Die Universität St. Gallen betreibt Lehre und Forschung auf höchstem Niveau. Abschreiben kommt aber nicht infrage – erst recht nicht bei der energetischen Betriebsoptimierung, denn: Die traditionsreichen Gebäude auf dem Rosenberg stehen unter Denkmalschutz. Herkömmliche Lösungen können deshalb meist nicht übernommen werden. In Zusammenarbeit mit der EnAW meistert die HSG seit 2014 aber auch diese Prüfung mit summa cum laude.
Die Umstellung auf LED stellte aufgrund der denkmalgeschützten Gebäude an der Universität St. Gallen eine Knacknuss der besonderen Art dar.
Donnerstag, 10 Uhr. Der Pausengong erklingt, Studierende strömen aus den Hörsälen und steuern den nächstgelegenen Kaffeeautomaten an. Es herrscht ein normaler Semesterbetrieb an der Universität St. Gallen. Was 1898 als Handelsakademie seinen Anfang gefunden hat, ist heute eine renommierte und international vernetzte Universität mit 8600 Studierenden und 3200 Angestellten. Was wohl die Wenigsten zur Kenntnis nehmen: Die Lampen im Foyer, die während der Unterrichtszeit gedimmt sind, werden pünktlich zur Pause – wenn das Licht am meisten gebraucht wird – heller. Eine technische Massnahme, die Energie spart und die Studierenden betreffend Nachhaltigkeit sensibilisiert – ein Meisterstreich in Sachen Effizienzsteigerung also. Der Meister hinter dem Streich? Markus Steiner, stellvertretender Sicherheitsverantwortlicher und Leiter Bau und Technik. Er ist für den Betrieb aller Gebäude, das Energie-Management und für die ganze Haustechnik zuständig und wird dabei tatkräftig von der EnAW unterstützt. Er weiss: «Das Energie – Management ist eine Wissenschaft für sich.»
WIE AUS DEM LEHRBUCH
«Wie es das Lehrbuch der Betriebsoptimierung so schön sagt, beginnt man bei der Primärenergie», erklärt Steiner und erwähnt die Energieverteilung, die Lüftung und die Heizungsregelung. Das sei grundsätzlich eine einfache Rechnung, so der EnAW-Berater Thomas Sommer. Denn mit der Optimierung von Erzeugern reduziere man automatisch auch den Energieverbrauch und CO2-Ausstoss. So wurde in Zusammenarbeit mit der EnAW alles bis ins kleinste Detail erfasst, sämtliches Einsparungspotenzial aufgeführt und diverse Massnahmen umgesetzt. Beispielhaft für die energetische Betriebsoptimierung ist die Wärmeerzeugung in der Sporthalle: Mittels Kaskadierung, dem optimalen Zusammenschalten zwischen Heizkessel und Wärmepumpe, konnte diese optimiert werden. «Hier haben wir mit relativ geringem Aufwand kostenmässig und energetisch sehr viel herausgeholt», konkretisiert der Energieverantwortliche. Das zeigen auch die Zahlen: Allein durch diese Optimierung spart die HSG in der Sporthalle zwei Drittel des Erdgasverbrauchs ein. Das entspricht jährlichen Einsparungen von 45 000 Kilowattstunden.
KEINE 0815-LÖSUNG
Aufwändiger gestaltete sich die ganzheitliche Umstellung auf LED, da das Gebäude, das seit 1963 auf dem Rosenberg oberhalb der Stadt thront, unter Denkmalschutz steht. «Es darf, überspitzt gesagt, kein Nagel in die Wand eingeschlagen werden, ohne dies mit den Denkmalschützern anzuschauen», so Steiner. Aus exakt diesem Grund können keine 0815-Lösungen realisiert werden. Das ruft nach Innovation und Fleissarbeit, denn ohne diverse Evaluationen und Testläufe vor der Umsetzung geht es nicht. In Nachteinsätzen hat das Team um Steiner während einiger Monate die rund 3500 Leuchten ausgetauscht, optimal eingestellt und so die gesamte Beleuchtung auf dem Campus auf LED umgerüstet, Spezialanfertigungen für die Bibliothek inklusive. Klingt einfacher, als es ist: Die Realisierung einer so grossen Massnahme unter erschwerten Bedingungen erfordere Know-how, Manpower, Zeit und Ressourcen. Und nicht nur das: «Ohne Begeisterung und Überzeugung kann man bei so grossen Projekten nicht mit Erfolg rechnen.» Gerechnet hat es sich aber allemal: Die Umstellung auf LED resultierte in einer Stromeinsparung von über 500 000 Kilowattstunden. Das entspricht über 20 Prozent des totalen Stromverbrauchs auf dem HSG-Campus und der durchschnittlichen Stromversorgung von 100 Einfamilienhäusern.
WISSENSQUELLE AUSTAUSCH
Nicht minder relevant für den Erfolg sind die Fördermittel von ProKilowatt, die den Austausch der Leuchtmittel erst wirtschaftlich machten. «Wir sind eine Wirtschaftsuniversität», so Steiner. Eine wirtschaftliche Betriebsoptimierung werde deshalb grossgeschrieben. Die beträchtlichen Einsparungen sind aber nicht zuletzt der Wirtschaftlichkeits-Kosten-Rechnung zuzuschreiben, welche Steiner bei jeder Massnahme durchführt. Dieses Engagement und die Kompetenz des Energieverantwortlichen weiss auch EnAW-Berater Sommer zu schätzen: Das Thema Energieeffizienz werde sehr kompetent und eigenverantwortlich gehandhabt. «Durch Betriebsoptimierungsmassnahmen, deren Wirkung durch Messungen plausibilisiert wurden, sowie durch das grossflächige Umstellen auf LED haben sie grosse Einsparungen erreicht», resümiert er. Die fruchtbare Zusammenarbeit wird auch vonseiten der Universität geschätzt. «Gerade wenn Formen der Betriebsblindheit auftreten, steht uns Herr Sommer mit Rat und Tat zur Seite», sagt Steiner. Er zeige auf, wo es sich lohnt, genauer hinzuschauen – eine Wissensquelle, die man auch in Zukunft nicht missen möchte.
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Das Wichtigste in Kürze
Dass der Forschungs- und Lehrbetrieb eine energieintensive Angelegenheit ist, zeigt die Universität St. Gallen.
Denkmalgeschützte Gebäude sind eine grosse Herausforderung, da sie herkömmliche, effizienzsteigernde Massnahmen nicht zulassen.
Mit akribischen Messungen, Fleissarbeit und einer grossen Portion Begeisterung erreicht die Universität St. Gallen aber auch bei der Energieeffizienzsteigerung eine Bestnote.