wurden. Heute produziert die Anlage jährlich drei Millionen Kilowattstunden Strom.

Bemerkenswerte Kontinuität

In dieser Tradition hat die Schützengarten AG laufend an der Energieeffizienz gearbeitet. Insbesondere in den letzten Jahren wurden diverse Prozessoptimierungen und Massnahmen vorgenommen. So wurden neben dem Ersatz von Fenstern und Beleuchtungen unter anderem 2014 die Abfüll- und Flaschenreinigungsmaschine, 2016 die gesamten Palettier- und Verpackungsmaschinen sowie der Harasswascher und 2018 die Reinigungsanlage für die KEG-Fässer ersetzt. Dank einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Abfüllgebäudes bezieht die Brauerei seit 2016 überdies ihren eigenen Strom.

«Mein Führungsteam und ich verstehen es als Teil der Firmenkultur, ökologisch nachhaltig zu agieren», erklärt Richard Reinart – und denkt dabei auch an die Wirtschaftlichkeit. Schliesslich sollen sich die Investitionen von heute dereinst auszahlen. Das bestätigt denn auch EnAW-Berater Othmar Arnold, der den gezielten Austausch mit dem Unternehmen schätzt: «Die Kontinuität ist bemerkenswert. Man macht hier eigentlich immer etwas. Und nun folgt mit dem Biomasse-Dampfkessel auch noch ein richtig grosser Wurf.»

Weitere Informationen

Ein Zürcher Start-up und ein Mineralwasserhersteller aus den Bündner Bergen verfolgen ein gemeinsames Ziel: Sie wollen die Welt mit Pioniergeist und Innovationskraft ein bisschen besser machen.

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

  • Mit der neuartigen DAC-Technologie entfernt das Zürcher Start-up Climeworks CO2 aus der Atmosphäre.
  • Dieses reine CO2 ist heute als Kohlensäure im berühmten Mineralwasser des EnAW-Teilnehmers VALSER zu finden.
  • Ein visionäres, innovatives Projekt rund um eine Technologie, die dem Klimawandel entgegenwirken soll.

Daniel Egger (l.) und Patrick Wittweiler sind eingespielte Kooperationspartner.

Sie sind in aller Munde. Ob bei der EnAW-Fachtagung, im amerikanischen Fernsehen, in den Schweizer Medien oder bei Galileo – die ganze Welt schaut auf die kleine Gemeinde Hinwil im Zürcher Oberland. Der Grund dafür? Ein Zürcher Start-up, das sich nicht weniger vorgenommen hat, als dem Klimawandel den Kampf anzusagen. «Das waren zwei Spinner, die in einem Labor etwas ausprobiert haben», schmunzelt Daniel Egger. Der Ingenieur ist verantwortlich für das Marketing und den Verkauf und stolz auf den Werdegang von Climeworks. Die Rede ist von Christoph Gebald und Jan Wurzbacher, die sich in ihrer Doktorarbeit an der ETH Zürich mit der sogenannten Direct Air Capture (DAC)-Technologie befasst haben. Mit dieser Technologie kann CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Ist aber Realität: Die erste kommerzielle DAC-Anlage wurde im Mai 2017 in Hinwil von Climeworks in Betrieb genommen.

KEHRICHT, KOHLENSTOFF UND GEMÜSE

Schon von Weitem sieht man die Kollektoren auf dem Dach der Kehrichtverbrennungsanlage (KEZO) in Hinwil. Anlagen wie diese gibt es mittlerweile 14. Sie sei aber die Grösste und als erste kommerzielle Anlage für die DAC-Technologie auch die Älteste. «In den Kollektoren befinden sich chemische Filter, die das CO2 einfangen», erklärt Egger. Genau in diesem Filter liege die innovative Technologie von Climeworks. «Obwohl immer über eine sehr hohe CO2-Konzentration in der Luft gesprochen wird, existiert auf 2500 Luftteile gerade Mal ein einziges CO2-Teil. Die Kunst liegt darin, genau dieses eine Teilchen über unsere Filter herauszuziehen.» Drei Stunden dauert es, bis der Filter gesättigt ist. Anschliessend wird das reine CO2 mit Wärme vom Filter gelöst, verflüssigt und so transportfähig gemacht. Moment – gesättigte Filter? Mit Wärme? Transportfähig? Das hört sich nicht gerade nachhaltig an. Ist es aber. Das Prinzip ist so einzigartig wie genial: Mit der Abwärme der KEZO, also mit überschüssiger Energie, wird der Strom erzeugt, der die Ventilatoren antreibt, um das reine CO2 daraus zu lösen. Diese Filter können wieder und wieder verwendet werden. Danach gelangt das CO2 über unterirdische Leitungen in das nahegelegene Gewächshaus der Gebrüder Meier Gemüsekulturen AG, die ihre Gewächshäuser ebenfalls mit der Abwärme der KEZO heizen. Warum diese reines CO2 aus der Luft brauchen? Damit ihre Spezialitäten wie Nüsslisalat oder Snack- Gurken um ganze 20 Prozent schneller wachsen. Aber die Gewächshäuser sollten nicht die einzigen Abnehmer für das CO2 aus der Luft bleiben: Schon bei den Feierlichkeiten zum Start dieses Projekts waren Vertreter von Coca-Cola geladen.

EIN LANG ERSEHNTER «GO»-ENTSCHEID

Patrick Wittweiler, der Sustainability Manager der Coca-Cola HBC Schweiz AG, war nach einem Treffen mit den Gründern von Climeworks bereits 2011 hellauf von deren Vision begeistert. Was, wenn die Kohlensäure für das berühmte VALSER Mineralwasser tatsächlich aus der Luft gezogen werden könnte? «Unsere Branche ist weltweit diejenige mit dem grössten Bedarf an CO2. Es ist einer unserer Hauptrohstoffe», so Wittweiler. «Deshalb liegt die Messlatte in Sachen Qualität und die damit verbundene Skepsis der Stakeholder extrem hoch.» Zu Beginn des Projekts musste Wittweiler viel Überzeugungsarbeit leisten. Nur wenige hielten es für realisierbar, CO2 aus der Luft ins Getränk zu befördern. Nach zahlreichen Gesprächen, aktiver Überzeugungsarbeit, steigender Reputation von Climeworks und der kommerziellen Zulassung der Technologie kam er 2017 endlich: der lang ersehnte «Go»-Entscheid. Nicht nur für Wittweiler war dieser Schritt ein Erfolg. Auch Egger weiss: «Es braucht immer Vorreiter wie Coca-Cola, die das Know-how und die Kapazitäten haben, ein solches Projekt zu stemmen und so den ersten Schritt machen. Diese Zusammenarbeit ist für uns sehr wertvoll.»

VON DER QUELLE IN DIE FLASCHE

Nach dem Entscheid ging die Arbeit für die beiden Pioniere weiter. Es galt, konkret an der Umsetzung zu arbeiten, die operativen Prozesse zu definieren, Zertifizierungen, Freigaben und Auditierungen erfolgreich über die Bühne zu bringen. Am 8. Februar 2019 war es dann soweit: Der erste Lastwagen mit reinem CO2 erreichte das malerische Valsertal und den Abfüllbetrieb von VALSER. Bis das CO2 aber als Kohlensäure in die berühmten grünen Flaschen kommt, hat das natürliche Mineralwasser bereits eine lange Reise hinter sich. VALSER Mineralwasser sickert mindestens 25 Jahre durch den Berg, bis es natürlich gefiltert und mit Mineralien angereichert aus der Quelle sprudelt. Pro Minute sind das bis zu 1000 Liter. In dem Moment ist es noch eisenhaltig und wird daher anschliessend durch einen Sandfilter geleitet, vom Eisen befreit und gelangt dann als Reinwasser in die grossen Tanks zur späteren Abfüllung. Laufende Überwachungen und Proben sichern die Qualität. Dabei werden neben den schweizerischen Gesetzesrichtlinien die noch strengeren Regeln von Coca-Cola berücksichtigt. So auch bei der Anlieferung des CO2 aus Hinwil. «Wenn unser CO2 die umfassenden Qualitätsstandards von Coca-Cola erfüllt, eignet es sich für potenzielle Abnehmer aus anderen Branchen erst recht», weiss Egger. Denn erst nachdem eine Probe der Lieferung strengstens im Labor untersucht und freigegeben wurde, darf es im flüssigen Zustand in den Tank vor dem Hauptgebäude geleitet werden. In einem Verdampfer wird das VALSER Wasser mit Kohlensäure aus der Luft karbonisiert, abgefüllt, verpackt und vertrieben.

VERANTWORTUNG WAHRNEHMEN

Aber was treibt ein Unternehmen wie VALSER, beziehungsweise Coca-Cola HBC, eigentlich an, eine solche Zusammenarbeit einzugehen? Ist es das Geld? «Das als Letztes!», versichert Wittweiler. «Finanziell lohnt sich das Ganze bisher nicht. Es ist teurer, aufwendiger und zeitintensiver.» Was also dann? Es sei unter anderem der Glaube an eine Technologie, die unsere Welt weiterbringen könne. Auch nehme Coca-Cola als weltweit bekannte Marke mit solchen Projekten ihre Verantwortung als Vorreiterin wahr. Trotzdem: Wittweiler ist überzeugt, dass sich Nachhaltigkeit langfristig immer rechnet. Auch deshalb nimmt Coca-Cola HBC seit 2003 am Energie-Management der EnAW teil. VALSER selbst hat 2015 in enger Zusammenarbeit mit EnAW-Berater Othmar Arnold eine verbindliche Zielvereinbarung mit dem Bund abgeschlossen. Die Produktion in Vals ist energieintensiv. Besonders die thermischen Bereiche fallen dabei ins Gewicht. Dazu gehört beispielsweise die Waschmaschine, welche die gebrauchten Glasflaschen gründlich und heiss reinigt, bevor diese erneut mit frischem Mineralwasser gefüllt werden. Die mit der EnAW gemeinsam formulierten Massnahmen sind vielseitig und reichen von Rohrisolationen bis zur Abwärmenutzung zum Heizen der Räumlichkeiten. Auch eine Holzschnitzelheizung mit Fernwärme ist in Planung. «Mit Othmar Arnold und der EnAW haben wir einen verlässlichen Sparringpartner, der uns bei der Umsetzung der vereinbarten Ziele tatkräftig unterstützt», sagt Wittweiler. Das Projekt mit Climeworks sei allerdings nicht Teil der Zielvereinbarung. «Das machen wir aus Überzeugung!»

BLICK IN DIE ZUKUNFT

Apropos Zukunft – wie geht es nach dem erfolgreichen Start mit Coca-Cola HBC eigentlich für Climeworks weiter? «Die Wissenschaft ist sich mittlerweile einig, dass die DAC-Technologie eine der Schlüsseltechnologien sein wird, um den Klimawandel aufzuhalten», so Egger. Das, weil sie industriell skalierbar sei. Egger gibt zu: «Im Moment sind wir noch weit davon entfernt. Wir saugen in Hinwil pro Jahr etwa 1000 Tonnen CO2 aus der Luft.» Das mache noch keinen weltweiten Unterschied. Ziel sei es aber, die Technologie so zu skalieren, dass sie einen Unterschied macht. Und daran glauben neben den 85 Mitarbeitenden von Climeworks auch zahlreiche Förderinstitutionen, Investoren und die Medien. Hand aufs Herz: bei so viel Medienpräsenz und Vertrauen der Investoren – ist das ein Druck oder eher ein Ansporn? «Natürlich erzeugen die Erwartungshaltungen einen gewissen Druck. Aber das spornt uns auch extrem an. Die Leute beginnen uns zu verstehen und schätzen unsere Arbeit sehr. Das macht uns stolz», so Egger. Die Vision von Climeworks ist es, bis 2025 ein Prozent der jährlichen, globalen CO2-Emissionen aus der Luft zu filtern. «Dafür ist die Zusammenarbeit mit der Getränkebranche Gold wert», so Egger. Der Getränkemarkt werde eine Schlüsselrolle spielen, um eine Technologie weiterzuentwickeln, die dem Klimawandel entgegenwirke. Eine lange, zeitintensive Reise, die Wittweiler und Egger gemeinsam weitergehen werden.

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Weg von fossilen Energieträgern und hin zu erneuerbaren Energien. Für die beiden Schweizer Biopioniere Biotta AG und Rathgeb Bio ist das (bio-)logisch. Dank der gemeinsamen Holzschnitzelheizung, die kürzlich in Betrieb genommen wurde, sparen die beiden Unternehmen in Tägerwilen jährlich 2500 Tonnen CO2 ein. Eine Kooperation, die auch bei der EnAW für Begeisterung sorgt.

Die gemeinsame Holzschnitzelheizung in Tägerwilen ist in Sachen Nachhaltigkeit schweizweit ein Leuchtturmprojekt. Die Initiatoren dahinter: Thomas Meier (Zweiter von links) und Markus Gschwandtner (Dritter von links).

Tägerwilen im Kanton Thurgau, direkt beim Hauptsitz der Biotta AG und nur wenige Gehminuten von den Gewächshäusern der BioFresh AG entfernt. Es riecht holzig-harzig, fast schon würzig. Nicht gerade Düfte, die man mit der Biosaftproduktion oder dem Gemüseanbau assoziiert. Zumindest nicht im ersten Moment. Denn in Tägerwilen hat das eine sehr wohl etwas mit dem anderen zu tun. Gemeint ist die im Spätherbst in Betrieb genommene, gemeinsame Holzschnitzelheizung, die den beiden Biobetrieben die benötigte Energie für das Tagesgeschäft liefert. Was es dafür braucht? Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, dieselbe Vision in Sachen Energiezukunft und das Einstehen für nachhaltige Projekte.

NACHHALTIGE ZIELE

Man nehme zwei Pioniere aus der Schweizer Biolandschaft – einen Biosaftproduzenten und einen Biogemüsebaubetrieb – und erhalte eine innovative und weitsichtige Kooperation. Die Liebe zur Natur, die konsequente Ausrichtung auf die biologische Landwirtschaft, die nachhaltige Betriebsphilosophie, der Anspruch auf höchste Kundenzufriedenheit und die Teilnahme am Energie-Management der EnAW: Biotta und Rathgeb Bio haben einiges gemeinsam. So auch das unermüdliche Streben nach möglichst innovativen und nachhaltigen Lösungen. Deshalb haben die beiden Schweizer Biopioniere unabhängig voneinander mit Unterstützung der EnAW eine Zielvereinbarung mit dem Bund zur Reduktion der CO2-Emissionen und der Steigerung der Energieeffizienz abgeschlossen. Das Ziel? Weg von fossilen Energieträgern, hin zu nachhaltigen Energiequellen. Wie das geht? Gemeinsam. Und mit Geduld.

IDEALES TIMING

Vor fünf Jahren haben sich Thomas Meier, Leiter Finanzen und Support von Rathgeb, und Markus Gschwandtner, Leiter Finanzen und Administration von Biotta, zum ersten Mal an einen Tisch gesetzt. «Unsere Gewächshäuser brauchen Energie, damit die Nutzpflanzen warm, trocken und gesund Hochleistungen erbringen, auch wenn der weitaus grösste Teil der Energie direkt von der Sonne kommt», weiss Meier. Zwar habe sich die Energieeffizienz in den Gewächshäusern in Tägerwilen dank grosser Investitionen bereits deutlich verbessert, «trotzdem ist es unser Ziel, noch nachhaltiger zu werden und die CO2-Bilanz weiter zu verbessern», so Meier. Auch Biotta setzt im Bereich Energieeffizienz auf hohe Standards. «Nachhaltigkeit liegt in der DNA von Biotta. Ob der hohen CO2-Belastung wollten wir deshalb weg vom Heizöl als Energieträger», sagt Gschwandtner. Eine baldige Sanierung der Heizanlage stand beim führenden Biosaftproduzenten also ohnehin an – ideales Timing, denn auch das Nachbarsunternehmen Rathgeb suchte für die Beheizung ihrer Gewächshäuser nach einer möglichst wirtschaftlichen Methode aus erneuerbaren Energieträgern.

GEMEINSAM STARK

So viel ist klar: Für beide Unternehmen wäre eine Lösung mit erneuerbaren Energien im Alleingang wirtschaftlich nicht möglich gewesen. Bei einem Gemeinschaftsprojekt dieser Dimension dürfe man aber die administrativen Aufwände nicht unterschätzen, weiss Gschwandtner. Wer braucht wie viel Energie, wie schaut der Zusammenarbeitsvertrag aus, wie wird das Projekt gemeinsam finanziert, wie funktioniert die Abrechnung? Fragen, auf die Gschwandtner und Meier während der letzten fünf Jahre Antworten suchten. Und fanden. «Das Ganze unter einen Hut zu bringen, war eine grosse Herausforderung», erklärt Gschwandtner. Schliesslich seien Biotta und Rathgeb doch zwei verschiedene, unabhängige Unternehmen. Auch der EnAW-Berater von Rathgeb, Martin Steiger, weiss: «Eine erfolgreiche Kooperation in dieser Konstellation ist speziell. Rathgeb braucht mehr Energie in Form von Warmwasser, Biotta dafür aber Dampf.» Dass die Unternehmen hier einen Kompromiss gefunden haben, so der EnAW-Berater, sei lobenswert.

EINE LÖSUNG DER SONDERKLASSE

Nicht minder lobenswert sind die Resultate. Dank des übergeordneten, komplexen Steuerungssystems wird auch die Wettervorhersage miteinbezogen und die optimale Energieversorgung garantiert. Drei Prozent des jährlichen Holzzuwachs im Kanton Thurgau – das sind rund 5300 Kubikmeter regionales Schlagholz: So viel Holzschnitzel werden pro Jahr direkt vor den Türen von Biotta in Tägerwilen angeliefert und in der neuen Holzschnitzelheizung verbrannt. Die daraus resultierende Wärme wird über die Fernwärmeleitung in den Speicher von Rathgeb geschleust, der Dampf gelangt in die Produktionskette von Biotta. Das Ergebnis? Eine Nennleistung von 2.4 Megawatt. Wird die Energierückgewinnung mittels Wärmepumpe und der Rauchgaskondensation addiert, vergrössert sich die Leistung auf 3.0 Megawatt.

WIRTSCHAFTLICHKEIT UND NACHHALTIGKEIT GEHEN HAND IN HAND

Allerdings liegen die Energiekosten mit dieser Gemeinschaftslösung für beide Unternehmen etwa 20 bis 30 Prozent höher als mit der herkömmlichen Energiezufuhr. Um einem Teil dieser fehlenden Wirtschaftlichkeit entgegenzuwirken, erhielt das Projekt Fördergelder von der Stiftung KliK und dem Kanton Thurgau. «Die Wirtschaftlichkeit eines solchen Projektes ist ein wichtiger Pfeiler. Aber wir sind bereit, den Mehrpreis zugunsten der Nachhaltigkeit zu zahlen», sagt Meier und hofft, dass es ihnen die Kunden, Konsumenten und Enkelkinder einmal danken werden. Ob sich die Investition im Millionenbereich finanziell gelohnt hat, werde sich erst in der Zukunft zeigen und hängt stark von den Preisentwicklungen der verschiedenen Energieträger ab. Aus der Nachhaltigkeitsoptik lohne sich die Anlage aber allemal: 2500 Tonnen CO2 sparen Biotta und Rathgeb mit der neuen Holzschnitzelheizung jährlich insgesamt ein. Und dem ist nicht genug: Dank der Einsparungen sind alle Produktionsprozesse und das Heizen der Gebäude von Biotta zu 100 Prozent CO2-neutral, die Gewächshäuser von Rathgeb zu 75 Prozent. Und die restlichen 25 Prozent? «Wir werden gemeinsam mit der EnAW die Gewächshäuser genauer unter die Lupe nehmen und versuchen, die restlichen 25 Prozent auch noch fossilfrei erzeugen zu können», antwortet Meier. Denn: Das mit der Nachhaltigkeit ist ein fortwährender Prozess.

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